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PARAGON – Heed The Prophecy

1990/2025 (Arkeyn Steel Records) - Stil: Heavy Metal

Wenn man über die 1980er Jahre im US-amerikanischen Metal spricht, denkt man an eine Epoche, in der musikalische Grenzen noch fließend waren und Bands Elemente aus den unterschiedlichsten Stilen frei miteinander verbanden. PARAGON aus Springfield, Ohio, gehören zu jenen Formationen, die diese Offenheit auf besonders eindrucksvolle Weise ausfüllten. Gegründet 1987 von den Gitarristen Jon Faber und Keith Wood, demonstriert die Band bereits in ihren frühen Demos eine bemerkenswerte Reife, technische Versiertheit und melodische Fantasie. Gemeinsam mit dem Bassisten Steve Smith formten sie ein Ensemble, das sich den musikalischen Idealen von QUEENSRŸCHE, FATES WARNING, RACER X und CACOPHONY verschrieb.

Die beiden frühen Aufnahmen – ´Heed The Prophecy´ von 1989 und ´A Change Of Season´ von 1990 – erfassen den Moment, in dem die Band ihre unverwechselbare Handschrift entwickelte. Dabei entsteht Musik, die gleichermaßen progressiv, episch und kraftvoll ist, ohne die Emotionalität eines klassischen Heavy Metal-Ansatzes zu verlieren. Die Remaster von Kostas Scandalis im “Infinity Studio” in Thessaloniki offenbaren nun erstmals die volle Transparenz der Instrumente, lassen die Gitarrenharmonien von Jon Faber und Keith Wood aufleben und bringen die rhythmische Präzision von Schlagzeuger Marc Mitchell zusammen mit dem expressiven Bassspiel von Steve Smith klar hervor. Dwight Bowden verleiht den Kompositionen mit seinem klaren, kontrollierten Gesang eine zusätzliche Dimension, die zwischen epischem Ausdruck und nachdenklicher Intimität changiert.

Bereits das titelgebende Stück ´Heed The Prophecy´ entfaltet eine düstere, beinahe visionäre Aura. Die Lyrics sprechen von bevorstehendem Unheil, warnen vor menschlicher Ignoranz und entfalten sich zu einem dramatischen, beinahe filmischen Szenario: „I saw the end so clear / Deep inside my dreams / Frightening vision all too near“. Musikalisch baut sich das Stück aus bedrohlichen Riffing-Passagen, harmonischen Gitarrendialogen und spannungsgeladenen Drums auf, die das Gefühl einer sich unaufhaltsam nähernden Katastrophe eindrucksvoll transportieren.

´My Final Words´ zeigt die introspektive, emotional verletzliche Seite der Band. Bowden singt über Verlust, Enttäuschung und die Einsamkeit, die entsteht, wenn Vertrauen gebrochen wird: „Until then, I wait, as my heart falls deeper into despair“. Die Musik unterstreicht diese emotionale Tiefe mit langen, getragenen Gitarrenlinien, einem präzise gesetzten Bass und sparsamen, atmosphärischen Keyboardflächen. Das Stück wirkt wie eine stille Reflexion über Schmerz und Resilienz, die den Hörer unmittelbar in die innere Welt des Sängers zieht.

Mit ´Under Siege´ verlagern PARAGON den Blick nach außen und erschaffen ein episches, historisch gefärbtes Panorama. Die Lyrics erzählen vom unaufhaltsamen Ansturm feindlicher Heere und der Standhaftigkeit der Verteidiger: „Great armies now arrayed all around us … All we can do is stand here and wait“. Die Musik trägt diese Geschichte mit martialischen Rhythmen, treibenden Gitarrenlinien und eindringlichen Spannungsbögen, die das Gefühl eines belagerten Bollwerks hörbar machen. Die Kombination aus epischer Erzählung und virtuoser Spieltechnik lässt das Stück sowohl kraftvoll als auch fesselnd wirken.

´Witch Hunt´ entführt den Hörer in die Dunkelheit menschlicher Angst und fanatischer Exzesse. Die Lyrics schildern die Jagd auf eine vermeintliche Hexe, die in einem Strudel von Gewalt und Aberglauben gefangen ist, während die Musik die Dramatik dieser Erzählung in intensiven Riffs und kraftvollen Gesangslinien widerspiegelt: „Chanting, screaming, burn the witch / They stoke the funeral pyre“. PARAGON gelingt es, eine beklemmende, fast greifbare Atmosphäre zu schaffen, die den Schrecken und die Tragik der Geschichte unmittelbar transportiert.

Die Kompositionen der ´A Change Of Season´-Demo zeigen PARAGONs Facettenreichtum in voller Länge. ´Change Of Seasons´ reflektiert die Vergänglichkeit von Zeit und Leben, getragen von einem Gitarren- und Keyboardarrangement, das die melancholische Schönheit der Lyrics unterstützt: „Seasons will change, life rearranged / Time just marches on“. ´Land Of Dreams´ entfaltet einen entrückten, fast schwebenden Charakter, in dem melodische Gitarren, fließende Keyboards und Bowdens klare Stimme eine Welt imaginärer Freiheit erschaffen: „Welcome to the land of dreams / You’re free to be all that you want to be“.

´Stand Alone´ und ´Good Soldiers (Never Cry)´ führen die musikalische Erzählung weiter. Während ´Stand Alone´ die persönliche Isolation und das innere Ringen vermittelt, entwickelt ´Good Soldiers (Never Cry)´ eine bedrückende Dringlichkeit, in der sich Krieg, Verlust und moralische Zerrissenheit verbinden. Bowden singt die Lyrics mit der nötigen Intensität, die Gitarren harmonieren zu prägnanten Leads, und der Rhythmus von Marc Mitchell treibt das Stück unaufhaltsam voran: „Good soldiers never cry / Even when left to die“.

Die introspektive und zugleich rauschhafte Energie von ´Road To Nowhere´ und ´Fading Destiny´ rundet die Sammlung ab. In ´Road To Nowhere´ reflektiert die Band über Ziellosigkeit und Selbstreflexion, unterstützt von fließenden Leadgitarren und treibenden Drums, während ´Fading Destiny´ den Rausch und die Gefahr exzessiver Flucht ins Übersteigerte in expressiven Gitarrenläufen und perkussiven Akzenten einfängt: „As your sight just fades to gray / All you crave is just a rush“.

Mit der ersten offiziellen CD-Veröffentlichung dieser beiden frühen Demos präsentiert “Arkeyn Steel Records” nicht nur ein Stück Ohio-Metalgeschichte, sondern auch die Gelegenheit, die Virtuosität und den kreativen Ehrgeiz einer Band zu erleben. Das Remaster von Kostas Scandalis, das Artwork von Kostas Athanasoglou und die bebilderten Lyrics im Booklet machen ´Heed The Prophecy´ zu einem Erlebnis, das sowohl für Sammler des Genres als auch für moderne Liebhaber des progressiven, melodischen Heavy Metal von bleibendem Wert ist. PARAGONs Musik verbindet Virtuosität, dramatische Erzählkraft und emotionale Tiefe, sodass jeder Song die epische Dimension jener späten 1980er Jahre in Ohio spürbar werden lässt.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/ArkeynSteel/

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