
Hamburg, März 1978. Eine dieser Nächte, in denen die Verstärker heiß laufen, das Bier warm wird und der Schweiß süßlich von den Gesichtern tropft. EARTH QUAKE stehen im Audimax, mitten in der legendären “Beserkley”-Tour mit THE RUBINOOS, Greg Kihn und TYLA GANG. Das Publikum ist auf Betriebstemperatur, die Band sowieso. Keine Show, kein Theater, kein doppelter Boden. Nur Strom, Schweiß und Songs, die klingen, als wollten sie die Bühne anzünden.
Vorne John Doukas, der mit seiner Stimme irgendwo zwischen Reibeisen und Charmeur pendelt. Einer, der die Zeilen regelrecht lebt. Daneben Robbie Dunbar, Gitarrist, Songwriter, Rampensau mit Feingefühl. Jeder Ton sitzt, jeder Akkord trägt ein Stück Seele. Stan Miller am Bass und Steve Nelson am Schlagzeug sorgen für den nötigen Schub, der alles in Bewegung hält. Gleich beim Opener ´Lovin’ Cup´ wird klar, dass EARTH QUAKE keine Band sind, die man sich gemütlich nebenbei anhört. Das ist Musik, die dich packt, rüttelt und nicht mehr loslässt.
Gegründet 1966 in San Francisco, aus dem Geist von britischem Beat und amerikanischem Blues, war EARTH QUAKE immer ein bisschen zu ehrlich für den großen Ruhm. Zu bodenständig, zu direkt, zu sehr Rock’n’Roll im eigentlichen Sinn. “Beserkley Records” wurde ihr Zuhause, dieser kleine, wilde Haufen um Matthew King Kaufman, der lieber großartige Platten veröffentlichte, als Kompromisse einzugehen. Dort tobte sich alles aus, was an der US-Westküste Rang, Namen und Herz hatte – Jonathan Richman, Greg Kihn, THE RUBINOOS – und eben EARTH QUAKE, die nie den schnellen Dollar suchten, sondern den perfekten Song.
Als der WDR im März 1978 den “Rockpalast”-Auftritt mitschneidet, steht die Band auf dem Höhepunkt ihrer Spielfreude. ´Hit The Floor´ und ´Stayin’ Out´ rollen los wie ein gut geölter V8, direkt, druckvoll, sonnendurchglüht und trotzdem mit dieser unnachahmlichen Club-Patina, die nach Kabeln, Rauch und billigem Whiskey riecht. ´Mr. Security´ schaltet einen Gang runter, zieht aber dafür emotional richtig an. Und ´Saving My Love´ zeigt, dass die Band nicht nur Power, sondern auch Tiefe konnte.
Wenn dann ´Friday On My Mind´ kommt, dieser ewige Evergreen der EASYBEATS, passiert das, was nur gute Bands hinkriegen. Sie spielen ihn, als hätten sie ihn selbst geschrieben. Kein Abklatsch, keine Nostalgie, sondern ein verdammt selbstbewusstes Statement. Das Publikum spürt das, ruft, tanzt, feiert. Es ist einer dieser Momente, in denen alles stimmt.
Mit ´Trainride´ fahren EARTH QUAKE schließlich den Abend nach Hause, und man möchte eigentlich, dass der Zug nie anhält. Energie, Spielfreude, dieser ungebremste Drang, noch eine Runde zu drehen, das alles steckt in diesem Song. Wenn der letzte Akkord verklingt, bleibt dieses vertraute Gefühl von Rock’n’Roll-Magie, aber auch ein bisschen Wehmut, ein bisschen Staunen, ganz viel Ehrlichkeit.
´Live At Rockpalast 1978´ ist keine angestaubte Erinnerung, sondern ein Stück Musikgeschichte. EARTH QUAKE haben nie die großen Stadien gefüllt, aber sie haben das gespielt, was man bis heute nicht lernen kann: echten, leidenschaftlichen Rock. Robbie Dunbar sagt, es sei ein großartiger Auftritt einer unvergesslichen Band gewesen. Man hört ihm das an. Und wenn man die Lautstärke hochdreht, versteht man sofort, warum.