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ACID MAMMOTH – Caravan

~ 2021 (Heavy Psych Sounds Records) – Stil: Stoner Doom ~


Als ich vor kurzem über das Werk eines anderen Mammuts berichtete (siehe hier), habe ich dort auch ACID MAMMOTH erwähnt, deren Ankündigung ihres neuesten Werkes ich nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Reviews gewahr wurde. Interessanterweise entspricht die Vertonung der dort genannten und sich beim Anblick dieser Dickhäuter aufdrängenden Assoziationen, nämlich langsames und behäbiges marschieren, tiefes donnerndes Grollen und bedrohlich majestätische Imposanz, genau dem, was ACID MAMMOTH musikalisch zelebrieren. Was die vier Griechen der Hörerschaft bieten ist nämlich Stoner Doom in Reinkultur, wobei der Doom-Anteil klar dominiert. Der helle und klare, etwas nasal und dadurch vor allem an Ozzy erinnernde Gesang sowie die zumeist stark verzerrten und fuzzy tönenden Gitarren, grenzen ihre Musik auf der einen Seite klar zum Funeral Doom einer Band wie AHAB ab. Auf der anderen Seite erfolgt durch die bei ACID MAMMOTH im Zentrum des Songaufbaus stehenden und das musikalische Gesamtkonstrukt prägenden Melodiebögen eine ebenfalls deutliche Abgrenzung zum Drone-Doom von beispielsweise EARTH oder SUNN O))). ACID MAMMOTH lässt beide Spielarten des Doom weit entfernt links und rechts am Wegesrand liegen und marschiert auf einem Belag, der aus dem Konzentrat der Riffs und Melodien von Bands wie logischerweise BLACK SABBATH, aber auch THIN LIZZY und UFO destilliert worden ist und folgen dem daraus geebneten Weg, wenn auch mit gebührendem Abstand, parallel zu anderen Bands aus diesem Genre, wie beispielsweise ELECTRIC WIZARD, SLEEP und UFOMAMMUT, die allerdings ihrerseits um einiges psychedelischer unterwegs sind.

Was hier bei ´Caravan´ aus den Boxen dröhnt, ist die konsequente Vertonung des Covermotivs, auf dem besagte Karawane von Mammuts wie Perlen an einer Schnur marschieren. Aber wohin? Vermutlich ins Ungewisse, möglicherweise in die düstere Verdammnis, sprich Ausrottung. Das zumindest vermitteln die trostlosen braunen und grauen Farbtöne, in denen das Cover gehalten ist. Sie sind die letzten ihrer Art und stapfen, voller düsterer Vorahnungen eines sie erwartenden Schicksals, ergeben einem fernen unbekannten Ziel entgegen. Ihre Zeit auf diesem Planeten neigt sich dem Ende und die Zeit vergeht immer langsamer, gerade so, als würden sie sich auf den Ereignishorizont eines Schwarzen Loches zubewegen, an dem dann jegliche Zeit zum Stillstand kommt und von wo jenseits dieses Punktes nichts mehr in unsere Realität gelangt. Da ´Caravan´ mitten im Corona-Lockdown entstanden ist, liegt die Vermutung nahe, dass das Songwriting genau von diesen düsteren Gefühlen begleitet wurde und tatsächlich beschreibt die Band ihre Gefühle dabei wie folgt „…it greatly reflects our mood during these dark times. It is a heavy, sublime and pitch black journey into the vast unknown.“ Allerdings ist die Musik und der Gesang von Chris Babalis Jr. dann doch nicht so langsam, dass man als Besucher eines Konzerts von ACID MAMMOTH versucht wäre, einen Notfallkoffer mitzunehmen, und zwar für den Fall, dass dem Sänger beim Versuch die Worte so langsam wie nur irgend möglich durch den Kehlkopf zu pressen, das Herz stehen bleibt.

Die aus Athen stammenden ACID MAMMOTH wurden 2015 zunächst als Duo von Sänger und Gitarrist Chris Babalis Jr. und Basser Dimosthenis Varikos in Athen gegründet, verstärkten sich aber bereits ein Jahr später, also noch vor dem Erscheinen ihrer ersten Single ´Black Rites´ im Jahr 2017, mit Schlagzeuger Marios Louvaris und Chris Babalis Sr. an einer weiteren Gitarre. Die Namenszusätze Jr. und Sr. deuten bereits an, dass es sich hierbei um Vater und Sohn handelt und die Patches von BLACK SABBATH, MOTÖRHEAD, AEROSMITH und KISS auf der Kutte des Seniors machen unmissverständlich klar, dass weder Disco noch Synthie-Pop durch die heimischen Wände der Babalis geklungen haben dürften. Ich vermute, dass es gerade diese Einflüsse sind, die beide Gitarren mit Melodien versehen und dadurch einen klaren Kontrapunkt zum harten treibenden Rhythmus von Bass und Schlagzeug setzen. Ein Charakteristikum, das sie in meinen Ohren wohltuend vom größten Teil der Bands in diesem Genre abgrenzt. Dabei agiert aber die Rhythmussektion alles andere als stupide und weiß auch ihrerseits Akzente in der Musik von ACID MAMMOTH zu setzen.

