
Wenn Robert Plant ruft, dann klingt es heute nicht mehr nach den stürmischen Fanfaren von LED ZEPPELIN, sondern nach stillen Tälern, nebligen Hügeln und einer Runde ums Feuer. ´Saving Grace´ ist kein Album für die Stadien, sondern für den alten Holztisch in der Scheune, wenn der Regen gegen die Bretter prasselt und die Gläser beschlagen.
Mit Suzi Dian an seiner Seite und der kleinen, verschworenen Schar von SAVING GRACE, hat Robert Plant ein Werk hingelegt, das so bodenständig ist wie frisch gebackenes Brot. Zehn Lieder, allesamt aus fremder Feder, doch durch und durch in seine Stimme und seine Truppe hineingesogen. Das Ergebnis klingt vertraut und neu zugleich – ein Reigen aus Folk, Country und jenem bluesigen Atem, den Robert Plant nie verloren hat.
Daher ist ´Saving Grace´ nicht das erhoffte Solo-Rock-Album, es ist, wie Robert Plant es selbst nennt, „ein Liederbuch der Verlorenen und Gefundenen“. Entstanden in den vergangenen sechs Jahren, fand Robert Plant in seinem geliebten „Shire“ eine neue Heimat im Klang. Dort, zwischen Cotswolds und walisischer Grenze, traf er auf die Musiker, die nun sein engster Kreis sind: Suzi Dian, Oli Jefferson, Tony Kelsey, Matt Worley und Barney Morse-Brown. Eine Gemeinschaft, die nicht nur spielt, sondern teilt – Lachen, Erinnerungen und Lieder.
Los geht’s mit ´Chevrolet´, einem alten Stück, dessen Grundlagen schon Memphis Minnie und Kansas Joe McCoy in den 1930ern schufen. Robert Plant macht daraus eine rumpelnde, aber sofort in den Bann ziehende Einfahrt, ein grooviges Scheunenlied mit manischer Banjo-Säge und dem Schub eines alten Pickups. In ´As I Roved Out´ streift er durch die Tradition, wie eine mehrstimmige Wandergesellschaft über die Felder Irlands, begleitet von Sam Amidons Arrangement, das den Staub der letzten Jahrhunderte in sich trägt, aber auch Suzi Dian als wunderbare zweite Stimme.
´It’s A Beautiful Day Today´ schimmert wie ein sonniger Morgen, zart und hell, mit einer sich immer weiter in den Vordergrund singenden Suzi Dian. Eine MOBY GRAPE-Perle, die hier zum ländlichen Muntermacher-Walzer wird. ´Soul Of A Man´ von Blind Willie Johnson bringt dagegen mit Matt Worleys Stimme eine rauere Farbe hinein. Robert Plant tritt zurück, bläst ein wenig Harmonica, und lässt das Lied zum Lagerfeuer-Blues werden. Und dann kommt ´Ticket Taker´, ursprünglich von THE LOW ANTHEM, und plötzlich stehen Robert Plant und Suzi Dian nebeneinander am Mikrofon, die Harmonien so fein verwoben, dass man an ikonische Sechzigerjahre-Folk-Duos denken muss.
Die zweite Hälfte beginnt mit dem traditionellen ´I Never Will Marry´, bittersüß und getragen, beinahe höchst harmonisch wie ein altes Seemannslied, das im Hafen hängen bleibt. ´Higher Rock´ der Singer-Songwriterin Martha Scanlan aus Montana gibt Suzi Dian anschließend genügend Raum für ihre eigene Stimme, klar und frei, bevor sie mit ´Too Far From You´ endgültig beweist, dass sie Robert Plants stärkste Partnerin seit Sandy Denny ist. Sarah Siskinds Lied, einst in einer TV-Serie gelandet, wird hier zu einem der Höhepunkte des Albums, getragen von Suzi Dians Stimme und Robert Plants behutsamer Zweitstimme.
´Everybody’s Song´ zeigt dann eine andere Seite. Ursprünglich von LOW, präsentieren sie einen aufregenden Scheunenstampfer, mit rhythmischem Puls und östlichem Flair in den Gitarren. Ein kleiner Gruß an die alten ZEPPELIN-Tage, ohne dabei je in Nostalgie zu versinken. Schließlich schließt ´Gospel Plough´ den Kreis. Dieses hundert Jahre alte Spiritual singen Robert Plant und Suzi Dian als sanftes, fast demütiges Schlusswort.
Man spürt in jedem Ton dieses Werkes, dass dies keine Soloschau von Robert Plant ist, sondern ein eingeschworenes, eingespieltes Kollektiv auftrumpft. Robert Plant wollte nicht, dass sein Name im Vordergrund steht, sondern die Gemeinschaft. Er mag der bekannteste unter ihnen sein, doch das Album trägt die Handschrift aller Beteiligten. Und genau darin liegt seine Kraft.
´Saving Grace´ klingt nicht nach Showbiz-Glamour oder pompöser Nostalgie, sondern nach Heimkehr. Nach Kindheit im Black Country, nach Geschichten im Pub, nach langen Abenden im Grenzland. Ein Album, das bewusst kleiner denkt, aber größer wirkt. Robert Plant erscheint hier nicht wie der Löwe, der er einst war, sondern wie ein alter Hirte, der Geschichten singt – mit Wärme, Würde und einem Augenzwinkern.
´Saving Grace´ fühlt sich an wie ein langer Abend auf dem Land. Man sitzt auf der alten Veranda oder in der Scheune, lauscht dem Knistern des Feuers, hört Banjo und Gitarren durch die leisen Windstöße wehen, während die Stimmen von Robert Plant und Suzi Dian wie späte Sonnenstrahlen über Felder und Dächer gleiten. Jede Melodie trägt Staub von alten Pfaden und den Atem neuer Wege zugleich. Wer Muße und Geduld mitbringt, entdeckt kleine musikalische Schätze zwischen Blues, Folk und Country – funkelnd wie Morgentau auf dem Gras, voller Wärme, handwerklicher Sorgfalt und stiller Freude. Für dieses heimelige Werk darf man daher ruhig ein sattes Achtel Korn vergeben – also 8,5 von 10 Punkten, zum Innehalten, Genießen und Wiederkommen.
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