
FIELDS OF THE NEPHILIM – Dawnrazor
1987/2025 (Beggars Banquet) - Stil: Gothic Rock
FIELDS OF THE NEPHILIMs Debütalbum ´Dawnrazor´, ursprünglich 1987 erschienen und nun remastert auf weißem Doppel-Vinyl, wirkt auch heute noch wie ein frischer Windzug aus der Wüste, ein unheilvolles Panorama aus Schatten, Staub und endlosen Horizonten.
Von der ersten Sekunde an eröffnet das Album mit ´Intro (The Harmonica Man)´ eine fast filmische Szenerie: Carl McCoys Stimme, rau und zugleich eindringlich, verschmilzt mit dem samplebasierten Ennio-Morricone-Motiv zu einer wüstenhaften Kulisse, die nicht nur Western, sondern auch die frühen Ängste und Visionen des Gothic Rock vorwegnimmt. Man hat sofort das Gefühl, mitten in einem apokalyptischen Szenario zu stehen, wo jeder Schritt, jeder Akkord und jede Percussion eine eigene Geschichte erzählt.
Mit ´Slow Kill´ steigert sich die Spannung, treibende Gitarren und pulsierende Basslinien verweben sich zu einem hypnotischen Strudel, der Carl McCoys markante Stimme in Szene setzt. Der Song wirkt wie ein dunkler Ritt durch die nebligen Ebenen der Seele, geprägt von melancholischer Schärfe und roher Energie zugleich. In ´Volcane (Mr. Jealousy Has Returned)´ verlangsamt sich das Tempo, die Atmosphäre wird gespenstisch, beinahe tranceartig, während die Gitarren mit zitternden, hallgetränkten Linien durch den Nebel schneiden, und Carl McCoy mit fast gespenstischem Flüstern die innere Zerrissenheit der Figuren vermittelt.
Titel wie ´Vet For The Insane´ oder ´Reanimator´ demonstrieren die Bandbreite zwischen doomiger Düsternis und wuchtigem Rock’n’Roll. ´Vet For The Insane´ entfaltet sich über lange, beinahe hypnotische Passagen, in denen die Instrumente den Hörer in eine psychologisch dichte Welt entführen, während ´Reanimator´ mit treibendem Rhythmus und aggressiven Gitarrenriffs den Kopf schnell wieder aus der düsteren Reflexion reißt und in energischen Rock katapultiert. Das Titellied ´Dawnrazor´ selbst wirkt wie ein zäher, apokalyptischer Marsch, der trotz seines schleppenden Tempos eine unheimliche Dynamik besitzt und die einzigartige „Western-Goth“-Ästhetik der Band unterstreicht.
Zu den Höhepunkten gehört auch ´Preacher Man´, ein Song, der trotz eines scheinbar simplen Riffs eine schier hypnotische Wirkung entfaltet. Carl McCoys Gesang schwankt hier zwischen heiserem Schreien und drohendem Sprechen, während sich die Gitarren minimalistisch aufbauen und dennoch den gesamten Raum dominieren. Das Stück wirkt wie ein dunkler Prediger, der seine Zuhörer in die Abgründe einer surrealen, apokalyptischen Landschaft führt. ´Dust´ und ´Power´ wechseln hingegen zwischen Intensität und Melancholie, und ´Blue Water´ sowie ´Secrets´ fügen subtile psychedelische Elemente ein, die das Album wie einen düsteren Film in mehreren Akten erscheinen lassen.
Mit ´Laura II´ und ´The Tower´ gelingt der Band eine Balance aus Tragik und epischer Größe. Die Songs verbinden melodische Tonfolgen mit hallgetränkten Gitarren und einem Bass, der immer wieder die emotionale Schwere des Albums trägt. Besonders bemerkenswert ist die Art, wie das Schlagzeug nie bloß den Rhythmus liefert, sondern selbst erzählerisch wirkt und die musikalischen Bögen mit definiertem Puls vorantreibt.
´Dawnrazor´ ist in seiner Gesamtheit mehr als nur ein Gothic Rock-Album. Es ist eine Vision, ein filmischer Ritt durch Sand, Nebel und die Apokalypse, getragen von Carl McCoys charismatischer, unverwechselbarer Stimme.
Die Neuauflage auf Doppel-Vinyl, ohne Gatefold-Cover, ohne Lyrik, ermöglicht erstmals eine umfassende Version mit allen 14 Tracks und macht deutlich, dass FIELDS OF THE NEPHILIM hier ein Werk geschaffen haben, das seinen Platz in der Geschichte des Genres behauptet.
Wer sich auf dieses Album einlässt, taucht in eine Welt ein, die zwischen Western, Horror, Doom und Gothic schwebt, eine Welt voller Schatten, aber auch von hypnotischer Schönheit. Auch wenn FIELDS OF THE NEPHILIM noch größere Klassiker ohne dramaturgische Längen veröffentlichen sollten, ´Dawnrazor´ bleibt ein Muss für alle, die den Goth Rock in seiner rauen, atmosphärischen und filmisch-dichten Form lieben.
https://www.facebook.com/FieldsOfTheNephilim



