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ARETHA FRANKLIN – Aretha Now

1968/2025 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) - Stil: Soul/R&B

Als im Sommer 1968 ´Aretha Now´ erschien, war die Krönung längst vollzogen. Die Welt sprach von der “Queen of Soul”. Aber dieser Titel war kein bloßes Etikett. Er war das Ergebnis eines Weges, der in der New Bethel Baptist Church von Detroit begann, wo Aretha Franklin nach dem frühen Tod ihrer Mutter als Kind ihre ersten Soli sang. Ihr Vater C. L. Franklin, charismatischer Prediger, Manager und Mentor, nahm sie mit auf seine „Gospel Caravan“-Touren, ließ sie Platten für „J.V.B. Records“ aufnehmen und erkannte früh, dass hier eine Stimme heranwuchs, die größer war als jeder Kirchenraum. Schon mit 14 sang sie ´Songs Of Faith´, verbrachte Sommer mit Mavis Staples’ Familie und begegnete Größen wie Sam Cooke und Dinah Washington. Quincy Jones soll damals gesagt haben: „Aretha ist die Nächste.“

Mit 18 wechselte sie nach New York und unterschrieb bei “Columbia”. Dort sang sie Jazz, Standards und Balladen, zwar mit einigem Erfolg, aber ohne das eine Element, das sie unverwechselbar machte. Der große Durchbruch kam erst, als Jerry Wexler sie 1967 zu “Atlantic” holte, nach Muscle Shoals führte, wo in einer einzigen, turbulenten Session ´I Never Loved A Man (The Way I Love You)´ entstand – und mit ihr eine neue Ära des Soul. Innerhalb von nur einem Jahr wurde Aretha Franklin zur erfolgreichsten Sängerin Amerikas.

´Aretha Now´ entstand fast beiläufig. Fünf Tage im Studio, die Band wie immer dicht beieinander, Aretha vorneweg, die SWEET INSPIRATIONS im Rücken, und dann noch die Hörner, die das Ganze wie eine Fanfare vergolden. Jerry Wexler sprach von einer „schlichten Session“, aber das Ergebnis sprach eine andere Sprache. Das Album ging sofort auf Gold, räumte in allen R&B-Kategorien ab und stürmte die Pop-Charts. Und aus den Liner Notes erfahren wir von den ersten Begeisterungsstürmen, von einer neuen Richtung und einer neuen Queen.

Zum 75. Jubiläum von “Atlantic Records” erscheint ´Aretha Now´ in einer Neuauflage durch “Analogue Productions”.

Die Edition kommt als 180g schweres Doppel-Vinyl mit 45 rpm, gemastert von Kevin Gray bei “Cohearent Audio” direkt vom analogen Original-Masterband. Gepresst wird bei “Quality Record Pressings”, verpackt in ein Tip-on old style Gatefold Double Pocket Jacket von “Stoughton Printing”.

Die ersten 2000 Exemplare sind nummeriert und ausschließlich bei “Quality Record Pressings” gefertigt, während unnummerierte Auflagen zusätzlich bei “RTI” entstehen können, erkennbar am Sticker auf der äußeren Schutzhülle.

Damit setzt diese Ausgabe innerhalb der “Atlantic 75 Series” wieder einmal Maßstäbe in Klang und Verarbeitung.

Die erste LP beginnt wie ein Donnerschlag: ´Think´ – Arethas Ruf nach Freiheit, nach Selbstbestimmung, nach Respekt. Zwei Minuten, die durch die späten Sechziger stampfen und bis heute durch die Gegenwart wandeln. Dann ´I Say A Little Prayer´ vielmehr tänzelnd. Dort, wo Dionne Warwick elegant bleibt, singt Aretha wie im Gottesdienst, mit call-and-response der SWEET INSPIRATIONS – mit ihrer Fähigkeit, jede Note zu umkreisen, zu biegen, als würde sie mit der Stimme improvisieren wie ein Saxophon. ´See Saw´ klingt wie eine fröhliche Narretei, ´Night Time Is the Right Time´ wie ein Gospel in der Nacht der offenen Kirchen, ´You Send Me´ wie ein intimer Liebesgruß an Sam Cooke, den Freund aus frühen Jahren.

Auf der zweiten LP geht es ohne Atempause weiter. ´You’re A Sweet, Sweet Man´ geht direkt in die zuckrigen Beine. ´I Take What I Want´ bringt die Energie der „Stax“-Schule ins “Atlantic”-Haus, denn Aretha macht jedes nur erdenkliche Material zu ihrem eigenen. ´Hello Sunshine´ ist das mit Bläsern geöffnete Fenster, ´A Change´ der drängende Schritt nach vorn, ehe ´I Can’t See Myself Leaving You´ alles wieder zurückführt in das intime, bluesgetränkte Erzählen, womöglich zurück in die Kirche, wo alles begann.

1968 war ein Jahr voller Umbrüche – gesellschaftlich, politisch und musikalisch. ´Aretha Now´ war mittendrin, als lebendige Verkörperung, als Stimme einer Frau, die die Regeln nicht nur brach, sondern neu schrieb: das Mädchen, das bei Dr. Martin Luther King Jr. auf Tour ging und 1968 bei seiner Beerdigung sang oder die junge Frau, die in Chicago von Radiomoderator Pervis Spann symbolisch zur „Queen of Soul“ gekrönt wurde. All das macht ´Aretha Now´ zu einem Dokument eines Jahres, das Geschichte schrieb.

´Aretha Now´ mag manchmal im Schatten von ´Lady Soul´ stehen, das Aretha Franklin im selben Jahr aufgenommen hat. Doch ´Aretha Now´ ist keine bloße Wiederholung, sondern ein pulsierender Beweis ihrer Vielseitigkeit. Es ist die Platte, die zeigt, wie sie mühelos zwischen Funk und Ballade, zwischen Predigt und Liebeslied, zwischen Ekstase und Intimität wechseln konnte. ´Aretha Now´ ist ein Album, das keine Sekunde altert, weil es nie Mode war, sondern Realität.

(Klassiker)

https://www.facebook.com/arethafranklin

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