PlattenkritikenPressfrisch

ROLAND VAN CAMPENHOUT – Segovia At The Wheel

2025 (Meyer Records) - Stil: Singer-Songwriter

Irgendwo zwischen Bahnhofstoilette und Buswartehäuschen, in der grauen Zone zwischen Erinnerung und Rauschen, spielt ein alter Mann auf einer Gitarre, die nach Wüste riecht. Es ist Roland Van Campenhout. 81 Jahre jung, aber mit einem Blick, der die Welt schon drei Mal gesehen hat. Nicht im Jet oder in der Luxus-Yacht, sondern hinten auf dem Güterwagen, zwischen rostigen Gleisen und Dosenbier. ´Segovia At The Wheel´ ist sein neuester Streich, ein weiterer Stiefelabdruck auf dem langen, staubigen Highway seines Lebens.

Roland Van Campenhout ist kein Musiker, der sich aufdrängt. Er ist eher einer, der dir im Vorbeigehen einen Akkord vor die Füße wirft. Er war bei Rory Gallagher, bei Dylan, bei den Beatniks, im Jazz und in der Psychedelic. Immer dabei, aber nie mittendrin. Ein Typ, der mehr reist als ankommt. Der Hobo als Lebensentwurf, nicht romantisiert, sondern gelebt. So wie der erste Track ´Seldom Seen Slim (Only A Hobo)´, denn bereits der Titel sagt mehr über die Platte als ein ganzes Hochglanz-Magazin-Interview es je könnte. Man hört das Zischen der Bremsen, den singenden Draht der Oberleitungen. Man riecht den alten Schlafsack im Abteil.

Wir springen mit auf. Wir fahren los, es ruckelt, ein Banjo pluckert. So ein rissiges, staubiges Ding, das man im Straßengraben findet, wenn man Glück hat. Und dann ´My Fear´, eine Art Gebet an die Dämonen, die man lange genug mit sich trägt. Kein Kitsch. Einfach ein Lied, das wie ein leeres Motel-Zimmer klingt. Neonflackern inklusive.

Roland Van Campenhouts Musik ist ein Tagebuch, mit Whiskeyflecken und verbrannten Ecken. Das Banjo in ´Seven String Banjo´ klimpert wie eine versoffene Straßenlaterne im Morgengrauen, während irgendwo dahinter ein Zug schnauft. Mitten auf der Straße kommt plötzlich ´Buddha Box On Parade´ vorbei. Eine Mischung aus Swamp, Funk, Mantra und Zigarettenrauch.

Auf der nächsten Parkbank fängt plötzlich alles an, Sinn zu machen. ´Raga In Rage´ scheint eine Art verzerrter Gebetsruf mit Nordafrika im Blut und Mississippi unter den Fingernägeln zu sein. Und wenn dann der Titeltrack ´Segovia At The Wheel´ erklingt, kommt plötzlich Stille. Stille, die lebt und knackt. Eine Art musikalisches Warten an der Ampel, irgendwo im Niemandsland.

Man kann Roland Van Campenhout nicht analysieren wie jede andere frische Songsammlung. Seine Musik ist zu erfahren, um irgendwem etwas beweisen zu müssen. ´Segovia At The Wheel´ ist einfach das, was rauskommt, wenn ein Mann, der seit Jahrzehnten unterwegs ist, kurz Pause macht, ein paar Töne sammelt, ein paar Geschichten erzählt und dann wieder weiterzieht. Es ist kein Radiofutter. Es ist ein Hobo-Album. Es ist eine Platte für Bahnhofs-Nächte, Tankstellen-Morgende, und die stillen Minuten auf der Parkbank hinter dem Einkaufszentrum. Es ist keine Platte zum Taxieren, da man keine Punktzahl auf Zigarettenrauch schreiben kann.

https://www.facebook.com/VanCampenhoutRoland


(VÖ: 08.08.2025)

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"