
MAUD THE MOTH – The Distaff
2025 (Creative Scotland) - Stil: Avantgarde Singer-Songwriter
Amaya López-Carromero hat sich mit MAUD THE MOTH über Jahre hinweg eine eigene musikalische Sprache erarbeitet, die sich konsequent jeder klaren Zuordnung entzieht. Klavier, Stimme und Geräusch bilden keine gewöhnliche Interaktion, sondern greifen ineinander wie unterschiedliche Schichten, die sich nie vollständig ordnen lassen. ´The Distaff´ markiert innerhalb ihres bisherigen Schaffens einen Punkt besonderer Klarheit. Die Kompositionen wirken fokussierter, die Dramaturgie strenger, die klanglichen Entscheidungen bewusster gesetzt als auf den Vorgängern.
Bereits das kurze ´Canto De Enramada´ eröffnet mit betörenden Klängen. Die spanische Sprache verleiht dem Stück eine unmittelbare Nähe, während das Klavier erste Andeutungen formuliert. Es ist ein Auftakt, der den Hörer vorbereitet und ihn in eine Haltung des Zuhörens versetzt.
´A Temple By The River´ entfaltet anschließend die thematische Landschaft des Albums. Das Klavier arbeitet in wiederkehrenden Figuren, über denen sich die Stimme mit zunehmender Intensität erhebt. Die begleitenden Instrumente bleiben lange im Hintergrund, treten dann aber mit schwerer, beinahe doomartiger Wucht hinzu. Die Spannung entsteht aus dem Gefühl, dass sich etwas Unabwendbares zusammenzieht.
Mit ´Exuviae´ zieht sich die Musik zurück. Die Reduktion auf Stimme und Klavier lässt jede Nuance hörbar werden. Vögel, Geräusche, Atempausen und minimale harmonische Veränderungen prägen das Stück und verleihen ihm eine fast fragile Intimität. Die Zeit scheint still zu stehen, so als würde die Musik selbst zögern, weiterzugehen.
´Burial Of The Patriarchs´ erweitert die Klanglandschaft erneut. Die Melodieführung bleibt schwebend, während sich die Komposition langsam aufbaut und sich die Stimme immer wieder in die Höhe schiebt, denn Amaya López-Carromero zeigt sich hierbei besonders expressiv.
In ´Siphonophores´ erreicht das Album neue Weiten. Das Klavier bleibt der zentrale Drehpunkt, doch um diesen herum entwickeln sich vielschichtige Texturen aus Geräusch, Elektronik und leisen orchestralen Andeutungen. Das Stück entfaltet eine Sogwirkung, die sich erst spät vollständig zeigt.
Das überlange ´Despeñaperros´ bildet das emotionale Verbindungsstück. Über einen ausgedehnten Zeitraum entwickelt sich eine Dramaturgie, die von leiser Spannung zu massiver Intensivierung führt. Doomige Klangflächen, Streicher und mehrfach geschichtete Stimmen formen ein intensives Geflecht.
´O Rubor´ fungiert als kurzer Ruhepunkt. Die Vertonung des Textes von Hildegard von Bingen bringt eine zeitlose Qualität ins Album. Stimme und Melodie stehen klar im Raum und verbinden das Persönliche mit dem Historischen.
´Fiat Lux´ knüpft daran an, führt die Spannung jedoch wieder zurück in dunklere Gefilde. Die Musik wirkt konzentriert, beinahe streng, und steigert sich schrittweise. Die Stimme bewegt sich zwischen Zurückhaltung und plötzlicher Schärfe, was dem Stück eine besondere Gewichtung verleiht.
Mit ´Kwisatz Haderach´ schließt das Album in einer schwebenden, fast entrückten Atmosphäre. Die Musik löst sich langsam auf, bleibt jedoch emotional präsent. Es ist ein Nachhall, der die zuvor aufgebauten Spannungen weiterträgt.
´The Distaff´ zeigt MAUD THE MOTH auf dem bisherigen Höhepunkt ihres künstlerischen Wirkens. Amaya López-Carromero gelingt es, persönliche Themen in eine musikalische Form zu überführen, die offen bleibt und dennoch eine starke innere Geschlossenheit besitzt. Auf diese Weise entwickelt das Album eine äußerst nachhaltige Wirkung.
(9 Punkte)



