
Manchmal gibt es Alben, die richtig unter die Haut gehen. Und dann ist da ´Strange Future´ von Klaus Michel, ein Album, ein Stück Musik, das direkt in deine Seele eindringen will. Es gibt Momente, da klingt es wie ein sanfter Sonnenuntergang in Kalifornien und dann wieder haut es einen um wie ein heftiges Gewitter auf der Veranda. Jede Komposition hat einen ganz eigenen Charakter.
Klaus Michel, ein Musiker, Fotograf, Gitarrenlehrer und Radsportfan aus dem Hunsrück, ist vielleicht kein ganz Unbekannter, aber immer noch ein Geheimtipp. Mit ´Strange Future´, seinem mittlerweile sechsten Soloalbum, hat er eine authentische Mischung aus ehrlichen Texten, einem Sound zwischen Americana, Alternative Rock und einer gewissen Singer-Songwriter-Intimität erschaffen. Die Band, die ihm dabei zur Seite steht, besteht aus Kay Zingler am Bass, Oliver Kölsch am Schlagzeug, Martin Huch an der Pedal Steel und Tim Greiner an allerlei Tasten.
Überwiegend komponiert im Oktober 2024, aufgenommen Ende 2024 sind die neuen Songs ein Sammelsurium an Emotionen und Gefühlen. Sie wirken wie ein Roadtrip durch Herz und Geist, der mit ´Dreaming Of Los Angeles´ startet. In einem verträumten, fast psychedelischen Klang flimmert die Gitarre fein und lebendig wie die Hitze über dem Highway. Doch die Idylle ist trügerisch, die Sehnsucht wird bald schmerzhaft spürbar.
Der Titeltrack ´Strange Future´ bringt eine düstere Ehrfurcht mit sich und könnte sogar kurz vom Highway in Richtung Joshua Tree abbiegen. Eine erdrückende Schwere hüllt sich dabei in schmerzhafter Melancholie, die sich über weite Gitarrenflächen erstreckt. Dann scheppert das Schlagzeug und die Gitarre wird laut und bissig, weil in ´Hello´ gut gezielte Pfeile einer unverblümten Gesellschaftskritik geworfen werden.
Die Pedal Steel-Gitarre stimmt hingegen zum Kontrast in ´Okay´ mit einer melancholischen und tröstenden Melodie beim Lauschen auf der Veranda an. Die reduzierte, aber kraftvolle Substanz des Liedes bezieht sich auf die Akzeptanz der Dinge, auf das Loslassen, und weckt gar Erinnerungen an späte WILCO. Die Trommeln aus ´Mother, Father, Forever´ führen im Anschluss an den Rand des Abgrunds. Der dunkle und beschwörende Charakter des Songs schaut auf die Wunden, die aus Schweigen entstehen. ´Hesitate´ wendet sich sogar traumatischen Erfahrungen mit Gewalt zu. Das Sitzen und Lauschen auf der Veranda wird bei diesem Song somit zu einem schmerzhaften Vergnügen.
Die keinesfalls sentimentale Liebeserklärung ´Down To Earth´ mit einem Hauch von KINGS OF LEON bringt jedoch wieder Licht ins Dunkel. Die Sehnsucht und echtes Empfinden bleiben indes ebenso in ´You´ erhalten. Eine atemraubende Meditation über Vergänglichkeit, Einsamkeit und Erinnerungen schließt sich mit ´Wherever You Were, Wherever You Are, Wherever You’ll Be´ an.
Mit dem wundervollen ´Bédoin´ wird der kleine französische Ort am Mont Ventoux zum Symbol für Verlust und Leid. Obwohl die Geschichte hinter dem Song schmerzt, bleibt das Lied voller Bewegung, als würde es den Schmerz vertreiben wollen. Nochmals mit Pedal Steel-Gitarre behandelt ´Without You´ das Gefühl der Leere und die fehlende Nähe in einem traurigen aber kraftvollen Höhepunkt. Den Abschluss bereitet ´Decisions´ mit einem wehmutsvollen Blick in die Vergangenheit – oder vielleicht gar in die Zukunft? Das bleibt unklar, genau wie die Zukunft selbst.
Klaus Michel schreibt Lieder, die Geschichten erzählen und die einfach berühren, die mit jedem Mal mehr zu erzählen haben und die einen mit ihrer musikalischen Tiefe dazu bringen, innezuhalten und nachzudenken.
(8,5 Punkte)
https://klaus-michel-music.com/
(VÖ: 14.06.2025)