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HAWKWIND – Space Ritual

1973/2024 (Cherry Red/Atomhenge) - Stil: Space/Psychedelic Rock

Im Dezember 1972, in London und Liverpool, hoben HAWKWIND mit dem Mutterschiff ab. Die Crew bestand aus Dave Brock an der Gitarre, Lemmy Kilmister am Bass, Simon King an den Drums, Nik Turner an Saxophon und Flöte, Bob Calvert als lyrischem Kommandanten, Dik Mik an den Audio-Generatoren und Del Dettmar an den Synthesizern. Dieses Septett erschuf eine Musik, die urtümlich und futuristisch zugleich vibrierte, als hätte sie das All selbst geboren.

Del Dettmar war kein klassischer Musiker, sondern ein Roadie, geschult bei den Pretty Things und Arthur Brown, dessen elektronische Architektur die Sounds zu einem wirbelnden Klanguniversum verschmolz. Nik Turner jagte durch Frequenzen, unbeeindruckt von Bierdosen und Störungen, während Lemmy Kilmister und Simon King ihre Wurzeln aus Opal Butterfly und anderen Bands einbrachten, um die Triebkraft des Raumschiffs zu formen. Dave Brock und Bob Calvert verfolgten die Vision einer interstellaren Space-Opera, in der Musik das Raumschiff antreibt, genährt von der Energie des Publikums, gespeist durch Science-Fiction-Romane, die Texte von Michael Moorcock, Gedichte und die Musik der Sphären, die wie kosmische Ströme in jede Show einflossen.

Die Bühne verwandelte sich in ein Raumschiff, das das Publikum in die Umlaufbahn katapultierte. Stacia tanzte im Licht der Laser, halbnackt, wie eine Göttin zwischen Sternennebeln, während Liquid Len, der legendäre Licht-Zauberer, Muster, Nebel und geometrische Formen in die Luft malte, als würden die Sterne selbst den Takt angeben. Über 200 Slides glitten über die Leinwände, Sci-Fi-Cover, Horror-Szenen und Mandalas, die den Raum mit Visionen füllten. DJ Andy Dunkley führte durch das Ritual, sein Wirken wie ein Navigator zwischen den Lichtwellen und Klangströmen.

Die Show begann mit einem Free-Comic-Programm von Barney Bubbles, das an jeden Besucher verteilt wurde, als sei es eine heilige Karte für die Reise ins Unbekannte. Dann erklang Bob Calverts monotone, hypnotische Stimme, wie die eines Weltraumpriesters, der die Sterne beschwört: „This is your captain speaking… your captain is dead…“ – der Countdown zum Start des Raumschiffs. Kein Applaus unterbrach die Maschine HAWKWIND, die im unaufhörlichen Dauerbetrieb brummte, während das Publikum, wie in Trance versetzt, die Schwerkraft vergaß und zwischen den Lichtstrahlen schwebte.

´Earth Calling´ eröffnete die Zeremonie. Nebel, Verzerrung und Signale aus unbekannten Dimensionen verschmolzen zu einem Dreiklang aus Zerstörung und Schöpfung, gespielt von Dave Brock, Lemmy Kilmister und Simon King, die die Luft mit Vibrationen füllten, als würde die Halle selbst aufwachen und atmen, während der Klang durch jede Faser der Zuschauer schoss.

´Born To Go´ entfesselte zehn Minuten der reinen Triebkraft. Lemmy Kilmister donnerte den Bass wie ein brennendes Triebwerk, Nik Turners Gesang dehnte Worte ins Nichts, und Dave Brock schickte wahnsinnige Wah-Wah-Schüsse ins All, jeder Beat ein Meteorit, der den Boden erzittern ließ und die Sinne wie Schwerelosigkeit verschob.

´Down Through The Night´ formte eine Oase im Chaos, sphärischer Blues, fast melancholisch, doch schwebend und hypnotisch. Lemmy Kilmister hielt die Schwerkraft, während Nik Turner und Dave Brock durch die Sternennebel jagten, Riffs und Saxophonlinien zu Lichtstrahlen wurden, die durch den Raum schnitten.

´Lord Of Light´ und ´Space Is Deep´ verschmolzen pop-psychedelische Riffs mit metaphysischer Dichte. Bob Calvert rezitierte Michael Moorcock – „Space is infinite. It is dark.” – und seine Worte schnitten wie Lichtkegel durch die Dunkelheit der Konzerthallen, während Gitarren, Bass und Synthesizer die Luft mit kosmischer Energie füllten.

Dave Brock lenkte das Hawkcraft mit verzerrten Gitarrenriffs, die wie Laserstrahlen durch die dunkle Konzerthalle schnitten, während sein Feedback mit Nik Turners Saxophon verschmolz und die gesamte Halle in einen schwebenden Klangstrom verwandelte. Lemmy Kilmister spielte den Bass als pulsierendes Herz des Raumschiffs, massiv, druckvoll und unaufhaltsam, sodass die Zuschauer buchstäblich auf den Sitzen vibrierten.

Simon King setzte mit seinen Motorik-Schlägen rohe, explosive Kraft frei, die sich gegen jede Schwerkraft zu stemmen schien, während Nik Turner wie ein außer Kontrolle geratener Satellit durch Frequenzen jagte, unbeeindruckt von fliegenden Bierdosen oder sonstigen Störungen, jede Note ein Meteoritenschlag im Schwebezustand des Hawkcraft. Bob Calvert vereinte Poet, Cyborg und Raumpriester in einer einzigen Präsenz, seine Stimme psychedelisch, apokalyptisch, absurd-komisch und doch hypnotisch, wie ein Funksignal aus den Tiefen des Alls.

