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SPHINX – Here We Are

~ 1981/2021 (Golden Core/ZYX) – Stil: Prog Rock/Proto-Progmetal ~


Mille Grazie, SPHINX, „Golden Core“ und Neudi! Ich konnte 1981 noch nicht ahnen, welchen Stellenwert Bands der 70er und 80er wie STYX, KANSAS, TOTO, ELOY oder URIAH HEEP in meinem späteren Leben einnehmen würden und konnte mir die Verzückung und Vorzüge einer ganzen LP nur eines einzigen Künstlers noch nicht vorstellen, da ich gerade auf musikalischer Entdeckungsreise mit den Charts vom Südwestfunk, dem Saarländischen Rundfunk und unserem Ami-Sender AFN war.

Daher ist die Freude 40 Jahre später umso größer, wenn ich endlich herausfinde, dass SPHINX die Trademarks all‘ dieser Einflüsse auf nur einem Album vereint hatten. Späte Pflichtlektüre für Lessmeister sozusagen. Schon direkt zu Beginn trifft die Power der legendären AXE (ja, genau – die von Bobby Barth) auf unsere LUCIFERS FRIEND und KANSAS, dazu scheint Jon Lord die Orgel zu bedienen. Ohne Umschweife, aber schon jetzt ganz anders treffen sich CHICAGO mit TOTO, um der lieblichen ´Jane´ einen beschwingten Ohrwurm zu liefern. Das Bindeglied beider Nummern bleiben OPUS, deren leicht progressive Instrumentalparts im gleichen Entstehungsjahr sich auch im weiteren Verlauf der Scheibe finden lassen.

Und wieder schalten SPHINX einen anderen Gang rein. ´Superstar´ geht nicht nur wegen den Leadvocals, Chören, Keyboards und Rock-Riff als eine astreine STYX-Hymne durch. Nun begeben sich die italienischen Gastarbeitersöhne aus dem Raum Stuttgart um den grandiosen Sänger Rolando Scarponi und ihren Gitarristen Thomas Metzger (euch vielleicht etwas geläufiger als Tommy Newton – heute Produzent und in der Vergangenheit auch aktiv bei VICTORY) in die Regionen ihrer Muttersprache und zücken ein wenig leichtes, Italo-Flair mit ´I Quell Angolo´ aus dem Hut. Zu einer entspannenden, ELOY-artigen Basslinie mit den passenden Sphären-Keyboardteppichen etablieren sich URIAH-HEEP Chöre, dann droht der Song zunächst die als italienisch gesungene, etwas mit Belcanto „über-zucchero-te“ Kuschelnummer des Albums zu bleiben, aber da musste ich mir in meinem Leben schon ganz andere Passagen schönhören. Denn im weiteren Verlauf explodiert das Stück in Progrock mit klassischen Keyboardzitaten. Nicht nur diese Nummer steht exemplarisch für die überlebensgroße Kreativität der Band.

 

 

Dieser unbändige ´Spirit Of Life´ wird instrumental im Sinne von ELOY zu ´Planets´ und ´Time To Turn´-Zeiten weitergetragen, es erwacht anfangs gar deren Stimmung von ´Silent Cries And Mighty Echoes´ und wächst zu einem getragenen Hardrock-Epos heran – inklusive gigantischem Tommy Shaw-Scream wie einst bei ´Man In The Wilderness´. Halt‘ mich einer fest! Meisterwerk! Und es kommt noch besser: APHRODITE‘S CHILD (genau die mit VANGELIS), IRON MAIDEN und diverse True-und Dunkelmetaller bleiben danach nicht die einzigen, die sich der legendären Nummer ´666´ widmen. Ein progrockiges, fantastisch spannend aufgebautes Werk gehört ab sofort in meine Playlist für Nerds und solche, die es werden wollen.

Eine düstere, heavy Stimmung, filigranes Schlagzeugspiel mit Breaks und rollenden Toms bereiten die Ankunft des Einen vor, dazu selbstverständlich ein treibender Proto-Metal-Rhythmus, der den erzählenden Gesang vorantreibt bis zum Höhepunkt im unvermeidlichen Geständnis: „I am Lucifers Friend“. Das gesamte Lied hätte erneut auch der gleichnamigen, bereits Eingangs erwähnten Kultcombo in ihrer anfangs experimentelleren Phase gut zu Gesicht gestanden. Auch die Bluesgitarre darf ihr Leid klagen, wenn wir die ´Galley´ herunterschreiten, die sphärisch mäandernd beinahe zur KING CRIMSON’schen Epik eines ´The Court Of The Crimson King´ führt und damit sentimentale Erinnerungen an den großen Greg Lake (R.I.P.) heraufbeschwört. Fast schon Musical-mäßige Ausmaße werden hier erreicht, nicht zuletzt durch Ziehen aller Register bis zum Piano-Abschluss. Magnifico!

Neudis Remastering der seltenen Audiophon CD von 1990 bringt diese Musik genau so durch die Speakers in euer Wohnzimmer, wie es die direkten Produktionen aus der guten, alten Zeit beabsichtigt haben.

Was für eine wunderbare, audio-archäologische Ausgrabung, die zu Einhundertprozent meinem musikalischen Gusto entspricht, niemals in Vergessenheit hätte geraten dürfen und sich somit in meiner Endjahresabrechnung der wichtigsten Reissues 2021 wiederfinden wird.

 

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