Redebedarf

MEKONG DELTA

~ Interview mit Ralf Hubert ~


Sechs Jahre nach ´In A Mirror Darkly´ fanden MEKONG DELTA wieder aus dem Tal der Stille heraus, um uns in diesen Zeiten mit einem neuen Meisterwerk namens ´Tales Of A Future Past´ (Reviews siehe hier) zu beglücken. Ob Vergangenheit oder Gegenwart, Mastermind Ralf Hubert nahm sich für Streetclip ausgiebig Zeit.

Hallo Ralf, Glückwunsch zu diesem großartigen Comeback. So darf man es doch vielleicht nach sechs Jahren Studioabstinenz bereits bezeichnen, oder?

Danke dafür, aber wieso Comeback? Bloß weil ich nicht im Jahresturnus eine sich permanent selbst repetierende gequirlte Scheisse veröffentliche, die vor tonaler und rhythmischer Einfältigkeit nur so strotzt und letztlich nur um der eigenen Präsenz willen erzeugt wird? Wenn du was Gutes machen möchtest, brauchst du Zeit, ist es auch noch komplex, brauchst du viel Zeit. Es gibt da einen schönen Satz zur Politik “Es wird viel geredet, aber wenig gesagt“, kann man auch sehr gut auf die Musik anwenden. Mekong meldet sich halt nur, wenn wir meinen, dass es etwas zu sagen gibt.

Wie lange hast Du zur Ausarbeitung der Kompositionen gebraucht und wieviel Zeit hat nochmals die Zusammenarbeit mit der Band gekostet?

Das war schon relativ lang, alles in allem ungefähr vier Jahre. Da alle Titel bei Mekong komplett von mir geschrieben werden, bevor die Mitmusiker die Songs erhalten, ist das eigentlich fast immer gleich. Es beginnt erst einmal mit dem Erstellen der Kompositionen, was mit ca. einem Jahr zu Buche schlägt. Eine Albumidee entsteht meist dann, wenn ich kurzfristig mehrere Riffs habe, die tonal zusammenpassen. Das heißt nicht, dass die Elemente unbedingt einen Song bilden, sondern lediglich, dass sie miteinander korrespondieren. Gefällt mir das auch nach 2 – 4 Wochen noch, fange ich an, die vorhandenen Themen weiter auszubauen. Sollte das dabei entstehende Gerüst mir auch nach längerer Zeit noch gefallen, beginne ich mit dem richtigen Ausarbeiten. Auch das dauert meistens ein Jahr. Erst wenn das erledigt ist, erhalten die Mitmusiker die Titel und der letzte Schritt beginnt. Alex experimentiert mit verschiedenen Drum-Arrangements, Martin arbeitet an seinen Vocal lines und Peter checkt, ob die Guitar Riffs überhaupt so umsetzbar sind, wie ich die notiert habe. Von meiner Seite aus geht es an die Fertigstellung der Orchester Arrangements, die dieses Mal extrem viel Zeit in Anspruch nahmen. Wenn das alles abgeschlossen und jeder sich fit für das Material fühlt, wird eingespielt.

Die Bandbesetzung ist ja auch fast stabil geblieben. Nur an der Gitarre kam es zu einem Wechsel seit dem letzten Studiobesuch …

Erik konnte sich aus Zeitgründen nicht intensiv mit den Riffs beschäftigen, also habe ich Peter Lake gefragt. Und als er mir dann die ersten Test-Tracks mailte, wurde mir sofort klar, dass diese Riffs für seine Art des Gitarrenspiels geschrieben waren, klang einfach klasse. Allerdings ist das mit dem Line-Up schon ziemlich merkwürdig, mittlerweile glaube ich fast, dass sich jedes Mekong-Album die zu den Songs der Scheibe passenden Musiker selber sucht. Klar, klingt ziemlich Gaga, ich weiß. Aber bei den letzten drei Alben gab es, speziell bei der Gitarre, von mir nicht wirklich bewusst herbeigeführte Veränderungen, die sich dann für das Album positiv auswirkten. Den gleichen Effekt kann man auch jetzt bei ´Tales …´ wieder beobachten.

