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SCHÄFER – Mosaik 127

~ 2021 (Acoustic Motion Concepts) – Stil: Experimental/Ambient ~


Es gibt zwei Möglichkeiten, es müssen gar nicht 127 sein.

Entweder fährst Du mit Bus und Bahn, im Zweifel möglicherweise besser mit dem eigenen Diesel-Pkw nach 50937 Köln in die Berrenrather Str. 127 und betrachtest die dort angesiedelte Kirche von innen. Sie kommt einer begehbaren Skulptur gleich. Ein riesiger Betonbau mit Betonwänden und Buntglasfenstern bietet dabei gleichwohl eine imponierende Akustik.

Die andere Möglichkeit ist hingegen einfacher. Du kaufst die CD des Kölner Musikers Lukas Schäfer, der eben die Kirche Johannes XXIII. als Ausgangspunkt all seiner musikalischen Überlegungen und Arbeiten für sein Soloprojekt auserwählt hat.

Bereits mit SONO KOLLEKTIV widmete sich Lukas Schäfer den Klängen von Raum und Ort, zwischen Experiment und Ambient. Bei seinem Solo-Schaffen SCHÄFER greift er die Tiefen der Räumlichkeiten in der Berrenrather Str. 127 auf. Denn an diesem Ort ließ er erstmals seine Sound-Modulationen in voller Akustik erklingen. Jetzt liegt sein experimentelles und ambienthaftes Solo-Werk ´Mosaik 127´ vor.

 

 

Mit Synthesizern und Sound-Effekten moduliert Lukas Schäfer ´Mosaik 127´. Anstatt Shoegaze-hafte Akkorde aus elektrischen Saiten erschallen zu lassen, brechen diese massiven Akkordfolgen in ´Valentine´ synthetisiert heraus. Einzelne Töne flammen anschließend im fünfminütigen ´Bolzano´ in regelmäßiger Abfolge und in aller Ruhe auf, dringen aus dem Tal in die Höhe der Berge, sinnbildlich aus der Stadt Bozen in die Berge zu einer Residenz der Katholischen Hochschulgemeinde Köln. Mosaik für Mosaik erkunden wir die Gedanken und deren Klangausprägungen.

Ein Arpeggio umhüllt im keineswegs lautlosen ´Still´ die Landschaft und trägt sie zur Spitze. Pulsierende Rhythmus-Schläge bereiten hurtig ein helles Flackern vor. Selbst ´Bielefeld´ existiert in den Reihen der Mosaike. Dumpfe Synthesizer-Klänge bewegen sich entgegen der Verschwörung in der Hitze eines Jahrhundertsommers über die Straßen und die Plätze der Stadt. Dagegen schleicht ´Somerset´ an einem völlig verregneten Dienstag durch die englische Grafschaft, ehe die Melodie, entsetzt Rosamunde Pilcher gesehen zu haben, hochschreckt. Das längste und siebenminütige ´1 für N.F.´ findet nun den Raum, mit Vintage-Synthesizern die hohen Wände abzutasten, wie Nils Frahm Ambient mit Klassik und Filmmusik zu verbinden, um am Ende die völlige Erhabenheit zu vermitteln – oder geringstenfalls 127 Mosaike.

(7 Punkte)

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Pic: Karl F. Degenhardt