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EGO ON THE ROCKS – Acid In Wounderland

1981/2025 (MiG Music) - Stil: Psychedelic / Space Rock

Als sich 1979 die Wege von Jürgen Rosenthal und Detlev Schmidtchen nach ihrer Zeit bei ELOY trennten, war das kein Bruch, sondern eine Befreiung. Beide hatten mit ´Dawn´, ´Ocean´ und ´Silent Cries And Mighty Echoes´ entscheidend zur klanglichen und geistigen Identität der Band beigetragen. Rosenthal, der mit seinen symbolisch aufgeladenen Texten und seinem markanten Schlagzeugspiel schon zuvor bei den SCORPIONS auffiel, und Schmidtchen, dessen sphärische Keyboardflächen das kosmische Fundament der ELOY-Alben bildeten, suchten nach neuen Ausdrucksformen jenseits des galaktischen Bombasts.

Ihr gemeinsames Projekt EGO ON THE ROCKS entstand als Versuch, Musik, Sprache und Philosophie in ein eigenes System aus Klang und Bedeutung zu überführen. Der Titel ´Acid In Wounderland´ spielt dabei mit der Doppeldeutigkeit von Wunde und Wunder, von Verwirrung und Erleuchtung. Das Ergebnis ist eine eigenwillige Klangreise zwischen Elektronik, Rock und akustischem Experiment, die sich eher als Hörfilm denn als klassisches Album begreifen lässt.

Schon der Beginn überrascht mit einem O-Ton von Herbert Wehner, bevor sich in ´7 To 7 Or 999 To 99 Hope´ eine rockige Energie entfaltet, die bald in atmosphärische Collagen übergeht. Die Stücke verbinden rhythmische Strukturen mit Sprachfragmenten, Zitaten und Soundeffekten, die wie zufällig auftauchen und doch präzise gesetzt wirken. In ´Mystik +1+9+8+0´ rezitiert Rosenthal Verse des französischen Dichters Arthur Rimbaud über gläsernen Synthesizerflächen, während Schmidtchens Keyboards sirren und flirren, als wollten sie sich aus der Schwerkraft lösen.

Trotz des experimentellen Charakters bleibt das Album erstaunlich zugänglich. Rosenthals Schlagzeugspiel hält die Musik zusammen und führt sie immer wieder zurück auf die Erde. Schmidtchens Melodien entfalten sich zwischen sphärischen Sequenzen und kantigen Gitarrenlinien, deren roher Klang einen reizvollen Kontrast zu den weiten elektronischen Räumen bildet. Seine Stimme mag nicht die Kraft eines Frontsängers haben, doch gerade in ihrer Verletzlichkeit spiegelt sich die Intention des Projekts – das Ego, das nicht glänzt, sondern reflektiert.

´Acid In Wounderland´ war ursprünglich als Trilogie geplant, blieb aber das einzige Album des Duos. In einer Zeit, in der elektronische Musik und Progressive Rock als überholt galten, stießen Schmidtchen und Rosenthal mit ihrem Konzept auf Unverständnis. Die Veröffentlichung auf Vinyl verlief unspektakulär, und die Pläne für eine Bühnenadaption zerschlugen sich bald. Erst 1998 wurde das Werk durch die Wiederveröffentlichung bei “Second Battle” wiederentdeckt. Nun erscheint es bei “MiG Music” in einer neu aufgelegten und abermals erweiterten Fassung.

Erwähnenswert sind die Bonustitel zweiffelsohne, darunter das fast zwanzigminütige ´Once In Africa 1´, das mit tranceartigen Sequenzen, percussiven Schüben und hallgetränkten Gitarren eine Atmosphäre zwischen meditativer Weite und kontrolliertem Chaos erzeugt. Diese Erweiterung fügt sich organisch in das Gesamtbild des Albums ein und verdeutlicht, wie weit Schmidtchen und Rosenthal ihrer Zeit voraus waren.

Auch nach fünfundvierzig Jahren wirkt ´Acid In Wounderland´ nicht nostalgisch, sondern eigenwillig modern. Es ist eine Platte, die sich einer klaren Zuordnung entzieht und gerade darin ihre Faszination entfaltet. Rosenthal und Schmidtchen schufen hier ein Werk, das nicht zurückblickt, sondern sich in alle Richtungen öffnet – ein Stück vertonter Utopie aus einer Zeit, in der die Grenzen des Progressive Rock bereits zu bröckeln begannen.

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