Steht Ihr eigentlich auch in weniger aktiven Zeiten im engen Kontakt oder nimmst Du erst wieder Verbindung auf, wenn Du neues Material hast?

In nicht Produktionszeiten stehen wir eher locker in Verbindung, ab und zu mal ein Telefonat oder eine Mail. Treffen sind auch nur schwer zu planen, da Alex in normalen Zeiten dauernd in der ganzen Welt unterwegs ist und Peter in Schweden lebt.

 

 

Stehen bei Dir die Songs bereits vor dem Gang ins Studio von A bis Z fest, oder tüftelt Ihr noch bei den Aufnahmen daran herum?

Wir gehen immer erst dann ans Aufnehmen, wenn wirklich alles geklärt und keine Frage mehr offen ist. Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass jeder in seiner eigenen Location aufnimmt und meist auch voll damit ausgelastet ist, die teilweise doch nicht unbedingt ganz einfachen Themen aufs Tape bzw. auf die Harddisk zu bringen.

Was war eher fix und fertig eingetütet, das Cover oder die Kompositionen?

In diesem Fall das Cover, da wir ja ein bereits fertiges genommen hatten.

Sollte es diesmal unbedingt ein Coverartwork zum Thema H. P. Lovecraft sein?

Nein, das war überhaupt nicht geplant. Auf das Bild zu Lovecrafts “Berge des Wahnsinns“ von David Demaret bin eher ich zufällig gestoßen. Entdeckt habe ich das bei der Suche nach einer speziellen, illustrierten Ausgabe der Story im Netz. Hatte mich direkt fasziniert, da ich sofort an die Grundidee des Albums denken musste. Als ich das dann meinen Mitmusikern mit einigen anderen Entwürfen zur Auswahl schickte, waren wir uns innerhalb eines Tages einig, dass wir es nehmen wollten.

Also besteht zwischen dem Coverartwork und den Songs ein konzeptioneller Zusammenhang?!

Aber natürlich, dass Bild trifft die Grundidee des Albums nach unserer Meinung eigentlich sehr gut: Forscher finden Reste einer unbekannten (vergangenen) Zivilisation, entdecken dort Aufzeichnungen (Texte) einer Person (unseres Geigers), welche die Probleme schildern, die zum Untergang dieser führten und die den aktuellen bei uns (zu dem Zeitpunkt als die Texte geschrieben wurden, war CoVid-19 noch nicht akut) ziemlich nahe kommen.

Kannst Du uns das konzeptionelle Thema aller Songs erläutern?

Im Prinzip geht es um zerfasernde Gesellschaften, den Versuch Deutungshoheit zu erlangen, Overtone Window, Wording, Framing – kurz, alle jene Phänomene die in der Gesellschaft aktuell sind und diese langsam, aber stetig, bersten lassen. Jetzt alle Texte hier einzeln auseinanderzunehmen, würde zu weit gehen.

Wie groß würdest Du Deine Liebe zu Lovecrafts Werk bezeichnen?

Ja, der gute alte H.P., der Weltmeister der Kognitiven Dissonanz. In dem Zusammenhang von Liebe zu sprechen, ist eher etwas abwegig. Denke mal, dass Faszination es eher trifft – und die ist, was mich betrifft, ungeheuer groß. Lovecraft gehört für mich zu den wenigen, die es durch nicht explizites beschreiben des Grauens, schaffen, genau dies in Bildern in meinem Kopf entstehen zu lassen. Mehr als einmal habe ich beim Lesen der Geschichten eine richtige Gänsehaut bekommen. Das schaffen die meisten Horrorfilme, trotz massivem Bluteinsatz, nicht. Zu vorhersehbar. Jede Story von Lovecraft steht für mich da weit drüber, nimm mal als Beispiel “Die Farbe aus dem All“.

