
IRON MAIDEN – Virtual XI
1998 (EMI) - Stil: Heavy Metal/Hardrock/Progressive Rock
Ich suche mir ja gerne Alben aus den späten 90ern oder um die Jahrtausendwende heraus, von etablierten Bands, die es in diesen Phasen besonders schwer hatten, siehe unter anderem SLAYERs ´Diabulos in Musica´ oder METALLICAs ´St. Anger´.
Das elfte Studioalbum der britischen Heavy Metal-Institution IRON MAIDEN ´Virtual XI´ passt ganz hervorragend in diese Kategorie, nach den Weggängen von Bruce Dickinson und Adrian Smith taten sich die Metal-Pioniere jedenfalls unheimlich schwer und hatten vor allem songschreiberisch nicht mehr das gewohnte Niveau zu bieten.
Der Vorgänger ´The X Factor´ hatte einige Jahre zuvor die Erwartungen der Fans nicht erfüllt, und es war in erster Linie Blaze Bayleys Gesang, der von vielen Puristen nicht akzeptiert wurde.
´Virtual XI´ ist ein insgesamt beschwingteres Album als das düstere und introspektive ´X Factor´, und es hat deutlich mehr Energie. Die Produktion sorgt dafür, dass man jedes Instrument klar hören kann und ein sauberer Mix vorliegt, und das Album erfüllt klar und deutlich beides.
Betrachtet man speziell die Instrumentierung, so ist ´Virtual XI´ sehr gelungen, denn das Werk bietet exzellente Gitarrensoli und Riffs sowie wunderschöne, klare Passagen wie in der abschließenden Ballade ´Como Estais Amigos´ beispielsweise.
Der Bass, auch in dieser Phase ein Markenzeichen der Band, ist sehr präsent und tritt gemeinsam mit den Gitarren als Hauptinstrument auf, etwas, das die Band in all ihren Werken beibehalten hat.
Nicko McBrains Schlagzeugspiel ist mehr als solide, und auch wenn es nicht zu seinen besten Arbeiten zählt, behält er einen eher konservativen Stil bei, der ganz ausgezeichnet zum Album passt.
IRON MAIDEN schöpfen anno 1998 schließlich jedes Stück durch ungemein lange Spielzeiten aus, denn die durchschnittliche Songdauer (mit Ausnahme vom hervorragenden Opener ´Futureal´ im ´Piece Of Mind´-Style) beträgt etwa sechs Minuten, was damals auch als Kampfansage gegen die kurzen Pop-Stücke der Grunge-Ära angesehen werden konnte.
Zahlreichen Songs öffnete das dann schließlich auch die Tür zu einer Reihe interessanter Wechsel, wie etwa in ´Lightning Strikes Twice´, wo wir eine Passage mit hervorragenden Gitarrensoli und einprägsamen Melodien zu hören bekommen.
´Don`t Look To The Eyes Of A Stranger´ ist ein Beispiel dafür, wie die Band das progressivere, längere Songformat meisterhaft umsetzt. Die Rückkehr der Keyboards verleiht dem Sound jedenfalls eine schöne zusätzliche Ebene, und das Stück gehört mit seinen rund 8 Minuten Spielzeit zudem zu den ganz klaren Highlights.
Der besagte Album-Closer ´Como Estais Amigos´ handelt dann von den Soldaten auf beiden Seiten des Falklandkriegs, eine wunderschön geschriebene Ballade, die einen emotional berührt. Alles an diesem Stück, von Bayleys eindringlichem Gesang bis hin zu den Gitarren von Dave Murray und Janick Gers, löst Gefühle aus. Es ist einfach ein leidenschaftlicher Song, der das letzte Album mit Bayley perfekt abschließt.
Die nachfolgende ´Virtual XI´-World Tour sollte sich schließlich für die Stimme Bayleys noch schädlicher erweisen als die vorherige Tournee, und Allergien und wiederholte Überlastung führten zu weiteren Konzertabsagen. IRON MAIDEN ließen ihn dann zwar noch Songs singen, die seine Stimme schonen sollten, aber im Januar 1999 wurde er gebeten, die Band zu verlassen und die Band stand erneut ohne Leadsänger da.
´Virtual XI´ steht in meiner IRON MAIDEN-Album-Ranking-Folge jedenfalls klar über einigen, speziell späteren Werken mit Dickinson, ob nun ´Brave New World´, ´Dance Of Death´ oder auch ´The Final Frontier´, die mich allesamt nicht wirklich überzeugen konnten. Es ist auch eine Art Schwanengesang, der einen still berührt – aber vor allem auch ein Album, das die meisterliche Klasse der fünf Londoner, selbst in den schwächeren 90ern, klar verdeutlicht.
Favorites: ´Futureal´, ´The Angel And The Gambler´, ´Lightning Strikes Twice´, ´The Educated Fool´, ´Don`t Look To The Eyes Of A Stranger´
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/ironmaiden
Pics: Mick Hutson/Redferns (Band), „Iron Maiden – Blaze Bayley, Paris 1998“ von Tilly Antoine, CC BY-SA 4.0 (Live), Iron Maiden Holdings Ltd./EMI Music Publishing (all other images)