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MOONSCAPE – Entity

~ 2017 (Independent) – Stil: Progressive / Melodic Death Metal ~


Ein Meisterwerk in neun Akten soll dieses Album aus dem Grenzbereich von Epicmetal, Doom, Progressivemetal und Melodic Death Metal darstellen, wobei sich der Norweger Håvard Lunde, Komponist und mehrheitlicher Instrumentalist auf ‚Entity‘ dabei durchaus von altvorderen Kapellen aus den 90ern wie OPETH oder auch EDGE OF SANITY inspiriert sieht. Natürlich ist das Album bei allem Namedropping tatsächlich ein großes Werk mit mehr oder minder geschlossener Dramaturgie sowie sehr abwechslungsreich arrangiert. Immer haben die einzelnen Passagen einen vollkommenen Fluss, der seine Drehungen und Wendungen nimmt.

Wogende, hymnisch erhabene, dabei im rhythmischen Bereich durchaus um die Ecke gespielte Passagen mit mittelhohem Klargesang fließen über in sanfte Momente, mal eine kurze Brücke nur mit Gesang und Piano, mal ein Part mit luftiger Stimmung, getragen von Keyboards und Bass, dann wieder schwebende Augenblicke, in denen die Leadgitarre zauberhafte Melodien singt.

Mögen die Vocals zwischendrin auch etwas derber werden und mögen Håvard zwischenzeitlich alle Pferde durchgehen, dann nämlich jagt er flotte Riffs über einen Teppich aus Blastbeats und untermalt dies mit üppigen Keyboardteppichen, so kehrt er immer wieder gerne zu getragenen, melodischen Abschnitten zurück, aus denen sich machtvolle Gitarrenharmonien erheben.

Das Album hat eine schön nordische Stimmung, die Melodien sind majestätisch, dezent unterkühlt, als stünde man nahe dem Nordkap und schaute dem Polarlicht bei seinem Flitterspiel zu. Die gedämpfte Stimmung der Harmonien lädt zum Nachdenken ein und lässt ob der Großartigkeit der Bilder, welche die Melodieführung in die Sinne des Hörers trägt, die eigene Endlichkeit erkennen.

Natürlich sind sowohl Konzept, als auch musikalische Umsetzung beileibe schon von anderen Stellen her bekannt. Das ist jetzt so, als würde ich mir statt SAXON 1980 NIGHT DEMON 2017 anhören. Hatten wir alles schon, ist aber durch charismatische Eigenheiten des Schöpfers und sein gutes Verständnis für packende Abläufe einfach nur gut.

Die treibenden, aber im Rahmen bleibenden, extremen Metalparts kommen immer wieder genau im richtigen Moment, wenn der Hörer bereit ist, in einen wahren Lustrausch stählerner Urgewalt zu fallen. Mir fallen die mit modernen Siebensaitern gespielten, mehrstimmigen Harmonien auf, die sich einschleichen. Mir fällt auch auf, dass im Extremfall in den Gitarrenläufen wunderbare Melodiebögen mitschwingen.

Pop geht sicherlich anders und auch der durchschnittliche Melodic Deather oder moderne Metalcorefreund (oftmals ist ihr METALCORE nur eine dezent modifizierte Variante früher IN FLAMES-Standards) sehen sich von MOONSCAPE überfordert. Wer auf die Auswüchse der Musik eines Dan Swanö (EDGE OF SANITY) steht und sich gerne in Musik hineinlegt, von ihr davontragen und betören lässt, der ist hier genau richtig.

Die Performance ist sehr gut, der Sound klar und sauber. Raubeindeathmetalneanderthaler sind also ebenfalls raus. Warum mittendrin ein Saxophon auf melodischem Artrock steht und diese Passage dann wieder zu bombastischem Epic Melodic Metal wird, mag der Künstler selbst wissen. Nach einer halben Stunde Hörvergnügen ist man im letzten Viertel angelangt und fiebert mit Håvard und seinen Freunden auf die letzte Abfahrt hin. Mich berühren die vielen, vor Melodien triefenden Gitarrenläufe, die herrlich gniedeligen und doch ebenfalls melodiösen Soli, die Gesangslinien inklusive der gegrowlten Parts, mich berührt die sich unter all dem Bombast und der durchaus hochklassigen Spieltechnik verbergende Schlichtheit der Gefühle.

Ein Song, gut vierzig Minuten, eine durchgehende Hymne, die Dich augenblicklich packt, aber immer wieder so weit runterfährt, dass Du Deine Leidenschaft für diese Platte erst nach und nach brennen lässt. Und das ist wirklich gekonnt.

Sicherlich ist das hier ein Album, für das man in der richtigen Stimmung sein muss. Es verstärkt die Euphorie, die Glückseligkeit in einem, während es die Seele berührt und Dich nachdenklich werden lässt. Ob es ein Meisterwerk ist, wird das Interesse der Fans entscheiden und in wie weit es die Zeit überdauert. Ich für meinen Teil bin jetzt gerade begeistert. Das sagt doch einiges aus, oder?

(8,5 Punkte)

https://moonscape.bandcamp.com/releases
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