Da gab es ja auch die Kurzgeschichte von Howard Phillips Lovecraft namens „Die Musik des Erich Zann“, erstveröffentlicht im März 1922, dessen Titel wiederum jeder Deiner Anhänger kennt …

Der “Erich Zann“ auch noch, er, der grandios dabei scheitert, dass Böse mit Hilfe seiner Musik von der Welt fernzuhalten. Die Idee, “E. Zann“ umzusetzen ,ist mir damals spontan gekommen, da in der Geschichte extrem viele Metaphern sind, die man durchaus auf die damals aktuelle Zeit projizieren konnte. Peavy und ich setzten uns auf ein paar Bier zusammen und besprachen, wie man das wohl textlich mit zeitgemäßen Themen realisieren könnte. Nachdem feststand, welche Passagen aus der Story wir übernehmen würden, begann Peavy mit den Texten und hat das dann auch sehr gut hinbekommen. Währenddessen vertrieb ich mir die Zeit mit der musikalischen Umsetzung der Geschichte 😉

Spätestens ab diesem Zeitpunkt, sprich 1988, begann die Erfolgsgeschichte von MEKONG DELTA …

Wat soll isch sagen ….

Wobei Erfolg relativ ist. Bereust Du irgendeine Entscheidung, die Euch, anders entschieden, vielleicht zu einem größeren Bekanntheitsgrad hätte verhelfen können?

Naja, ´Dances …´ und ´Zann´ haben, wenn man die ganzen (legalen) Downloads dazurechnet, die 100.000 verkauften mittlerweile deutlich überschritten, einige andere sind Aspiranten für die Zahl. Das ist schon recht ordentlich und spricht schon für einen recht großen Bekanntheitsgrad. Denke auch, dass die Entscheidungen meinerseits alle richtig waren, da man mir so nicht in die Musik reinreden konnte. Alles andere wäre mehr “should have, would have, could have“.

Ahh, doch, eines aus dieser Kategorie würde mich schon interessieren. Nach der ´Zann´ hatten wir ein für die damalige Zeit recht gutes Angebot von einem Major. Da die Entscheidungen zu der Zeit noch von allen Beteiligten getroffen wurden, ist es nach langer Diskussion abgelehnt worden. Ob ein Major so ein Thema hätte händeln können? Glaub ich zwar nicht, wäre aber allemal interessant zu wissen.

Welche anderen Gruppen oder Künstler bewunderst Du allein, weil sie ebenso konsequent ihr eigenes Ding durchgezogen haben?

Mit der Bewunderung ist das so eine Sache, da ich es nicht so mit Vorbildern hab – und die wären dann auch eher im wissenschaftlichen Bereich zu verorten, z.B. Heisenberg oder Schrödinger etc… Höchsten Respekt habe ich z.B. auch vor der Leistung von Musk, speziell vor dem, was er mit Space X für die Raumfahrt geleistet hat.

Und welche aus musikalischen Gesichtspunkten?

Da gibt es schon einige, da ich aber jetzt nicht das Warum abhandeln will, mach ich es mir mal ganz einfach und zähle nur Sparte und Namen auf:

die Expressionisten: Prokoview, Schostakovich, Mussorgski – streng gesehen kein Expressionist, obwohl … 😉

12 Töner: Schönberg, Webern, Berg

ältere zeitgenössische Musik: Ligeti, Penderecki, Reiman

Konzertgitarre: Walton, Britten, Brouwer, Rawsthorne

Gruppen: die frühen EMERSON LAKE & PALMER, YES und GENESIS.

Hast Du eigentlich zur Bandgründung damals bereits alle Musiker ausgewählt oder habt Ihr Euch wie eine gewöhnliche Gruppe zusammengefunden? Und Wolfgang Borgmann, weil Ihr bereits bei SCHWARZARBEIT gemeinsam in einer Band standet?

Nein, die Mekong-Geschichte beginnt eigentlich, als ich Jörg kennen lernte, wir bei vielen Produktionen zusammenarbeiteten und sehr viel über Musik diskutiert haben. Er aus der Sicht der Rockmusik, ich eher aus der der klassischen Musik.

