
JOZEF VAN WISSEM AND JIM JARMUSCH – The Day The Angels Cried
2025 (Incunabulumn Records) - Stil: Neo Classical/Dark Folk
Wenn sich ein Barocklauten-Virtuose aus dem niederländischen Maastricht mit einem US-amerikanischen Kultregisseur zusammentut, der seine Gitarren lieber flüstern als schreien lässt, dann wird es natürlich nicht spaßig. Zum Glück. Jozef van Wissem und Jim Jarmusch sind mittlerweile eine feste Institution im Grenzland zwischen Dark Folk, Avantgarde, Neoklassik und Trauermusik für Zwischenwelten. Seit fast 15 Jahren veröffentlichen die beiden gemeinsam Platten, und ihr neuestes Werk ´The Day The Angels Cried´ ist vielleicht ihr bisher eindringlichstes.
Jozef van Wissem ist nicht nur der bekannteste Lautenspieler der westlichen Welt, sondern auch ein Komponist mit dem Hang zur absoluten Reduktion, der es minimalistisch, meditativ und fast rituell liebt. Jim Jarmusch ist hingegen seit den späten 70ern mit seiner Gitarre unterwegs, etwa im No Wave, bei DARK DAY, in seiner Band SQÜRL oder eben im Duo mit Jozef van Wissem. Wie immer bleibt er der Mann im Hintergrund, der seinem Partner die Bühne baut. Oder wie er es selbst mal gesagt hat: “Jozefs Laute klingt wie die Sonne. Ich bring das Mondlicht dazu.”
´The Day The Angels Cried´ ist der Nachfolger zum 2023er ´American Landscapes´, das mit seinen Endzeit-Feedbackflächen und Kreisläufen der Stille ein ziemlicher Brocken war. Doch statt noch tiefer in die Düsternis zu kriechen, bauen sie diesmal wieder etwas auf. Etwas Licht fällt rein. Aber nur ein bisschen.
Gleich der Opener ´Concerning Celestial Hierarchy´ klingt wie ein langgezogenes Gebet, das sich durch E-Bow-Gitarren und vorsichtige Lautenfiguren windet. Danach kommt der Titeltrack, ´The Day The Angels Cried´, basierend auf einer Vision, die Jozef van Wissem im Traum hatte – irgendwas zwischen Engelserscheinung und globalem Flammenmeer. Der Gesang, getragen, fast beschwörend, trifft auf sanft geschichtete Gitarren, die wie ferne Kirchenglocken klingen. ´The First Language´ knüpft daran an, wieder ein Stück wie aus einer vergessenen Liturgie, und schleicht sich in den Kopf.
Dann das wunderschön betitelte ´She Burns In Devotion, Her Virtue Sweet Like Honey´ – nicht nur der poetischste Titel des Albums, sondern auch eine der klarsten Kompositionen. Jozef Van Wissem lässt seine Laute in den feinsten Verzierungen aufblühen, während Jim Jarmuschs Gitarre wie aus weiter Ferne antwortet. ´There Is No Answer´ ist dagegen der philosophische Mittelpunkt. Musikalisch verweilt alles in stiller Größe.
Dann kriecht das längste Stück ´To Those Who Mourn´, mit über acht Minuten, langsam und schwer durch feuchten Nebel. Hier bestechen dichte Gitarrenschichten, mehrspurige Lautenklänge und Hall ohne Ende. Zum Schluss nimmt ´Concerning The Law Of Angels´ nochmal alle Fäden auf, doch der Vorhang fällt nur langsam. Keine Erlösung, aber auch keine völlige Finsternis.
Man spürt, dass hier zwei Künstler mit großer Disziplin und gegenseitigem Respekt arbeiten. Der eine komponiert wie ein mittelalterlicher Mönch mit LSD-Visionen, der andere malt die Schatten dazu.
´The Day The Angels Cried´ ist auch keine Folkplatte im üblichen Sinn, eher eine klanggewordene Vision zwischen Liturgie, Drone und barocker Andacht. Und das Schönste daran ist, dass Jozef Van Wissem und Jim Jarmusch noch immer gemeinsam solche Platten machen. Das allein ist schon Grund zur Freude.
(8,5 Punkte)
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Photo Credits: Dustin Dis