
CROWN LANDS – Ritual II
2025 (InsideOut Music/Sony) - Stil: Psychedelic Ambient
Was passiert, wenn man sich beim Klangwandern ein Stück weiter von der Zivilisation entfernt? Wenn aus meditativer Musik ein unberechenbarer Trancezustand wird, ganz ohne Esoterik-Kitsch, aber mit Tiefe, Raum und einer Menge Instrumente, deren Namen man nicht kennen muss? Dann kommt dabei etwas heraus wie ´Ritual II´ von CROWN LANDS.
Nachdem Cody Bowles und Kevin Comeau mit ´Ritual I´ bereits zeigten, dass sie nicht nur Könner des krachenden Progressive Rock, sondern auch feinfühlige Klangschamanen sind, gehen sie mit dem zweiten Teil der Instrumentalreihe noch weiter in unbekanntes Terrain. ´Ritual II´ klingt noch offener, noch weltmusikalischer und noch intuitiver.
´Tempest´ eröffnet die EP mit unruhig vibrierender Spannung. Sanft angespielte Flöten, vorsichtiges Trommeln und ein düsterer Grundton legen sich wie Dunst über den Track, der seinem Namen alle Ehre macht. ´Respite´ dagegen wirkt wie ein vorsichtiges Weiterkommen, schimmernde und perlende Töne, Flöten und Xylophon, ein musikalischer Atemzug.
Dann kommt ´Shadows Under Moonlight´. Im ungeraden 5/4-Takt flirren Oud, Xylophon, Flöten und diverse Trommeln übereinander, fast wie ein Ritual um ein knisterndes Lagerfeuer unter einem fremden Sternenhimmel. Die Komposition entstand weitgehend durch Improvisation, und gerade deshalb wirkt sie so lebendig. CROWN LANDS öffnen hier ein neues Kapitel ihrer Klangwelt, das fremdartig, sinnlich und fast schon psychedelisch ist.
´Mirage´ und ´In The Seeds´ spinnen das Netz der Klänge weiter, die Stücke mäandern zwischen Trance, Ambient und ritueller Ekstase. Hier ein Flötensolo, dort ein Glockenspiel, zwischendurch ein perkussives Flimmern wie aus einer vergessenen Kultur. ´Celestial´ schließt die EP schließlich mit einem leichten, fast schwebenden Gefühl ab. Alles verflüchtigt sich im rituellen Zusammenspiel. Kein klassischer Höhepunkt, sondern ein abruptes Ende.
Damit gelingt CROWN LANDS mit ´Ritual II´ eine natürliche, aber dennoch tiefere Fortsetzung des ersten Teils. Wo ´Ritual I´ noch vorsichtig Räume eröffnete, schreitet das Duo hier mit Neugier und Experimentierfreude hindurch. Es gibt wieder keinen Gesang, keine Hooklines, keinen Rock – aber dafür eine Vielzahl an Ideen, Instrumenten und Atmosphären.
Wer hier an DEAD CAN DANCE, KING GIZZARD oder Jeff Rona denkt, liegt nicht falsch – und wer das Ganze mit guten Kopfhörern bei Nacht hört, wird verstehen, warum CROWN LANDS eben doch mehr sind als nur eine Progband mit RUSH-Vergangenheit. Sie sind Klangalchemisten. Ritualforscher. Und ´Ritual II´ ist in diesem Sinne ihr bislang mutigstes Klangabenteuer.
(8 Punkte)