An einem bierseligen Abend, ich glaube es war Ende 1984 oder Anfang 1985, kam er mit einem Demo von einer Band ins Studio, die damals niemand kannte – METALLICA! Er spielte mir unter anderem ´Fight Fire With Fire´ vor. Der Song beinhaltete eine für den damaligen Metal doch ungewöhnliche rhythmische Anomalie. Die hatte ihn tief beeindruckt und ich fand die auch interessant. Mein Kommentar war: „… das kann man aber viel besser machen.“ Jörg sah mich an und sagte: „Na, dann mach mal!“

Also warum nicht? Innerhalb der nächsten zwei Wochen habe ich dann mal einige nicht wirklich fertige Songstrukturen erstellt und als Jörg die ersten Riffs hörte, bat er mich, in den Proberaum von AVENGER zu fahren, weil er unbedingt dazu drummen wollte – und in dem Augenblick war Mekong geboren. Nach dem ich noch einige Songs mehr fertig hatte, Jörg und ich die zusammenspielen konnten, machten wir uns auf die Suche nach Gitarristen und sind nach etlichen Totalausfällen bei Frank – überragender Rhythmusplayer – und Rainer – sehr guter Soloplayer – von LIVING DEATH fündig geworden. Bei den Sängern hatten wir die gleichen Probleme, Rhythmik und Harmonie waren viel zu komplex für die normalen Metalsänger, kaum einer traf einen Einsatz, noch weniger die Tonart. In meiner Verzweiflung fragte ich schließlich Bobo, mit dem ich schon in verschiedenen Gruppen gespielt hatte, wo es YES-mäßig abging und von dem ich wusste, dass er die beschriebenen Probleme nicht haben würde. Da er auch noch ein guter Freund von mir war, hat er sich schließlich bereit erklärt, auszuhelfen (!), obwohl das überhaupt nicht seine Musik war.

Siehst Du die Bandgeschichte in mehrere Abschnitte aufgeteilt, oder blickst Du nur von Alben zu Album zurück? Denn ein starker Umbruch vollzog sich mit den Abgängen Ende der Achtzigerjahre, die Gitarristen Kelch und Fricke gingen, Sänger Wolfgang Borgmann auch, und ein Jahr später Jörg Michael…

Nein, für mich ist Mekong ein fortschreitender musikalischer Prozess, dem Musikerwechsel nicht geschadet haben. Das Bobo irgendwann gehen würde war klar, wie bereits gesagt, dies war nicht seine Musik und mit der ´Dances …´ konnte er gar nichts mehr anfangen.

Alle anderen Musiker waren zu der Zeit dann auch noch in “vielversprechenden“ Major-Projekten engagiert, die das immer aufwendigere Üben neuer Mekong-Riffs zeitlich gar nicht mehr zuließen. Dafür hatte / habe ich vollstes Verständnis.

Waren die Pseudonyme in den Anfangstagen nur Mittel zum Zweck oder irgendwann einfach nur das coole Image, das mehr als üblich die Blicke auf eine Band richten ließ?

Die Pseudonyme hatten schon einen tieferen Sinn, hing alles mit den Vertragsarten der Zeit zusammen. Man war fast immer verpflichtet, Titel, bei denen man unter seinem Namen spielte, zuerst bei der Firma, wo man unter Vertrag stand, anzubieten. Da ich das aber nicht wollte, gab es vor allem wegen Jörg ein großes Problem. Also kamen wir auf die Pseudonyme. Keine Originalnamen, keine Vertragsprobleme. Das war der Hauptgrund, gab aber noch viele kleinere Überlegungen, die da mit hineinspielten.

 

 

Wie konntest Du später Doug Lee von SIREN zur Zusammenarbeit gewinnen? Er hat praktisch die Neunzigerjahre geprägt, auch eine weitere Periode in der Bandgeschichte…

Doug lebte zu der Zeit in Deutschland und ich habe ihn während der Produktion des SIREN Albums ´Financial Suicide´ kennengelernt. Da wir uns ziemlich gut verstanden, habe ich ihn zu vielen Einladungen mitgenommen und eines Abends hat er im Studio die Skizze zu ´Dances´ gehört. Weil er das ziemlich abgefahren fand, hat er mich gefragt, wer denn da singen sollte, worauf ich aus einer Laune heraus sagte “Du“. Hat mich dann zwar erst etwas schräg angeschaut, fand die Idee aber auch sehr interessant. Haben dann gleich noch etwas mit Vocals zu der Skizze experimentiert, gefiel uns und der Drops war gelutscht. Mekong hatte einen neuen Sänger.

