
Vier Jahre nach ´The Hungry Heart´ meldet sich Philipp Nespital mit seinem Soloprojekt SMALLTAPE eindrucksvoll zurück und präsentiert mit ´Tangram´ ein Album von erstaunlicher Dichte, das sofort spürbar macht, wie sehr Musik und Emotion hier verschmelzen. In Berlin komponiert, spielt und produziert Philipp Nespital fast alles selbst, wobei seine feinsinnige Herangehensweise als Multiinstrumentalist und Klanggestalter jedem Ton eine klare Präsenz verleiht. Unterstützt von herausragenden Gastmusikern wie Bruce Soord von THE PINEAPPLE THIEF, Omri Abramov, Alexandra Praet und Flavio De Giusti, entfaltet das Album eine Klanglandschaft, die gleichzeitig intimer Ausdruck und orchestrale Weite ist, voller subtiler Details, die sich erst beim genaueren Hinhören entfalten.
Der Albumtitel ´Tangram´ verweist auf das gleichnamige chinesische Legespiel, in dem aus sieben einfachen Formen unendlich viele Figuren entstehen. Diese Idee überträgt Nespital auf seine Kompositionen: Sieben unterschiedliche Stücke, darunter die dreiteilige Suite ´No Time´, ordnen sich zu einem großen Ganzen, in dem sich Bruchstücke von Erinnerung, Sehnsucht und innerer Reflexion zu einem harmonischen Mosaik verweben. Jeder Song ist ein eigener Kosmos, der zugleich in das Gesamtgefüge eingebettet ist und eine narrative, emotional nachvollziehbare Reise ermöglicht.

Musikalisch bewegt sich ´Tangram´ zwischen Artrock, Progressive Rock, Jazz und cineastischer Klangkunst. Die Arrangements verbinden gefühlvolle Saxophonlinien, glühende Gitarren und präzise Bassarbeit mit filigranen Keyboard- und Synthesizerflächen, die den Hörer von der ersten Sekunde in den Bann ziehen.
´No Time (I)´ eröffnet als zarte, atmosphärische Schönheit und legt die Saat für die Suite, deren zweite und dritte Teile auf wachsenden Spannungsbögen und subtiler Dramatik aufbauen, während ´Goodbye´ in wellenartigen Strukturen von Klavier, Saxophon und Gitarre das Thema Abschied und Loslassen in plastischer Form spürbar macht.
´Second Chance´ entfaltet eine unmittelbare emotionale Wirkung, getragen von eleganter Melodik und einem expressiven, floydigen Gitarrensolo von Bruce Soord, während ´Phoenix´ in einem getragenen, filmisch anmutenden Aufbau die emotionale Intensität steigert und schließlich in eine Katharsis von Stimmen, Instrumenten und Harmonien mündet.
Mit ´Selene´ öffnet Philipp Nespital ein weites Klangbild, in dem akustische Ruhe, rhythmische Impulse und orchestrale Elemente zu einer fast tänzerischen Dynamik verschmelzen. Die abschließenden Tracks, ´Gold Digger´ und ´Tesselate´, führen die Hörer durch Nachdenklichkeit, Spannung und schließlich zu einem kraftvollen, epischen Abschluss. Somit fließen alle Elemente des Albums zusammen und bilden ein schlüssiges, emotional berührendes Ganzes.
´Tangram´ belohnt den Hörer mit einer Fülle an Nuancen, Emotionen und klanglicher Raffinesse. Philipp Nespital versteht es, dass Progressive Rock nicht nur technische Virtuosität bedeutet, sondern erzählerische Kraft und emotionale Tiefe. Jeder Song fließt, erzählt Geschichten und lässt die Musik unmittelbar erfahrbar werden. Zwischen zarten Momenten der Reflexion und majestätischen, expansiven Passagen entfaltet sich eine faszinierende Klangwelt, die zugleich eigenständig, präzise und sinnlich ist und das Hörerlebnis zu einer intensiven Reise macht, die noch lange nachklingt.
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/smalltape
Pic: Franz Zimmermann



