Livehaftig

ARMORED SAINT

7. August 2018, München, Backstage Halle


Die beste Metal-Liveband der Welt auf Tour, im Gepäck den kompletten 1991er-Klassiker ´Symbol Of Salvation´ – nein, da kann niemand ohne guten Grund fernbleiben, der seine Seele dem harten Gitarrensound verschrieben hat. Glücklicherweise sehen das an diesem Dienstagabend in München rund 300 Fans genauso; zwei Saint-Maniacs sind sogar extra aus Berlin angereist, um ihre Helden zu lobpreisen. Noch, liebe Untergangspropheten des metallischen Undergrounds, ist Polen nicht verloren.

Vor den Heiligen aus Pasadena dürfen ACT OF DEFIANCE auf die Bühne. Die Saint’schen Labelkollegen um Ex-Megadeth und -Jag-Panzer-Shredder Chris Broderick sind mit ihrem zweiten Album ´Old Scars, New Wounds´ erstmals in Europa unterwegs, so richtig will der sperrige Modern-Thrash aber nicht zum spritzigen US-Power Metal des Headliners passen. Entsprechend verhalten fallen die Reaktionen aus – viel mehr als Höflichkeitsapplaus ist nicht drin für das tight und technisch brillant aufspielende Quartett. Kaum Stageacting und mangelnde Stringenz im Songwriting sind halt kein wirklich überzeugendes Rezept für eine erfolgreiche Karriere.

Die Träume von einer glänzenden Zukunft haben ARMORED SAINT längst hinter sich. Wie groß diese Band hätte werden können, wenn es das Schicksal, sprich Majorlabel und Gesundheit besser mit ihr gemeint hätte, ist ein oft diskutiertes Thema unter Edelstahl-Aficionados. Prachtsänger John Bush und seine nicht minder großartigen Kollegen an den Saiten und Trommeln haben sich längst damit abgefunden, nie über den zweifelhaften Status einer Kultband hinausgekommen zu sein. „Wir stellen uns jetzt einfach mal vor, ihr wärt 70.000“, sagt Bush schmunzelnd vor dem vermeintlich schwächsten Song des ´Symbol´-Albums, ´Burning Question´. Mangelnden Einsatz beim Refrain muss er danach nicht mehr befürchten.

 

Die Schlacht haben die Kalifornier an diesem Punkt des Sets ohnehin schon gewonnen. Drei alte Donnerkeile der Achtziger-Werke sind die perfekte Ouvertüre, ab ´The Truth Always Hurts´ stellt Bush jeden Song mit einer kurzen Geschichte vor. Besagte schmerzhafte Wahrheit sei ein grooviger Tribut an Soul-Gott Stevie Wonder, ´Another Day´ die Verarbeitung des Leukämie-Todes von Gründungsmitglied Dave Prichard. Dass ´Hanging Judge´ der älteste Song des Albums ist (geschrieben 1988), dürften bislang wohl nur die wenigsten gewusst haben, bekannter ist der Fakt, dass für ´Tainted Past´ Prichards Originalsolo vom 1989er-Demo implantiert wurde.

Ein Lied besser als das andere, das schweißspritzende Haupt von Chefbanger Bush, dazu die Grimassen von Joey Vera und Gonzo Sandoval – alles fließt zusammen in eines der besten Konzerte der letzten Jahre.

Schade nur, dass nach der Zugabe ´Can You Deliver´ nicht noch mehr geliefert wird; bei den USA-Gigs gab’s bis zu vier Extra-Orgasmen. Womöglich ist auch die Münchner Hitze ein verkürzender Faktor gewesen an diesem Abend. Weniger erinnerungswürdig macht ihn das natürlich nicht.