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DUSTY SPRINGFIELD – Dusty In Memphis

1969/2025 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Pop

´Dusty In Memphis´ erscheint derzeit zum 75-jährigen Jubiläum von „Atlantic Records“ endlich im echten Goldstandard auf Vinyl. Denn „Analogue Productions“ haben sich dem Jubiläum angeschlossen und veröffentlichen die Scheibe ihrerseits auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, vom analogen Original-Masterband von Kevin Gray gemastert und natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“.

Die bewährte Zusammenarbeit zwischen “Analogue Productions”, “Acoustic Sounds” und “Quality Record Pressings” zeigt einmal mehr, was heute klanglich möglich ist. Diese Pressung klingt schlichtweg fantastisch – klar, detailreich und dynamisch – und lässt frühere Ausgaben deutlich hinter sich. ´Dusty In Memphis´ hat noch nie jenseits von Memphis so geleuchtet.

Das Vinyl ist absolut geräuschlos. Im Vergleich zur Pressung von “Analogue Productions” aus dem Jahre 2011 sind klanglich keine riesigen Unterschiede zu erwarten, vielleicht hier und da ein kleiner Hauch Magie. Allerdings erscheint die aktuelle Version im Gegensatz zur 2011er in einem aufklappbaren, massiven und glänzenden, somit hochwertigen Stoughton Gatefold Pocket Jacket.

´Dusty In Memphis´ ist ein künstlerisches Bekenntnis. Ein Meilenstein in der Laufbahn von Dusty Springfield und zugleich ein Höhepunkt des Soul-infizierten Pop der späten Sechzigerjahre. Die britische Sängerin, längst eine feste Größe im Musikgeschäft, zeigt sich hier auf dem Zenit ihres Ausdrucksvermögens.

Schon der Auftakt mit ´Just A Little Lovin’´ ist ein vorsichtiger, intimer Beginn. Sanft und zurückhaltend, aber mit Nachdruck. ´So Much Love´ folgt als warmer, dramatisch gefasster Kontrapunkt, getragen von Dustys müheloser Eleganz und emotionaler Tiefe. ´Son Of A Preacher Man´, am Ende der A-Seite platziert, wirkt nicht wie ein kalkulierter Hit, sondern wie ein natürliches Zentrum. Klar und selbstbewusst erzählt Dusty ihre Geschichte, mit einem Augenzwinkern, das mehr andeutet, als es verrät.

Die B-Seite beginnt mit ´I Don’t Want To Hear It Anymore´ in verdichteter Atmosphäre. Dustys Stimme steht zerbrechlich, aber mit voller Präsenz im Vordergrund. ´Don’t Forget About Me´ bringt eine scheinbar leichtere Note, doch unter der Oberfläche brodelt es. Den Abschluss bildet ´Breakfast In Bed´, eine beiläufig-intime, fast körperlich spürbar Szene.

Mit ´Just One Smile´ beginnt die Seite C eine Abfolge feinfühliger Balladen, in denen Dusty leuchten darf. Ihre Stimme tastet sich vor, hält inne, bevor sie sich entfaltet. Ein Gesang zwischen Rückhalt und Aufgabe. ´The Windmills Of Your Mind´ schwebt wie ein Traum, mehr Stimmungsbild als Erzählung, während ´In The Land Of Make Believe´ mit kunstvoller Orchestrierung eine bittersüße Illusion entwirft. Den Schlusspunkt der Seite setzt ´No Easy Way Down´, ein leiser, resignierter Moment, der die schmerzliche Wahrheit anerkennt, dass es keinen einfachen Ausweg gibt, weder aus einer Beziehung noch aus sich selbst.

Die D-Seite bringt den sanften Ausklang. ´I Can’t Make It Alone´ klingt wie ein letzter Versuch, der schon weiß, dass er scheitern wird. Die drei Bonustracks fügen sich überraschend organisch ein. ´Willie And Laura Mae Jones´ erzählt mit zurückhaltender Direktheit, ´That Old Sweet Roll (Hi-De-Ho)´ bringt eine Prise rhythmische Leichtigkeit und ´What Do You Do When Love Dies´ beendet das Album mit einem fast lautlosen Fragezeichen.

´Dusty In Memphis´ ist kein Album, das sich aufdrängt. Wer es wirklich verstehen will, muss hören, was zwischen den Zeilen passiert. Es öffnet sich langsam, fast schüchtern. Es wächst mit jedem Hören. Genau darin liegt seine größte Stärke.

Als ´Dusty In Memphis´ entstand, war es ein musikalisches Experiment und ein Wagnis. Für alle Beteiligten, aber besonders für Dusty Springfield selbst. Die Vorstellung, ausgerechnet im Epizentrum des rauen Southern Soul aufzunehmen, bereitete ihr zunächst Unbehagen. Memphis stand für ein Klangbild, das sie nicht imitieren wollte, zu groß war ihr Respekt vor den Stimmen, die dort ihren Ursprung hatten.

Doch was als Unsicherheit begann, wurde zu einem Prozess der Selbstentfaltung. In einem für sie ungewohnten Arbeitsumfeld – spontan, kollektiv, ohne starre Arrangements – fand Dusty einen neuen Zugang zu ihrer eigenen Stimme. Nicht nur gesanglich, sondern emotional. Sie sprach später davon, dass sie an diesen Tagen in Memphis „gewachsen“ sei. Diese Entwicklung hört man mit jedem Ton.

Denn ´Dusty In Memphis´ ist kein Album, das auf große Gesten setzt. Es wirkt im Stillen, durch Nuancen, durch das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Die Musiker, darunter Größen wie Tommy Cogbill, Reggie Young, Gene Chrisman und die Sweet Inspirations, begleiten sie präzise, aber nie dominant. Jeder Ton scheint einem gemeinsamen Gefühl zu folgen.

Das Ergebnis ist ein Klang, der in die Tiefe geht. Soul mit britischem Understatement sowie Pop mit Gefühl für Timing und Raum. Denn ´Dusty In Memphis´ ist keine Nachahmung amerikanischer Vorbilder, sondern ein Dialog zwischen Welten. Und inmitten dieses Austauschs steht eine Künstlerin, die genau dort aufblüht, wo sie sich zuvor fremd fühlte.

Dass dieses Album heute zu den großen Klassikern zählt, liegt nicht zuletzt daran, dass es sich seiner selbst nicht sicher war. Und gerade darin liegt seine Magie. ´Dusty In Memphis´ ist das zarte Erwachen einer Stimme, die endlich gehört wird, wie sie wirklich ist.

https://www.facebook.com/DustySpringfieldOfficial

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