PlattenkritikenPressfrisch

IANAI – Sunir

~ 2022 (Svart Records) – Stil: Pop-Neofolk ~


(Achtung, mal wieder ein Rant…!)

Wer auch immer für die Pressetexte zu IANAI verantwortlich ist, er/sie/es gehört gefeuert oder zumindest ordentlich zusammengestaucht (“er“, denn keine Frau würde einen Satz wie There were giants in the earth in those days; and also after that, when the sons of God came in unto the daughters of men, and they bore children to them, the same became mighty men which were of old, men of renown.“ formulieren, der Vergewaltigung mythisch verklärt). Doch ich vermute, die mysteriöse Entität hinter diesem Projekt namens Trevenial könnte selbst dafür verantwortlich sein, denn sämtliche Promo trieft nur so von zuckersüßem Esoterikkitsch ohne echten spirituellen Background, und vor allem einem übersteigerten Selbstbewusstsein bezüglich der Qualität dieses neuen Projektes. Aber vielleicht ärgere ich mich auch nur über diese maßlose Selbstbeweihräucherung, was schade ist, denn mich hatte vor allem gereizt, dass IANAI als internationales Kooperationsprojekt angepriesen wird, das Weltmusik aus allen möglichen Ecken des Globus verbinden soll; dazu noch mit der Unterstützung großer Bands wie unter anderen MASSIVE ATTACK, SISTERS OF MERCY, HIM, THEODOR BASTARD, LORD OF THE LOST oder SWALLOW THE SUN, man erfährt jedoch keine Details über die tatsächlich beteiligten Musiker. An Geld kann es auch nicht mangeln, der Aufwand für Videos, Webauftritt und Promo ist professionell groß, und all das erweckt natürlich riesige Erwartungen. Die, wie ihr euch bereits denken könnt, zumindest für mich keineswegs erfüllt werden.

Woran liegt das? Okay, mit Weltmusik haben nur wenige der beteiligten Bands tatsächlich zu tun, aber das muss ja kein Problem sein, wenn die Köpfe des Projekts darin firm sind. Leider lassen IANAIs Aussagen ein anderes Bild aufkommen, wenn die namenlose Entität (die sich ohne große Recherche als Jaani Peuhu, ehemals SWALLOW THE SUN, zusammen mit Nicole Thomas von CLIENT sowie Cvetan Hadzhiyski von SMALLMAN benennen lässt) sagt, dass er sich „nie für diese Art von Musik interessiert hatte, aber ich fand mich einfach in dieser neuen Welt wieder“. Das klingt doch ganz anders als: „Ich erschaffe diese Lieder in einem ganz besonderen, spirituellen und tranceartigen Zustand. Wenn ich komponiere oder singe, bin ich der Trevenial, und ich kanalisiere die Musik sozusagen aus und in diese besondere Welt, und ich muss so tief wie möglich eintauchen und wirklich daran glauben, damit sie natürlich und authentisch herauskommt“. Oha. Und dann käme etwas dabei heraus, das „ein Hybrid aus SIGUR RÓS und DEAD CAN DANCE“ sei.

Um damit endlich zur Musik zu kommen, Authentizität lässt sich ihr nicht absprechen, diese wird jedoch leider zu oft von bombastischen und zuckrigen (Streicher-)Arrangements so überdeckt, dass sie nicht wirklich zum Hörer durchdringt. ´Sunir´ lässt sich trotz seiner Länge von über 70 Minuten problemlos am Stück hören, wobei keine Garantie gegeben werden kann, nicht dabei einzuschlafen, denn gerade der Einsatz sehr vieler unterschiedlicher folkloristischer Instrumente und Musikstile macht die Sache eigentlich interessant und auch abwechslungsreich, doch der zumindest für meinen Geschmack überhöhte Popanteil ist ermüdend, zumal er stilistisch kaum variiert wird, und geht über eine meditative Wirkung, die ich der Platte keineswegs absprechen möchte, hinaus, zumal bei dieser Lauflänge.

SIGUR RÓS sind ganz sicher ein Hintergrund und Basis für die Kompositionen, und deren Fans könnten auch Gefallen daran finden, sofern sie keine Anhänger der reinen Lehre sind, DEAD CAN DANCE spielen jedoch in einer komplett anderen Liga. Die unterschiedlichen beteiligten Stimmen könnten die Sache eigentlich herausreißen, ihnen wird jedoch viel zu wenig Raum für individuelle Performance gegeben. Auch für diejenigen, die sich für Percussion und Rhythmik aller möglicher Kulturen interessieren gibt es hier immer mal wieder etwas zu entdecken, was jedoch regelmäßig wieder in einem nebligen und eintönigen Elektronikgewaber erstickt wird. Wirklich schade bei den Möglichkeiten, die sich hier geboten haben, dass nicht viel mehr daraus gemacht wurde. So bleibt als Fazit leider nur: Neofolk light für die Yogakurs-Entspannungsphase. Oder die Wellness-Hotellobby. Schade…

(ohne Punktwertung)

 

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