
HOWLIN’ WOLF – Moanin’ In The Moonlight
1959/2025 (Chess Records/Acoustic Sounds Series) - Stil: Blues
Es gibt Momente in der Musikgeschichte, in denen ein einzelner Künstler nicht nur ein Genre prägt, sondern ihm eine Stimme gibt, die für immer nachhallen wird. ´Moanin’ In The Moonlight´ ist genau so ein Moment. Chester Arthur Burnett, besser bekannt als Howlin’ Wolf, brachte den Chicago Blues in einer rohen, elektrisierenden Form in die Welt, und diese Wiederveröffentlichung aus der „Chess Records 75 Series“ erlaubt uns, diese Kraft erneut zu spüren. Matthew Lutthans hat die originalen Tapes behutsam remastert, ohne den Staub der Jahrzehnte zu tilgen, vielmehr hat er ihn in ein Glühen verwandelt, das die Intensität der Aufnahmen unverändert lässt.
Chester Burnett wuchs in West Memphis, Arkansas, auf, in einer Landschaft aus Feldern, Staub und Geschichten. Spirituals und Überlebenslieder begleiteten seine Kindheit, doch seine Stimme war zu mächtig für das Jodeln, das damals üblich war. „I couldn’t do no yodelin’, so I turned to howlin’“, sagte er später. Dieses Heulen wurde sein Markenzeichen, ein Ruf aus der Tiefe, der sofort ergreift. Nach frühen Aufnahmen für Sam Phillips zog er nach Chicago, wo ihm „Chess Records“ einen Vertrag anboten, und der Sound einer neuen Ära Gestalt annahm.
´Moanin’ In The Moonlight´ versammelt zwölf Aufnahmen aus den Jahren 1951 bis 1959, in denen Howlin’ Wolf eine der prägendsten Stimmen des Chicago Blues einführte. Die Songs erzählen dabei von Verlangen und Verlust, von dunklen Nächten und lodernden Emotionen, getragen von Musikern wie Hubert Sumlin an der Gitarre, Willie Johnson, Jody Williams, Otis Spann, Willie Dixon und Earl Phillips. Jeder Ton wirkt bewusst gesetzt, jede Phrase strahlt rohe Kraft aus, und die Band verschmilzt mit Howlin’ Wolf zu einem einzigen Ganzen.

Schon die ersten Takte von ´Moanin’ At Midnight´ lassen spüren, dass man in eine andere Welt eintritt. Das wiederkehrende „mmm-hmm, mmm-hmm“ wirkt wie eine Beschwörung, die Gitarre schneidend und die Harmonika tief atmend, und sofort liegt eine Spannung in der Luft, die alles andere vergessen lässt. ´How Many More Years´ vermittelt die Qual eines Mannes, der zu viel erlebt hat, während ´Smokestack Lightnin’´ eine hypnotische Kraft entfaltet, getragen von einem einzigen pulsierenden Akkord, Hubert Sumlins minimalistischer Gitarre und Howlin’ Wolfs Heulen, das zugleich Schmerz und Erlösung vermittelt.
Andere Stücke wie ´Evil (Is Going On)´ oder ´I Asked For Water (She Gave Me Gasoline)´ zeigen ihn als warnenden Propheten und als leidenden Liebenden, und zwischen diesen dunklen Bildern tanzen Songs wie ´All Night Boogie´ oder ´Moanin’ For My Baby´, die mit Leichtigkeit grooven, ohne dass der Schatten seiner Stimme verloren geht. Selbst die ruhigeren Lieder, etwa ´Somebody In My Home´ oder ´No Place To Go´, entfalten eine bedrückende Intensität, die weit über das klassische Blues-Schema hinausreicht.

Howlin’ Wolf selbst war eine imposante Erscheinung, groß, kräftig, doch immer verwurzelt in seiner ländlichen Herkunft. Diese Erdverbundenheit spiegelt sich in jedem seiner Songs. Gitarre, Harmonika und Klavier sind kein Beiwerk, sie sind Teil des Herzschlags der Musik. Seine Themen – Liebe, Verrat, Schmerz, Lust – stammen aus der Erfahrung, aus dem Leben.
Die ursprünglichen Aufnahmen waren roh, ja fast lo-fi, doch die neue Edition hebt diesen Klang, ohne ihn zu glätten. Sie lässt Raum, Körper und Präsenz erklingen und zeigt, wie lebendig und unmittelbar Howlin’ Wolfs Musik war. Das schwere Vinyl und das glänzende, dicke Gatefold machen das Album zu einer greifbaren Hommage, die das Hören zu einem Erlebnis macht.
´Moanin’ In The Moonlight´ erzählt nicht nur die Geschichte eines Mannes, sondern die Geschichte des Blues selbst, der aus den Südstaaten kommt, elektrisch klingt, laut ist und ungezähmt wirkt. Es ist die Geschichte eines Künstlers, der seine Stimme nicht nur gefunden, sondern in ihr gelebt hat. Wer dieses Album auflegt, hört nicht nur Musik, man taucht ein in eine Welt, die dunkel, schimmernd und voller Leben ist, ein Vermächtnis, das den Blues unvergesslich macht.
(Meisterwerk)



