
ME AND MY TWO HORSES – And The People––Ah, The People––
2025 (Fidel Bastro) – Stil: Avantgarde Music
Es gibt Musik, die man hört, und Musik, die einen aus der Welt zieht. ME AND MY TWO HORSES gehören zu letzterer Sorte. Hamburgs bestgehütetes Geheimnis, Kristin Theresa Drechsler, legt uns ihr zweites Album ´And The People––Ah, The People––´ vor und es erscheint wie ein Labyrinth aus Klang, Dunkelheit, Puls, Schmerz, Schönheit und Widerstand.
Acht Songs, acht Räume, acht Atemzüge, die uns nicht mehr loslassen. Keine Band, kein Schutz, keine Sicherheit, nur rohe, ungezähmte Musik, Art Brut, roh und unbarmherzig, aufgenommen in ihrem Proberaum, gemischt und gemastert, jedes Geräusch, jede Floor-Tom, jede Drone-Metal-Gitarre, jeder Atemzug ihrer Stimme ist unverfälscht, unvermeidbar, zwingend.
´Alone´ beginnt wie ein Flüstern aus der Kindheit, Edgar Allan Poes Worte schlagen wie Herzschläge, metallische Gitarren-Drones winden sich wie Nebel um uns, Akkorde drehen Kreise, die Stimme schwebt, stürzt, schneidet ins Mark, zieht uns in eine Welt, die immer anders war, in der Leere, die uns formte, in die Einsamkeit, die wir nie verlassen haben, und wir taumeln durch diese Räume, allein, zusammen, berauscht von jedem Ton, von jedem Schatten.
´Waltz´ kippt uns in den Fiebertraum eines zerplatzten Traums, Herzschlag wird Flut, Blut wird Tanz, die Uhr bleibt stehen, Könige und Königinnen existieren nur als Erinnerungen, als Trugbild, die Stimme schwebt, stürzt, pulsiert, wir verlieren uns, wir taumeln, wir werden verschlungen vom Dröhnen, vom Puls, vom Schweben, bis wir selbst ein Teil der Musik sind, und die Musik ein Teil von uns.
´Masquerade´ bohrt in die Knochen, kalte Augen durchdringen, Glocken krachen, Ghouls rollen über uns, kein Licht, kein Zuhause, nur das Dröhnen, nur das Bohren, nur das Rollen, wir verschmelzen mit der Dunkelheit, wir sind Teil des Labyrinths, Teil der Kälte, Teil der Musik.
´Madness On The Playground´ eskaliert, ein Mantra, das taumelt, überschlägt, schreit, „Here I am“ wird zum Schlag, zur Litanei, zum Ritual, wir verlieren uns, wir lassen den Teufel herein, Gitarre kreischt, Drums schlagen, alles wird eins, wir taumeln, wir fallen, wir schreien, wir spüren, wir sind das Chaos.
´There Is Not Enough Space To Dance (But I Do It Anyway)´ springt auf, trotzig, wild, punkig, wir stolpern, lachen, schreien, stampfen, gegen Enge, gegen die Welt, gegen uns selbst, Simone de Beauvoir flüstert uns etwas zu, wir tanzen trotzdem, wir wehren uns, wir feiern den Atem, den kleinsten Schritt, den winzigsten Sprung, die Möglichkeit, Raum zu nehmen, auch wenn keiner da ist.
´People´ stellt uns bloß, wir stehen still, hören die Frage, spüren die Anklage: „Are you human?“ alles, was wir wussten, alles, was wir taten, alles entgleitet, Blues-Piano bricht herein, Floor-Toms explodieren, die Stimme zerreißt, wir sehen die nackte Wahrheit, wir taumeln zwischen Sinnlosigkeit und Unerträglichkeit, wir atmen Kälte, wir atmen Leere, wir fühlen uns, wir spüren uns, alles pulsiert, alles ist zugleich schwer und klar, wir erkennen uns im Klang.
´The Mermaid & The Sailor´ schwebt wie Atem auf Wasser, Märchen, Ballade, Liebe, die untergeht, Körper verschlungen, Chor reißt Himmel auf, Melodie zerbricht, Schönheit vergeht, wir sinken mit, wir fühlen das Wasser, wir fühlen den Untergang, wir fühlen das Festhalten an etwas, das niemals bleiben konnte.
Und ´Knochen´ friert alles ein, kalt, endgültig, Deutsch, Gräber, Winter statt Sommer, verlassene Orte wuchern zu neuen Kirchen, kein Wort, kein Licht, nur Knochen, nur Stille, nur der Nachhall eines Schreis, der ins Nichts fällt, und doch liegt hier Kraft, Atem, Seufzen, Aufwecken, Fühlen, Sehen, Verstehen, Transformation, roh, wild, ungebändigt, Art Brut, ein Strudel, der alles aufsaugt, der uns formt, der Herzschlag bleibt, und danach sind wir nicht dieselben, wir sind verändert, unentrinnbar, lebendig im Abgrund, lebendig in der Musik, lebendig in uns, und wir wissen, dass wir wiederkommen würden, nur um noch einmal zu fallen, noch einmal zu atmen, noch einmal verschlungen zu werden von dieser dunklen, zärtlichen, fiebrigen Welt.
(9 Punkte)
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