
HIGGS CHICKS – Doomscrolling Mit Kurt
2025 (Empathie Tonträger) - Stil: Rock / Blues / Country
Da fliegt sie also herein, diese seltsam flatternde, leicht verbeulte Klangrakete aus der Schweiz. HIGGS CHICKS nennt sich das Duo aus Marc Zimmermann (Gitarre, Bass, Piano, alles was Saiten hat) und Beat Wipf (Stimme, Steel-Gitarre, verschmitzter Charme), das sich mit ´Doomscrolling Mit Kurt´ ein Debütalbum gebastelt hat, das klingt, als hätte jemand in einer Almhütte ein ganzes Plattenregal geplündert und dann versehentlich den Stromzähler rückwärts laufen lassen.
Statt bravem Country-Schunkel gibt’s hier Country, Blues, Folk, Krautrock und elektronische Verwirrung. Alles auf engem Raum, alles mit einem schelmischen Grinsen ins Tape gekratzt. Banjo, Dobro und Lapsteel tanzen eng um Drum-Machine, Baritongitarre und „Trash-Percussion“, während dazu Texte flattern, die zwischen politischer Funkenflugerei, lakonischer Poesie und absurdem Humor pendeln. Kurt, der titelgebende Phantomfreund, grinst vermutlich irgendwo aus einer vernebelten Ecke und winkt mit der letzten analogen Zigarette.
´Poor Little Elephant´ stampft noch halbwegs artig durch die Prärie, ein bluesiger Auftakt mit Banjo und schnaufender Perkussion, bevor ´Too Much Too Soon´ wild blinkende Synthies ins Lasso wirft und uns aus dem Sattel kickt. ´Long Way Home´ ähnelt Tom Waits im Alpenanzug, etwas verschrammelt, etwas charmant und erstaunlich warm. Dann graben sie Hank Williams’ ´I’m So Lonesome´ aus und spielen es so langsam, dass man glaubt, die Zeit selbst sei eingeschlafen.
Die eigene Handschrift der HIGGS CHICKS blitzt besonders bei ´Secret Hobbies´ auf, einer schiefen kleinen Hymne mit Gitarrenfeedback und einer Prise psychedelischer Unvernunft. Und dann kommt der Titeltrack ´Doomscrolling Mit Kurt´ und er lässt den Kurt bei Americana-Feeling, Blues-Schmutz sowie elektronischen Irrlichtern endgültig im Nirwana verschwinden.
´Würmchen´ quiekt sich deutschsprachig mit NDW-Touch durch die Synapsen, ´Artists Blues´ zitiert klassisch die Muddy Waters-Schule und ´1 bis 10´ hängt melancholisch in der Luft wie eine rostige Schaukel. ´Nothing´, von Townes Van Zandt, flüstert schmerzlich schön, ´Tennessee Stud´ galoppiert charmant durch den Cash-Kosmos, und ´Wünschelfuchs´ schließt das Ganze mit marschierenden Trommeln, flackernden Lichtern und einer dicken Prise Größenwahn.
Alles ein bisschen schief, alles ein bisschen wild, aber genau darin liegt der Zauber. ´Doomscrolling Mit Kurt´ ist wie ein Flohmarktkoffer voller seltsamer Instrumente und guter Absichten. Keine Spur von Schublade, eher ein ganz eigenes, krautbluesiges Universum. Und wenn man einmal hineingetappt ist, summt man später noch diesen sonderbaren Beat, irgendwo zwischen Sehnsucht, Widerstand und „Ach, warum eigentlich nicht“.
Kurt hätte gelächelt.
(8 Punkte – voller Eigenwilligkeit und Kult-Charakter)