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RANDY NEWMAN – Trouble In Paradise

1983/2025 (Rhino Records/Warner Records) - Stil: Pop, Rock

´Trouble In Paradise´, Randy Newmans siebtes Studioalbum, erschien im Jahre 1983 in einer Phase, in der der Sänger und Komponist längst eine Sonderstellung in der amerikanischen Musiklandschaft eingenommen hatte. Schon seit den späten Sechzigerjahren galt Randy Newman als scharfer Beobachter, dessen Kompositionen unter der glänzenden Oberfläche der westlichen Wohlstandswelt kratzten, um darunter die Zwiespalte, Selbsttäuschungen und moralischen Grauzonen freizulegen. Mit diesem Album führt er diese Methode in den frühen Achtzigern in eine neue, deutlich glatter produzierte Form über, die seine satirische Schärfe jedoch nicht im Geringsten aufweicht.

´Trouble In Paradise´ entstand in Los Angeles, der Stadt, die Randy Newman wie kaum ein anderer Musiker gleichzeitig liebt und infrage stellt. Die Produktion ist elegant, die Arrangements sind durchlässig und präzise gebaut, untermauert von einer All-Star-Besetzung, in der sich Namen wie Steve Lukather, David Paich, Jeff Porcaro, Linda Ronstadt, Paul Simon, Bob Seger oder Christine McVie fast beiläufig begegnen, als wäre es das Normalste der Welt, dass sich die Crème der Westcoast-Szene um diesen leisen Meister des subversiven Songwritings schart. Die Produktion von Lenny Waronker und Russ Titelman wählt einen glatten, fast luxuriösen Sound, der perfekt zur Atmosphäre eines Albums passt, das sich mit den Verführungen der funkelnden Hülle des gesellschaftlichen Überflusses auseinandersetzt – und mit dem, was diese glitzernde Oberfläche versucht, zu verdecken.

Schon der Auftakt ´I Love L.A.´ wirkt wie ein Werbespot, der plötzlich ins Wanken gerät. Die Melodie prächtig und sonnig, der Refrain strahlend, Randy Newman schwelgt im offenen Cabriolet, während am Straßenrand ein Obdachloser auf den Knien liegt. Die Stadt, die sich selbst im Glanz badet, zeigt ihre Schatten im grellen Tageslicht. Der Witz ist subtil, die Ironie leichtfüßig, und doch spürt man sofort, wie präzise Newman die Selbstinszenierungsmaschine dieser Metropole demontiert. Es ist ein Lied, das gleichzeitig verführt und entlarvt – weshalb es später problemlos zu einem inoffiziellen Hymnus der Stadt werden konnte, obwohl gerade dieser Hymnus vor allem ihre dunklen Spiegelungen aufzeigt.

Diese Doppelbödigkeit zieht sich durch das ganze Album. ´Christmas In Capetown´ blickt mit bitterer Ironie durch die Augen eines wohlhabenden Weißen im Apartheid-Südafrika; ein Song, der die Selbstgerechtigkeit eines Mannes mit sonnigem Gemüt sezieren kann, während um ihn herum eine Welt brennt. In ´My Life Is Good´ betrachtet Randy Newman die Sattheit des amerikanischen Reichtums durch die Perspektive eines Mannes, der sich selbst im Zentrum der Welt sieht und ungehemmt prahlt, als hätte ihm das Leben ein exklusives Vorzugsabonnement ausgehändigt. Randy Newman schreibt diese Songs mit einem Gefühl für Rhythmus, Melodie und Sprachwitz, das das Absurde nicht auf Kosten der Figuren, sondern durch ihre völlige Überzeugtheit von sich selbst entstehen lässt.

Aber Randy Newman wäre nicht Randy Newman, wenn er nicht auch die weichen, verletzlichen, manchmal verstörenden Zwischentöne zuließe. ´Same Girl´ zeichnet das Porträt einer Frau im Griff der Heroinabhängigkeit mit berührender Zurückhaltung; ein leises Lied, das die Stimme des Sängers so nah an die Figur heranführt, dass man fast spürt, wie die Welt um sie herum lautlos zusammenrückt. Und in ´Real Emotional Girl´ gelingt ihm eines dieser fragilen, introspektiven Stücke, in denen Randy Newman mit einer fast schamlosen Offenheit den inneren Bruch seiner Figuren tastend freilegt.

Dass Randy Newman bei all dem nie in moralische Belehrung verfällt, gehört zu seinem größten Können. Er beobachtet, er entlarvt, er offenbart – aber er verurteilt nicht frontal. Die Figuren seiner Songs sind widersprüchlich, verletzlich, manchmal widerwärtig, manchmal naiv und häufig blind für das, was sie anrichten. Doch er begegnet ihnen nie mit Spott, sondern mit einem lakonischen Mitgefühl, das ihre Geschichten glaubwürdig und menschlich macht.

´Trouble In Paradise´ ist deshalb kein bloßes Produkt seines Jahrzehnts, obwohl der Klang des Albums unverkennbar die eleganten Texturen der frühen Achtziger trägt. Es ist ein Werk, das die Illusionsmechanismen einer Gesellschaft studiert, die sich selbst in der Sonne ihrer eigenen Parolen wärmt. Ein Album, das glänzt und schneidet, das tanzt und sticht, und das bis heute diese eigenartige Balance zwischen Schönheit und Zersetzung wahrt, die Randy Newmans beste Arbeiten auszeichnet.

Wer die neue, sorgfältig gefertigte Vinyl-Ausgabe von 2025 aus der “Rhino Reserve”-Reihe auflegt, geschnitten von Matthew Lutthans von den originalen analogen Masterbändern und gepresst bei “Fidelity Record Pressing”, hört nicht nur ein Album der frühen Achtziger, sondern ein Werk, das sich weigert, in seiner Zeit stecken zu bleiben. Die Melodien strahlen, die Arrangements funkeln, die Ironie bleibt venenscharf – und im Hintergrund lächelt Randy Newman, wie jemand, der längst begriffen hat, dass das wahre Paradies immer zuerst dort bröckelt, wo es am hellsten scheint.

Eine viel zu selten gewürdigte Glanzleistung.

https://www.facebook.com/RandyNewman

 

 

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