Im gleichen Jahr 2017 erschien dann auch bereits ihr selbstbetiteltes Debüt und im letzten Jahr dessen Nachfolger ´Under Acid Hoof´. Nach einer Split-Veröffentlichung mit den Sarden 1782 erscheint nun also mit ´Caravan´ bereits ihr dritter Longplayer. Zieht man vom Debüt ihre dort enthaltene Single ab, so bleiben sie ihrer Tradition treu und bringen wieder fünf Songs in kompakten und LP-konformen 40 Minuten unter. Auch musikalisch bleiben sie sich treu und marschieren weiterhin unbeirrt den von Beginn an eingeschlagenen Weg weiter.

 

 

Bereits der Opener macht seinem Titel alle Ehre, war doch der Berserker, zumindest laut mittelalterlichen skandinavischen Quellen, ein im Rausch kämpfender Mensch, der keine Schmerzen oder Wunden mehr wahrnimmt. Ob den Mammuts ein paar Tropfen LSD in das Frühstücksgras gemischt worden ist, wie der Bandname nahelegt? Der Song startet zwar bedrohlich düster, jedoch bilden der Gesang und die helle, klare Gitarre auf dem dunklen repetitiven Riff in diesem insgesamt doch recht flotten Stück einen interessanten Kontrast.

Traurig melancholisch, als wäre es der letzte Gang von Totgeweihten und eine Spur langsamer als bei ´Berserker´, zieht die Karawane bei ´Psychedelic Wasteland´ durch die bewusstseinsverändernde Einöde. Dieses Stück zelebriert die Langsamkeit, gebietet einem aber auch zugleich, nicht stehen zu bleiben und trotz aller körperlicher und geistigen Pein immer weiter zu marschieren. Lediglich das gefühlvoll gespielte Gitarrensolo gibt einem Hoffnung auf ein versöhnliches Ende. Wenn aber die Elfenbeintürme das ersehnte Ziel waren, dann besteht die Belohnung für vergangene Pein nicht aus dem erhofften Glücksgefühl, denn an der Grundstimmung hat sich nichts geändert. Die ´Ivory Towers´ können also nur ein Zwischenstopp gewesen sein. So zieht die Karawane weiter…und es kommt noch dicker. Die Karawane der Dickhäuter versinkt beim Titelstück förmlich im Morast und schleppt sich mit letzter Kraft, aber immer noch majestätisch anmutig und stolz, weiter! Im abschließenden Akt nimmt uns schwarzer Staub die Sicht und verhindert den Blick auf den Horizont, wo die Erlösung, einerlei welcher Art, schlussendlich auf die Karawane warten wird. Eine Errettung erfolgt also auch am Ende von ´Black Dust´ nicht. Die Reise geht weiter und wir werden weiterhin von den Qualen dieser Mammuts hören. Da bin ich mir ganz sicher!

ACID MAMMOTH erfinden das Genre nicht neu, was sie sicherlich auch nicht beabsichtigen. Für jemanden wie mich aber, der Doom ohne guturalen Gesang und mit Melodie bevorzugt und der üblicherweise mit Vorliebe in episch geprägten Gewässern fischt, bietet ´Caravan´ genug Ansatzpunkte, um diese Arbeit zu genießen, wobei der Genuss von Durchlauf zu Durchlauf wächst. Dennoch würde ich mir für die Zukunft etwas mehr Experimentierfreude und Abwechslung wünschen, denn die Songstrukturen ähneln sich doch von Song zu Song sehr und die Tatsache, dass sich kein Song in wesentlicher Weise aus dem Gefüge des Albums hervorhebt, führt dann doch über kurz oder lang zu Ermüdungserscheinungen. Dennoch möchte ich jedem, der mit Stoner Doom etwas anfangen kann, diese Scheibe ans Herz legen, denn innerhalb dieses doch sehr innovationsresistenten und in seinen Mitteln arg beschränkten Genres, tun sich ACID MAMMOTH insgesamt wohltuend hervor. Deshalb auch

(8 Punkte)

 

Das Cover-Artwork stammt mal wieder aus dem in Barcelona ansässigen Grafik Design Studio „Branca Studios“ die bereits für eine mittlerweile unüberschaubare Menge an Bands tätig gewesen ist. Auch nur einige davon hier aufzuzählen, würde zu weit führen. Interessanterweise weist, wenngleich der Künstler ein ganz anderer ist, das Cover-Artwork von ´Caravan´ einige Parallelen zu dem Artwork des Re-Release von SLEEPs  ‚Dopesmoker‘ auf. Ja, ich weiß… auf letzterem sind von Humanoiden begleitete trampeltierartige Wesen auf einem (vermutlich) fernen Planeten an Stelle von Mammuts auf der Erde zu sehen, aber mich hat es daran erinnert…

´Caravan´ erscheint am 5. März über das renommierte römische Label „Heavy Psych Sounds“ in digitaler Form sowie auf CD und LP. Letzteres natürlich auf schwarzem Vinyl, aber auch in vielen weiteren bunten Farben. Also auch die Sammler werden ausreichend bedient. Apropos Sammler…´Heavy Psych Sounds´ werden am 12. März ebenfalls das noch niemals physisch veröffentlichte Debüt und ein Re-Release des letzten Albums auf Vinyl herauszubringen. Also am Ball bleiben!

 

ACID MAMMOTH sind:
Chris Babalis Jr. – Gesang und Gitarre
Chris Babalis Sr. – Gitarre
Dimosthenis Varikos – Bass
Marios Louvaris – Schlagzeug

www.facebook.com/acidmammoth
www.acidmammoth.bandcamp.com
www.heavypsychsounds.com


(VÖ: 05.03.2021)