Dik Mik verwandelte mit seinen analogen Synthesizern und Generatoren die Band in ein lebendes Raumschiff, das pulsierend, vibrierend und atmend durch die Konzertlandschaft raste, während Del Dettmar die elektronische Architektur errichtete, die sich mit Gitarren, Bass und Saxophon zu einer epischen Trance verwob, die jeden Anwesenden direkt in die Sphären ekstatischer Energie schleuderte.

´Orgone Accumulator´ war funky, verspielt und experimentell, ein Tribut an Wilhelm Reich und die Headshop-Kultur der 1970er Jahre. Bob Calvert sang tatsächlich und monotone Ironie traf auf Lemmy Kilmisters Bass-Gewitter, die die Zuhörer zwischen Lachen, Staunen und Trance taumeln ließ.

´Brainstorm´ wurde zum schwarzen Loch aus zwei Akkorden, getrieben von Simon Kings Motorik-Drums. Punkiges Tempo, hypnotische Wiederholungen, wütende Gitarre, donnernder Bass und Nik Turners Saxophon jagten parallel durch Raum und Zeit, als würden Teilchen und Sterne in einem unendlichen Wirbel verschmelzen.

´Seven By Seven´ und ´Time We Left This World Today´ kombinierten Melancholie mit kosmischer Auflösung. Bob Calvert wurde zur Stimme menschlicher Fragilität, während Dave Brock mit Riffs die Planeten erzittern ließ, und der Zuhörer driftete durch Lichtjahre und Weltraumschrott, getragen von einem Klangstrom, der alles um sich herum auflöste.

´Master Of The Universe´ entfesselte die finale Spirale. Bass, Gitarre, Drums, Saxophon und Synthesizer kollidierten in einem orchestrierten Chaos, Bob Calvert sprach apokalyptisch, Michael Moorcocks Dystopie floss durch die Lautsprecher, und die Bühne verwandelte sich in ein Sternenreich, in dem die Instrumente zu Asteroiden wurden, die sich wie Planeten um die Band drehten, während das Publikum in die Umlaufbahn gezogen wurde, gebannt von der überwältigenden Energie.

Die Aufnahmen von ´Space Ritual´ waren alles andere als steril. Übersteuerung, Nebengeräusche und Feedback-Schleifen aggregierten mit der rohen Energie der Band, die unter dem Einfluss von LSD spielte. Gerade diese Rohheit erzeugte die Magie der Auftritte. Ungebremste Kontrolle, totale Hingabe und physische Präsenz verschmolzen zu einem psychedelischen Orkan aus Sound, Licht und Vision, der das Publikum unmittelbar in den Bann zog.

Die rudimentäre Technik – 16-Spur-Aufnahmen, analoge Synthesizer, Overdrive, Laserlicht und Improvisation – verwandelte jeden Fehler in Magie. Jeder Song wurde zu einem Modul im Hawkcraft, jeder Ton ein Antrieb, der die Halle, die Musiker und das Publikum in eine tranceartige Umlaufbahn erhob. So entstand nicht nur ein Konzert, sondern ein interstellares Ritual, in dem sich Musik, Performance und Science-Fiction zu einer einzigen Energie bündelten.

´Space Ritual´ definierte Space Rock neu. Laute, psychedelische, rohe Klanglandschaften hüllten die Zuhörer ein wie ein halluzinogener Orkan aus Stahl, Laserlicht und Sternenstaub. Kaum ein Album vermochte es, seine Hörer so direkt in unbekannte Dimensionen zu schleudern. Musik wurde zu einem Bewusstseinsstrom, Performance zu einem Raumschiff, in dem jede Note und jede Projektion Teil einer orchestrierten Ekstase war.

HAWKWIND prägten damit nicht nur Krautrock und Stoner Rock, sondern beeinflussten Punk, Hard Rock und elektronische Avantgarde. ´Space Ritual´ erreichte Platz neun der UK-Charts, die einzige Top-Ten-Platzierung der Band, doch Ranglisten waren nebensächlich. Es war ein Erlebnis, eine Energieübertragung, eine Transformation, die weit über Noten und Texte hinausging.

Die rohe Energie von Lemmy Kilmister floss später zu Motörhead, und die hypnotischen Wiederholungen der Band hinterließen Spuren im Punk und Hard Rock. Lange Jams, endlose Schleifen und psychedelische Klangräume inspirierten Sleep, Electric Wizard und Monster Magnet. Licht, Bewegung, Tänzer und Visuals setzten Maßstäbe für moderne immersive Festivals. Die Fusionierung von Science-Fiction, Lyrik und Musik durch Michael Moorcock, Bob Calvert und Dave Brock schuf ein Universum, das noch heute als Vorlage für kosmische Geschichten dient.

´Space Ritual´ ist mehr als ein Live-Album. Es ist ein interstellares Ritual, eine Legende, ein Kosmos aus Sound, Performance, Poesie und Science-Fiction, der Musik und Realität sprengt. Wer das Album hört, betritt ein Universum, in dem Zeit, Raum und Gravitation sekundär sind, ein hypnotisches Dauerfeuer, das Generationen geprägt hat, ein Raum, in dem jeder Ton, jedes Feedback und jeder Laserstrahl wie eine Rakete durch den Geist schießt und die Sinne in schwebende Bahnen katapultiert.

(Klassiker)

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