
JOE HERTENSTEIN TRIO FEAT. MICHAEL MOORE & MICHAEL FORMANEK PLUS RAY ANDERSON – The 7th Dinner LIVE
2025 (Fundacja Sluchaj) - Stil: Jazz
Joe Hertenstein war nie ein Musiker, der das Offensichtliche gesucht hätte. Er lässt lieber entstehen, als dass er konstruiert. Auf ´The 7th Dinner LIVE´ zeigt er nun, wie ein Abend, eine Begegnung zur Musik wird, die lange nachhallt. Gemeinsam mit Michael Moore, Michael Formanek und dem unwiderstehlich expressiven Ray Anderson entfaltet sich hier ein Konzertmitschnitt, der die Balance zwischen Spontanität und Struktur wahrt. Somit ist ´The 7th Dinner LIVE´ eine Einladung zu einem Fest des Zuhörens und des Miteinanders.
Joe Hertenstein, dieser Schlagzeuger mit der unstillbaren Neugier, kennt die Bühne wie andere ihr Wohnzimmer. Er spielt, als würde er den Raum nicht nur besetzen, sondern beleuchten. Michael Moore, mit seinem wandlungsfähigen Ton zwischen Altsaxophon und Klarinette, legt Linien von gläserner Präzision und zugleich tiefer Menschlichkeit. Michael Formanek, dessen Bass nie nur begleitet, sondern erzählt, bringt einen Erdton ins Spiel, der alles zusammenhält. Und dann Ray Anderson, eine Trombone-Stimme, die flucht und jubelt, allerdings dabei immer wieder die Grenze zwischen Humor und Ernst verwischt.
´The 7th Dinner LIVE´ ist kein typisches Live-Album. Es atmet die Unmittelbarkeit der Bühne in Berlin, St. Johann und Cormons, und doch hat es eine Geschlossenheit, als wäre alles in einem Moment entstanden. Titel wie ´Alles Jutta (For Jutta Hipp)´ oder ´Ballad For Paul & Poo´ tragen die Handschrift eines Schlagzeugers, der weiß, dass Musik immer auch Erinnerung ist – an Freunde, an Gesten, an den Augenblick, der vergeht. Zwischen den Stücken lodert ein Geist von Free Bop, ein Schimmer der alten europäischen Avantgarde und zugleich eine tänzelnde, swingende Leichtigkeit, die sich nicht festlegen lässt.
Ray Andersons Trombone wirbelt hinein wie ein Kommentator, Michael Moore antwortet mit leiser Ironie, Michael Formanek hält dagegen mit stoischer Ruhe – und Joe Hertenstein, der Kapellmeister ohne Taktstock, schiebt, treibt, zieht, als würde er das Ganze von unten her zum Schweben bringen. Das ist kein Kampf um Raum, sondern ein gelebter Dialog. Man hört Musiker, die sich gegenseitig erfinden. Jeder Einsatz ist überlegt, jede Pause gewagt, jedes Zusammenspiel ein kleiner Triumph des Moments. In dieser Konstellation leuchtet noch einmal auf, was Jazz im Kern ist: Kommunikation in Echtzeit, gelebte Freiheit ohne Pose.
´The 7th Dinner LIVE´ ist ein Mitschnitt, der bleibt. Er spricht mit Nuancen, mit Rhythmus, mit Intelligenz. Es ist die Summe von vier Biographien, die in Bewegung bleiben wollen. Und es erinnert daran, dass selbst erfahrene Musiker immer noch über sich hinauswachsen können.
(8,5 Punkte)