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NATSUKI TAMURA & SATOKO FUJII – Ki

2025 (Libra Records) – Stil: Avantgarde

Wenn Natsuki Tamura und Satoko Fujii zusammenkommen, treffen jahrzehntelange Erfahrung und eine fast greifbare Intuition aufeinander, und es entsteht Musik, die zugleich filigran und überwältigend ist. Ein Dialog, der keine Lautstärke braucht, um zu berühren, ein Atem, der Raum schafft, Stille formt und Emotionen wie unsichtbare Ströme durch den Zuhörer leitet. ´Ki´, ihr zehnter Duo-Release, ist kein Feuerwerk, kein virtuos gezündetes Spektakel. Es ist ein zartes Licht, das sich langsam im Raum ausbreitet, sich zwischen den Wänden und den Noten niederlässt, lange nachdem man den letzten Ton gespielt hat, und dessen Widerhall tief im Inneren nachhallt.

Natsuki Tamura, dessen Trompete seit Jahren mit lyrischer Kraft und emotionaler Tiefe glänzt, bringt seine europäisch inspirierten Klanglandschaften in das Duo ein. Satoko Fujii, Pianistin, Komponistin und unermüdliche Avantgarde-Visionärin, öffnet Räume, in denen Melodie, Improvisation und Stille sich spiegeln, in denen Töne atmen und Schweigen Gewicht gewinnt. Ihr kreativer Fluss ist unaufhaltsam, doch das Werk ist ein bewusstes Innehalten. ´Ki´ ist reduziert, eine meditative Ruhe, die den Hörer in den stillen Kern jeder Komposition zieht. Satoko Fujii übernimmt meist die musikalischen Einführungen, ohne anschließend in den puren Begleitmodus zu verfallen, während Natsuki Tamura die lyrischen Ausführungen trägt, und doch verschmelzen beide zu einem gemeinsamen Atem, der das Album trägt und durchdringt.

Aufgenommen am 15. Juli 2025 im “Orpheus Studio” in Tokio, gemischt und gemastert von Mike Marciano in New York, vereint ´Ki´ sieben Stücke von Natsuki Tamura, jeweils nach Baumarten benannt, und Satoko Fujiis ´Dan’s Oceanside Listening Post´ als Bonus. Die Kompositionen wirken verwurzelt und zugleich leicht, als hätten sie Zeit, Luft und Raum durchdrungen. Jede Pause, jede Stille zwischen den Tönen wird zum eigenen Instrument, zum Resonanzraum, in dem Gefühle sich entfalten. Satoko Fujii erzählt, dass das Spielen von ´Ki´ eine tief emotionale Bewegung in ihrem Geist ausgelöst habe und die Stille zwischen den Tönen in Resonanz mit ihrem Leben gestanden habe. Natsuki Tamura beschreibt die Atmosphäre des Albums als eine Würde, die er mit der Vorstellung vergleicht, wie ein Mensch aufrecht in reiner Luft stehe.

Die Kompositionen entfalten eine fast sakrale Ruhe. ´Keyaki´ öffnet das Album wie ein langsames Aufblühen. Satoko Fujii lässt klare, glockenhelle Klaviernoten verklingen, während Natsuki Tamuras Trompete filigrane Melodien aus dem Nichts emporsteigen lässt, zart und doch präsent. Auf ´Sugi´ entsteht Spannung aus kontrastierenden Piano-Figuren und transparenten Trompetenlinien – ruhig, aber elektrisierend in jedem Detail. ´Hinoki´ und ´Arakashi´ zeichnen klare, meditative Linien, die sich in Zeit und Raum entfalten, während ´Kusunoki´, ´Icho´ und ´Kunugi´ ausbalancierte Dialoge entwickeln, in denen jede Pause wie ein gezielter Strich wirkt, jede Stille bewusst gesetzt ist. Satoko Fujiis ´Dan’s Oceanside Listening Post´ spannt schließlich eine Abendstimmung über den Pazifik. Reflektierender Sand, das Zwitschern von Vögeln, das letzte Licht am Horizont – Satoko Fujii spielt die Natur, Natsuki Tamura kommentiert mit sauberen, kristallklaren Trompetentönen, die wie Luftblasen über dem Wasser schweben.

Jahrzehntelange Zusammenarbeit lässt Satoko Fujii und ihren Ehemann Natsuki Tamura die Bewegungen des anderen mühelos vorausahnen; ihre Töne fließen wie vertraute Gespräche, wie Atemzüge, die perfekt aufeinander abgestimmt sind. Vor der Aufnahme testeten sie das Repertoire in Kalifornien, um den emotionalen Kern jeder Komposition zu spüren – eine Erfahrung, die in jeder Note hörbar wird und jede Phrase, jede Stille durchdringt. Der Klang wirkt bewusst würdevoll, ein feines Gleichgewicht aus Jazz, Improvisation und Weltmusik, ein Kosmos, in dem jedes Detail zählt und jeder Ton seine Daseinsberechtigung hat. ´Ki´ setzt auf Stille, Atmen, Nachhallen. Jeder Track ist ein Mikrokosmos, in dem Zeit und Raum gedehnt und neu geformt werden, in dem die Musik die Stille umarmt und zugleich füllt. Zwei Meister des Jazz zeigen, dass die größten Entdeckungen oft zwischen den Noten geschehen. ´Ki´ ist ein unverzichtbares Dokument – für langjährige Fans ebenso wie für neugierige Neueinsteiger – und eine Reise in das leise, unendlich reiche Herz der Musik.

(9 Punkte)

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