
CHIMEHOURS – Underneath The Earth
2025 (Cold Spring) - Stil: Dark Folk, Dream Pop, Experimental
Es gibt Debütalben, die wie ein altes Tor aufschwingen und den Hörer in eine andere Welt ziehen. ´Underneath The Earth´ von CHIMEHOURS gehört genau zu dieser seltenen Sorte. Beck Goldsmith und Jon Dix, beides Musiker mit ausgeprägtem Gespür für cineastische Stimmungen, erschaffen ein Werk, das wirkt, als sei es aus der Tiefe einer moosbedeckten Landschaft ans Licht gehoben worden – ein Album, das nach Erde riecht, nach Regenholz, nach jener schwer greifbaren Schwelle zwischen Natur und Mythos.
Die Musik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Dark Folk, Dream Pop und experimentellen Klangräumen, getragen von einer feinen Unruhe, die sich wie Nebel durch die Songs legt. Drones und raue Gitarrenschichten verbinden sich mit warmen Holzbläsern, wiegenden Streicherlinien und dem schwerelosen Gesang von Beck Goldsmith, der oft klingt, als würde er von irgendwo hinter den Bäumen herüberwehen. Jon Dix formt dazu einen Klangkörper, der die Traditionslinien britischer Folk-Horror-Ästhetik aufnimmt.
Der thematische Ausgangspunkt – Max Porters Roman “Lanny” – ist mehr als nur ein loses Narrativ. Die Musik wühlt sich durch die gleiche Erde, spricht von Verbundenheit und Verlust, von der Magie des Kinderblicks und der verstörenden Präsenz des Übernatürlichen. Songs wie ´Toothwort Took Him´ oder ´Dead Papa Toothwort´ tragen diese mystischen Schatten in sich, ohne plakativ zu werden; sie atmen eine ursprüngliche Kraft, die sich nicht erklären muss, weil sie aus den Geräuschen des Waldes kommt.
Immer wieder blitzt eine ätherische Schönheit auf: in den weit auslaufenden Harmonien von ´Underneath The Earth´, im scheuen Schimmer von ´Greentree´ oder in der fragilen Ruhe von ´Look For Me´. Doch die Idylle ist trügerisch. In den hinteren Schichten lauert ein leiser Schrecken, jene unbehagliche Gewissheit, dass die Natur nicht nur birgt, sondern auch verschlingt. CHIMEHOURS zeichnen diese Spannung mit einer erstaunlichen Reife, dabei dient alles der Atmosphäre.
Produziert wurde zwischen Derbyshire, London und Margate, doch das Ergebnis wirkt wie aus einer einzigen, in sich geschlossenen Welt. Die Instrumente verschmelzen zu einem organischen Ganzen, als hätte der Wald selbst Regie geführt. Goldsmiths Stimme ist dabei das schimmernde Zentrum, klar und zugleich von einem geheimnisvollen Schleier umgeben, der den Songs ihren überzeitlichen Charakter gibt.
´Underneath The Earth´ ist ein Album, das sich nicht aufdrängt, aber unwiderstehlich anzieht. Ein Werk, das die moderne Welt für einen Moment ausblendet und eine uralte Verbindung wieder spürbar macht – jene zwischen Mensch, Erde und den Geschichten, die wir uns seit Jahrhunderten über das erzählen, was im Dunkeln lebt. CHIMEHOURS gelingt ein zeitloses Debüt in einem poetischen, atmosphärischen Klangraum, der die Grenzen zwischen Traum, Natur und Unbehagen auflöst.
Ein eindrucksvoller Start und eines der eigenwilligsten Dark-Folk-Alben des Jahres.
(Big 8 Points)



