
ALICE COOPER BAND – The Revenge Of Alice Cooper
2025 (earMUSIC) - Stil: Rock
Es gibt Comebacks und es gibt ´The Revenge Of Alice Cooper´. Diese Wiederauferstehung ist kein schlichter Nostalgie-Trip mit Lederjacke und Totenschädel, sondern ein glorreicher Aufstieg aus dem Grab des Rock’n’Roll. Staubig von all den Jahren, doch blutbespritzter als je zuvor, haben die Väter des Lärms nach über fünfzig Jahren wieder zusammengefunden: Alice Cooper, Dennis Dunaway, Neal Smith und Michael Bruce. Begleitet von Bob Ezrin, der die analoge Magie wieder aufleben lässt, live eingespielt, roh und ungeschliffen. Selbst Glen Buxton, längst ein Geist, ist da, hörbar in den Schatten der Tapes, flüstert zwischen den Riffs.
Der Auftakt schleicht sich wie ein tödlicher Schlangenzahn an. ´Black Mamba´ ist die erste Verlockung, ein düsterer Zauber („Come a little closer, darlin’. Look into my eyes. I ain’t domesticated. I’m not that civilized“). Die Giftschlange windet sich durch die Lautsprecher, der Refrain beißt sich ein in den Geist, während die Gitarre wie Schlangenhaut im Mondlicht schimmert („Black Mamba slides, Black Mamba sways“).
Dann rast der wilde Puls der Ausgestoßenen durch die Adern, wenn die ´Wild Ones´ durch die Nacht brechen („We are the wild ones crashin’ through the night. Livin’ in the shadows, hidden from the light“). Das Leben ist rau, roh und voller Rebellion, die Garage als Zuflucht, alte Geister, neu entfacht, und Alice klingt frischer als jede neue Generation.
Ein schwerer Groove zieht auf, ´Up All Night´ erzählt vom Leben als falscher Film („They don’t know what I’m capable of“). Die Welt dreht sich, dumpf und kratzig, ein nächtliches Bekenntnis zu den dunklen Seiten des Daseins, wo Grenzen nur Illusion sind. Zudem sitzt in ´Kill The Flies´ ein Mann im Schatten eines wahnsinnigen Geistes, umgeben von summenden Insekten, die ihm den Verstand rauben („I hate these flies, kill the flies“). Makaber, verstörend und grotesk, ein dunkles Theaterstück, das in den Tiefen der Seele spielt. Obendrein erzählt ´One Night Stand´ zynisch und scharf wie ein Messer von einer Femme fatale, die ihre eigene Medizin nimmt („She just got a taste of her own medicine“). Tarantino-Vibes vermischen sich mit einem düsteren Humor, der sexy und tödlich zugleich ist.
Bombastisch und apokalyptisch entfaltet sich ´Blood On The Sun´, ein Kriegsfilm aus Klang und Bild („Flyin’ Tigers, Twelve O’Clock High. Johnny Got His Gun. War of the Worlds“). Die Stunde der Waffen schlägt, während Blut die Sonne tränkt („Blood on the sun. The hour of the gun“), ein musikalischer Napalmregen, der den amerikanischen Traum verbrennt. Die bittere Wahrheit des Alltags liegt sodann in ´Crap That Gets In The Way Of Your Dreams´, erschöpft, entmutigt und zwischen Musik und toter Liebe („She may be dead upstairs, or maybe she just don’t care. About my music or my laundry pile“). Ein Spiegel der Mühsal und Melancholie.
´Famous Face´ schießt scharf auf die sinnentleerte Welt des Ruhms, wo Oberflächlichkeit zählt (“You don’t do nothin’, you just take up space. ‘Cause you’re just another Famous Face“). Der Beat beißt, ein rotziger Kommentar auf eine Zeit, in der Follower wichtiger sind als Talent. ´Money Screams´ rast hingegen in wütendem Punk-Gewand mit einem scharfen Blick auf Gier und Macht („Money doesn’t talk, it screams“). Der Sound kratzt, beißt und spuckt. Das ist die rebellische Stimme eines Albums, das sich nicht verbiegt. Das durchgeknallte ´What A Syd´ tanzt jedoch aus der Reihe, eine Mischung aus Jazz-Rock, Swing und absurdem Humor („He’s got a duck and a shoe on his head“). Theater für Geistesgestörte, dirigiert vom Meister selbst.
Zwischen Glam und Horror gleitet ´Intergalactic Vagabond Blues´ dahin, ein rauer Ritt durch fremde Welten („She bit me on the lip and she felt free. To taste my blood and probe my brain“). Eine schaurig-schöne Eskapade, die Spaß macht und den Geist beflügelt. Anschließend berührt die leise Melancholie von ´What Happened To You´ tief. Ein Tribut an einen verlorenen Bruder, verwebt mit alten Tapes von Glen Buxton („You’re not the guy I knew“). Kein Showeffekt, nur ehrliche Erinnerung, die im Herzen nachhallt.
Der Blues lässt sich als Nächstes in ´I Ain’t Done Wrong´ Zeit, samt minimalistischem Gesang voller Gewicht („Well, it’s all my fault. I must have done somebody wrong“). Die Müdigkeit eines Mannes, der alles gesehen hat, der nicht aufhören kann. Der letzte Akkord, ´See You On The Other Side´, ist eine zarte, reduzierte Ballade. Ein Abschied ohne Traurigkeit, ein Versprechen, ein Toast auf die Ewigkeit („I feel you on the other side. We’ll rock and roll the night away“). Vielleicht an Buxton, vielleicht an uns alle.
Der Albtraum ist zurück – dreckiger, lauter und lebendiger als je zuvor. ´The Revenge Of Alice Cooper´ ist kein alter Trick, sondern ein ehrliches und wildes Statement, voller Wut, Spielfreude, Ehrlichkeit und Schrecken. Dieses Album gehört direkt neben ´Killer´ und ´School’s Out´ ins Regal.
(8,5 Punkte)
(VÖ: 25.07.2025)