
HELLWITCH – Annihilational Intercention
2023 (Listenable Records) - Stil: Technical Death/Thrash Metal
Alte Helden, hach. Die Antwort aus Florida auf Grindcore spielende VOIVOD hat 2023 tatsächlich 14 Jahre nach dem mir unbekannten Zweitwerk und 33 Jahre nach dem Debüt ihre dritte Platte rausgebracht. Hut ab. Wahrscheinlich brauchen sie so lange, um die abgefahrenen Läufe einzuüben.
Ganz so irrsinnig und schräg wie 1990, wie gesagt, das 2009er ´Omnipotent Convocation´-Album kenne ich nicht, sind sie nun nicht mehr. Sie haben den Irrsinn vielmehr geordnet und jagen ihn als verspielte Songs mit unheimlich vielen Wechseln, abartigen Riffs und noch abartigerer Geschwindigkeit, Gekeife der erhöht pulsierenden Art und technisch unglaublicher Präzision aus den Boxen. Dabei bleiben sie stets lässig, stets cool, nachvollziehbar mit lebendigem Fluss in den Stücken und einer hymnischen Komponente. Viele Brutalobands würgen und schroten nur noch. HELLWITCH machen geile Songs für die Ewigkeit.
Der drittletzte Song ´Antropophagi´, eine Uraltnummer, ist da mein Highlight. Erst jagen sie ein hochmelodisches Speedriff durch wie die besten alten Melodic Deathmetal Kapellen, dann wird es balladesk, im Gesangsteil aber mit der abartigen Stimme. Dann auf einmal kommt der VOIVOD Grindcore alter Zeiten wieder mit schrägsten Soli und Blastbeats, über verschiedene Breaks geht es in Progmetalgefilde, aber diese wilde Reise macht Sinn und man bleibt als Hörer stets drin. Klassischer Thrashmetal in furiosem Tempo kommt in diesem Song dann auch noch vor. Und am Ende landet man wieder beim melodischen Deathmetal. Schuldiners Chuck wäre stolz auf manche Passage hier.
34 Jahre nach der Entdeckung des Deathmetal und Brutalothrash und des Grindcore durch mich für allein meine Welt, dachte ich, da ginge nichts mehr. Abgeklärt, nicht mehr zu überwältigen, das übliche Thema des Alterns. Aber ich hab mich geirrt. Dieses Album ist in seiner kontrollierten Wildheit ein intensives Massaker für die Ohren und die Seele. Und bolzt locker alle ollen 1990/1991 erschienenen Progdeathalben von ATROCITY oder ATHEIST und vielleicht sogar den eigenen Erzeugern von der Spitzenposition.
Mein Wohnzimmer sieht inzwischen aus, die Katzen drehen zusammen mit mir frei, ob dieser mitreißenden Riffs und Melodien, der verwinkelten Songs und der intensiven Kraft. Ich könnte mich vor wilder Lust durch das Wohnzimmerfenster werfen. Aber ich wohne im ersten Stock und lass das mal sein.
Im Ernst, wer 33 Jahre nach dem Debüt eine so natürlich klingende und leidenschaftlich gespielte Platte macht, die noch erfrischend und einprägsam klingt, hat bei mir sofort gewonnen. Da sind Männer über 50 sofort wieder 18.
Klassiker!!!
(10 Punkte)