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A.C.T – Eternal Winter

2025 (Eigenpressung/Just For Kicks) - Stil: Progressive Rock, Bombast Pop, Melodic Metal

Der ewige Winter ist da, aber er kommt nicht in Form von Eis und Kälte – er kommt aus den Boxen, funkelnd und fast theatralisch. A.C.T., die Prog-Pop-Maschine aus Malmö, existieren seit 1995 und schließen mit ´Eternal Winter´ ihre Vier-Jahreszeiten-Saga ab. Wer einen frostigen Sound erwartet, wird überrascht, denn hier treffen Melodie, Humor, Pathos und Virtuosität aufeinander und erzeugen einen Winter, der mehr Feuerwerk als Frost ist.

Schon das eröffnende ´Intro´ trägt den Hörer hinein in eine Märchenwelt. Zarte Klavierarpeggien, elektronische Glöckchen und ein feiner Schneeschleier, der die Bühne für die kommenden Stücke vorbereitet. Dann platzt ´The Family´ herein, ein vokales Kabinettstück, das ABBA, QUEEN und SPARKS in einem wuseligen Tanz vereint. Thomas Lejons Drums schlagen wie nervöse Herzschläge, Ola Anderssons Gitarren und Jerry Sahlins Keyboards liefern Zuckerstreusel oben drauf, während Herman Samings Stimme das Chaos in Euphorie kippt.

´A New Beginning´ folgt und macht seinem Titel alle Ehre. Hier tragen weiche AOR-Melodien den Hörer fort, bittersüß, schwebend und federleicht, als würden STYX eine Pop-Ballade im Schneefall tanzen. Es ist ein Song, der sich sofort in Herz und Ohr legt. Dann ´When Snow Was White´: Ein a cappella-Beginn, Chöre wie aus einem verschneiten Kathedralenhimmel, QUEEN in schräg, BEATLES in bunt, Armstrong in Erinnerung. Ein Miniatur-Wunder, das die Winter-Magie hörbar macht.

´Waiting For The Sun´ bringt poppige Fruchtigkeit zurück. Synth-Riffs, die an KYROS erinnern, ein hymnisches Mitsing-Feeling. A.C.T. zeigen hier wieder, wie sie komplexe Arrangements locker, fröhlich und radiotauglich zugleich gestalten, ohne an Eleganz zu verlieren. ´This Special Day´ legt danach funky Rhythmen und EARTH WIND & FIRE-Grooves über progmetallische Härte, während Hermans fast kindlich-naiver Gesang bittersüße Ironie verleiht. Die Keyboards treiben sich selbst in den Wahnsinn – SPARKS hätten ihre Freude daran.

Mit ´Signs´ öffnet sich die Sternwarte. Keys schweben, Bass und Drums pulsieren, der Gesang reißt alles nach oben. TOTO-Harmonie und VOYAGER-Bombast mischen sich zu einem beachtlichen Prog-Pop-Universum, und ein fast kosmisches Break sprengt die Dramatik. Schließlich ´Home´: Sieben Minuten Prog-Epos, YES-Flair, SAGA-Schlenker, HAKEN-artige Keyboards, Eskalation, Riff-Wände, Solo-Exzesse – ein Stück, das zeigt, warum A.C.T. nie nur Prog oder Pop waren, sondern ein eigenes Theater der Gegensätze erschaffen.

Als Abschluss stolpert ´The Big Parade´ ins Rampenlicht. Saloon-Piano, Klarinette, Saxophon, ein grotesker, fröhlicher Vaudeville-Zirkus, der die gesamte Saga in einer letzten bunten Explosion zusammenfasst. Dann Stille. Ende.

Fazit: ´Eternal Winter´ ist kein frostiges Konzept, sondern ein quirliges, warmes und detailverliebtes Finale. A.C.T. verbinden unvereinbare Stile: Stadionrock, Kammerjazz, Synthpop, Progmetal, QUEEN, SUPERTRAMP. Manchmal zu bunt, manchmal zu verspielt, aber immer mit Herz, Humor und Virtuosität. Wer Prog mit Pop-Seele liebt, findet hier sein Anti-Depressivum für den Winter 2025.

(8 Punkte)

 

Trotz aller Erfahrung, Virtuosität und der klaren Handschrift der Band enttäuscht ´Eternal Winter´ auf vielen Ebenen. Drei Jahrzehnte Bandgeschichte, vier Jahreszeiten, eine lange Diskografie voller Glanzpunkte – und dennoch wirkt das Album blass. Wo früher Wahnsinn, Biss und kreative Explosion herrschten, bleibt jetzt Glätte, ein sorgsam polierter Pop-Prog, der kaum mehr überrascht.

Das ´Intro´ ist nett gemeint, aber flach, ein frostiges Klimpern ohne Gewicht. ´The Family´ versucht, den ABBA-QUEEN-SPARKS-Zauber zu entfalten, doch statt Funkeln gibt es aufgesetzten Klamauk. ´A New Beginning´ wirkt wie weichgespültes STYX-Light, Melodie ohne echte Tiefe, während ´When Snow Was White´ als Nostalgie-Pastiche hängen bleibt – hübsch, aber ohne Magie.

´Waiting For The Sun´ mag fröhlich und eingängig sein, doch die Radiotauglichkeit offenbart gleichzeitig die Leere. Es ist Prog-Pop für nebenbei, glattgebügelt und ohne Zündfunken. ´This Special Day´ verliert sich in überdrehtem Keyboard-Geklimper, das an Musical-Reste erinnert, und funkige Ansätze wirken konstruiert statt organisch. Bei ´Signs´ schimmert die kosmische Ambition durch, aber die Sterilität nimmt alle Spannung.

Das lange ´Home´ sollte der Höhepunkt sein, bleibt aber eine lose Collage aus Prog-Versatzstücken, virtuos, technisch perfekt, aber emotional leer. Und ´The Big Parade´, einst die Kür der Band, wirkt wie eine Selbstparodie: Vaudeville-Jazz überdreht, grotesk, ohne Witz.

Fazit: ´Eternal Winter´ enthält alle Zutaten der Band – Chöre, Melodien, Virtuosität –, aber keine Glut. Wo früher Rasanz, Biss und Theaterdonner herrschten, herrscht heute glatte Oberfläche. Für Neueinsteiger mag das Album nett sein, für alte Fans jedoch das schwächste Werk der Schweden: hübsch produziert, brav, stromlinienförmig – aber ohne Feuer.

(4 Punkte)

https://www.facebook.com/acttheband

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