Seit wann bist Du eigentlich solch ein Fan von klassischer Musik?

Das geht weit in meine Kindheit zurück. “Und so begab es sich ….“, Scherz beiseite. Zur Klassik bin ich über zwei Schlüsselerlebnisse gekommen. Während eines Urlaubs mit meinen Eltern in Spanien – wenn ich mich recht entsinne, war ich da was zwischen 12 – 14 Jahre alt, sah – und vor allem hörte – ich das erste Mal einen richtigen Flamencospieler, das hat mich extrem beeindruckt, kannte ich die akustische Gitarre bis zu dem Zeitpunkt doch nur als Begleitinstrument aus der Volksmusik. Zwar hatte ich zu der Zeit schon einen Bass auf dem ich rumdudelte, der war allerdings sofort abgemeldet, da mir klar war, dass ich Konzertgitarre spielen musste (!). Also hab ich meine Eltern und Großeltern solange genervt, bis ich zu Weihnachten eine bekam. Augenblicklich stürzte ich mich auf das Lernen der Techniken, was mir relativ gut gelang, da ich zwei Jahre lang nichts (!) außer Schule und Gitarre üben machte. Dadurch gelang es mir recht schnell, Carcassi und Sor hinter mir zulassen, mich auf die schon recht schweren Bachsuiten und ähnliches zu stürzen, um dann am Ende dieser Periode Albeniz und andere schwere Sachen zu spielen. Da hatte ich dann auch meine erste Konfrontation mit richtig heftigen zeitgenössischen Sachen, wenn ich mich recht erinnere, war “Parabolas“ von Leo Brouwer die erste Herausforderung. Mit 16 – 17 lag dann auch Britten, Walton etc. auf dem Notenständer, außerdem spielte ich zur Entspannung auch wieder häufiger Bass. Irgendwann hatte ich dann auch mein Hammererlebnis bezüglich Orchestermusik, die ich zwar häufig hörte, aber ein Stil, der mir wirklich gefallen hat, war bis dahin noch nicht gefunden. Tja, und dann ist es passiert, Radio, WDR 3, Prokoview, 2te Symphonie d-Moll, erster Satz und Ralf ist vom Hocker gekippt, so etwas hatte ich noch nie gehört. Voll auf den Punkt, brachial und kompromisslos, das war prägend. Danach nahm das Unheil dann seinen Lauf … 😉 .

Spätestens mit dem vollständigen Werk und der Musik von Mussorgsky bei ´Pictures At An Exhibition´ ließ sich dies nicht mehr verheimlichen…

´Pictures At An Exhibition´ war ein persönlicher Traum gewesen. Im Laufe der Jahre hatte Mekong ständig einzelne Titel von Mussorgski aufgenommen, so dass ich dachte, es wäre eine gute Idee, das ganze Stück zu realisieren. Allerdings, was ich nicht erwartet hatte, war die riesige Menge an Arbeit. Hat mich fast zwei Jahre gekostet, um dieses Album vorzubereiten.

Was die meisten Leute nicht wissen, ist, dass es mehrere Orchesterversionen gibt, die von mehreren Arrangeuren gemacht wurden. Ich habe verdammt viel Zeit damit verbracht, die ursprüngliche Klavierversion von Mussorgsky selbst zu finden. Allein das war extrem schwer, und dann musste man noch alle Arrangements auf Papier bringen, das sind 200 Seiten. Im Studio stellte sich dann heraus, dass es ungemein schwierig war, das so hinzubekommen wie ich das haben wollte. Nach dem das Album fertig, wusste ich, was ausgebrannt heißt.

Hast Du grundsätzlich nie den Wunsch verspürt, Dich solistisch mehr in dieser Richtung auszutoben oder genügen Dir die Exkursionen innerhalb des Kosmos von MEKONG DELTA?

Für solistische Ambitionen habe ich, so interessant das auch wäre, nicht wirklich Zeit. Das wäre ein Fulltimejob, und mit den ganzen Sachen, die ich musikalisch mache, bin ich schon komplett ausgelastet, der Tag hat ja leider nur 24 Stunden.

