
HARALD GROSSKOPF & ÜMIT HAN – Magnetfeld
2025 (MiG Music) - Stil: Electronic, Krautrock
Wenn zwischen zwei Generationen eine besondere Chemie herrscht, sollte eine Zusammenarbeit wirklich spannende Dinge produzieren. Das neue Album ´Magnetfeld´ von Harald Grosskopf, einer der ganz Großen der Berliner Schule und Pionier der elektronischen Musik, und Ümit Han, einem kreativen Klanggestalter aus Köln mit einer Vorliebe für Techno, ist so ein Beispiel. Hier treffen Erfahrung und Experimente aufeinander, sowie die analoge Wärme mit der digitalen Präzision. Daher sind sowohl die Wurzeln in der Vergangenheit als auch die Impulse der Zukunft jederzeit spürbar.
Schaut man sich die musikalischen Werdegänge von Harald und Ümit an, wird man kaum zwei ungleichere Lebenswege finden. Grosskopf, der 1949 das Licht der Welt erblickte, hat in den 1970er Jahren das Schlagzeug in der elektronischen Musik völlig neu erdacht. Er hat mit Bands wie WALLENSTEIN und ASH RA TEMPEL gearbeitet. Sein Soloalbum ´Synthesist´ aus dem Jahr 1980 gilt auch heute noch als Pflicht-Veranstaltung für Fans des sogenannten kosmischen Klangs.
Im Gegensatz dazu hat Ümit Han seinen musikalischen Weg nach der Rave-Kultur in Köln eingeschlagen. Er hat auf angesehenen Labels wie “Kompakt” und “Traum” Schallplatten veröffentlicht und mit Künstlern wie Max Cooper und Minilogue zusammengearbeitet. Ümit ist kein Freund davon, sich an Genregrenzen zu halten. In seinen Veröffentlichungen zeigt sich, dass er mit offenen Ohren und viel Kreativität an seine Stücke herangeht.
Das Album ´Magnetfeld´, das in den für seinen analogen Sound bekannten “On Tape Studios” entstanden ist, bringt diese beiden unterschiedlichen Ansätze zusammen. Hier wurden alle Tracks auf Band aufgenommen, was ein klares Bekenntnis zu den physikalischen Eigenschaften von Klang erwartet. Es geht nicht nur um die Musik, sondern auch um ein konzeptionelles Verständnis. Inspiriert von der Fusionsanlage “Wendelstein 7-X” in Greifswald versucht das Duo, mit ihren Klängen dem Traum von kontrollierter Energie näherzukommen. Das, was in der Wissenschaft als Plasma bekannt ist, wird hier genutzt, um Klangwelten zu erschaffen, die vibrieren, schweben und sich in verschiedene Richtungen bewegen.
Das erste Stück ´Plasmakraut´ verbindet die modulare Sequenzkunst der 70er Jahre mit den hypnotischen Klängen der modernen Clubkultur. Es fühlt sich an wie ein pulsierender Teppich, durchzogen von feinen Störfrequenzen. In ´Greifswald´, einem der längeren Stücke, gleiten glockenartige Synthesizer über modulierte Dronen, und die Percussion setzt erst später ein und erzeugt dadurch einen intensiven Effekt. Der Titeltrack ´Wendelstein 7-X´ ist von dichten Klängen erfüllt, dabei entsteht ein kontrolliertes Chaos aus magnetischen Loops, flimmernden Arpeggien und einem tief in den Körper gehenden Groove. Das verspielte ´Krautwarp´ erinnert an die aufregenderen Momente von ASHRA, mit unkonventionellen Rhythmuswechseln und zerrissenen Harmonieklängen. ´Zeitgeber´ hingegen ist eine klein strukturierte Meditation; ein Stück, das die Zeit nicht einfach misst, sondern auf seine ganz eigene Weise interpretiert.
Was ´Magnetfeld´ besonders macht, ist nicht unbedingt die Verschmelzung der Stile, sondern die respektvolle und neugierige Begegnung der beiden Künstler. Grosskopf bringt sein umfangreiches Wissen über Struktur, Geschichte und die Eigenschaften von Klang ein, während Han mit seiner Offenheit und Sensibilität die poetische Seite des Hörens in den Vordergrund stellt. Die Produktion mag hörbare Einflüsse von Werken wie ´E2-E4´ oder ´Body Love´ preisgeben, aber ´Magnetfeld´ bleibt eine eigenständige Schöpfung, insbesondere für Zuhörer, die Geduld haben und bereit sind, sich auf eine tiefere musikalische Erfahrung einzulassen. Hier treffen die Klänge der Berliner Schule auf die moderne Technoszene – und das nicht aus einer nostalgischen Perspektive, sondern mit einem offenen Blick auf die Gegenwart.
(7,5 Punkte)
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