Auf dem neuen Album gibt es ja auch wieder solche Ausflüge und die Adaption von Isaac Albéniz‘ ´Sevilla´. Was macht mehr Spaß, eigene Songs in dieser Art zu komponieren und darzubieten oder ein großes Stück eines anderen Komponisten nochmals in der eigenen Vision dem Publikum vorzustellen?

Es geht und ging eigentlich immer darum, den Hörern einmal „klassische“ Komponisten vorzustellen, da viele bei dem Ausdruck “Klassik“ erst einmal bääh sagen. Da konnte ich bei unserem Publikum doch sehr viel erreichen. Viele haben sich nach unserer ersten Interpretation von Mussorgskis ´The Hut Of Baba Yaga´ mit dem Original beschäftigt und waren regelrecht begeistert. In etlichen Mails schreiben mir Fans, dass sie über Mekong auch die “Klassik“ für sich entdeckt hätten und nun neben dem Metal hören. Das ist ein schöner Erfolg über den ich mich sehr freue. Und klar, Spaß macht mir die Transkription für Gruppe natürlich auch, obwohl das manchmal schon sehr anstrengend ist.

Gibt es auf dem neuen Album auch Lieder, bei denen man sagen kann, die würden sich doch bestens auf der Bühne umsetzen lassen?

Bis auf die Orchesternummern und die, in denen Konzertgitarre enthalten ist, spieltechnisch eigentlich alle. Wir experimentieren zwar mit Orchesterplayback vom Rechner, aber so richtig überzeugt hat mich das bis jetzt noch nicht. Und Konzertgitarre und Bass im Wechsel, gibt zwar Musiker die das können, ich kann das wegen der grundsätzlich verschiedenen Spielweise und den verschiedenen Saitenstärken allerdings nicht. Wenn du mit umsetzen allerdings auch optische Präsentation meinst, keines, da meine Vorstellungen von Lightshow und Effekten leider jenseits der finanziellen Möglichkeiten liegen.

Welche Ideen hattet Ihr noch, um Eure Anhängerschaft zu beglücken oder sogar zu vergrößern, ehe diese Pandemie ganze Länder in einen Dornröschenschlaf versetzen sollte?

Wir hatten es tatsächlich geschafft, mehrere Shows in Europa so zu koordinieren, dass die, wie von mir gewünscht, innerhalb eines Monats dicht hintereinander lagen und sogar alle mal Zeit und richtig Bock hatten. Na ja, hat sich jetzt auch erst einmal wieder erledigt, mal sehen, was davon noch klappt.

Sehr schade. Denn Ihr wollt ja wohl nach Veröffentlichung nicht wieder so schnell aus dem Rampenlicht verschwinden, oder?

Warum nicht, das Werk spricht doch für sich 😉 .

Wo siehst Du eigentlich heute die Band im Business stehen, welche Position nehmt Ihr ein?

Da kann ich dir wirklich absolut nichts zu sagen, mach ich mir auch keinen Kopp drüber.

Gehört Ihr zu den Standhaften, den Außenseitern?

Da gehöre ich wohl eher zu der aussterbenden Gattung der Standhaften, die noch eine Meinung haben, die auch argumentativ vertreten können und nicht jedem Hype oder Trend hinterherlaufen.

… und wo musikalisch? Im Thrash oder Power oder Prog Metal? Oder bist Du über solch musikalische Einpferchungen längst hinweg?

Diese “Einpferchungen“ (schöner Ausdruck !) hab ich eigentlich noch nie akzeptiert, wie man in unzähligen Interviews nachlesen kann. Musik, oder – besser – eine Komposition ist immer Ausdruck der Persönlichkeit(en), die sie geschrieben hat, die Kategorien kommen eher von den Rezensenten.

Vertreibst Du Dir momentan wenigstens die Zeit ganz stilecht für einen Musiker: egal ob vor, während oder nach einer Pandemie – einfach mit Komponieren?

Aber sicher, Instrumente im Haus, genug Ideen im Hirn, gute Bücher im Regal, Bier im Kühlschrank – da kommt keine Langeweile auf.

 

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