
TILL BRÖNNER – Italia
2025 (earMUSIC/Kontor New Media/Edel Germany) - Stil: Italo Pop Jazz
Till Brönner ist längst kein Geheimtipp mehr – er ist der deutsche Jazztrompeter, der vom Weißen Haus bis Montreux gespielt und mit Gold- und Platinalben bewiesen hat, dass Jazz nicht elitär sein muss, sondern Herz und Ohr gleichermaßen erreicht. Mit ´Italia´ legt er nun ein Werk vor, das weniger Platte als vielmehr Erinnerungsreise ist – zurück nach Rom, zurück in die 70er, zurück in ein Europa, das vom Italo-Sound geträumt hat.
Aufgenommen in Rom, Bari und Mailand, gemeinsam mit Nicola Conte, klingt das Album wie ein Film, der die italienische Musikgeschichte durchstreift. Von der Canzone über Disco bis zur Filmmusik entfaltet Brönner eine persönliche Hommage, die von starken Gästen getragen wird.
Schon der Auftakt mit ´Estate´ macht deutlich, wie fein Brönner hier arbeitet. Sein Flügelhorn singt nicht über das Piano von Pietro Lussu hinweg, sondern verschmilzt damit, bis eine Atmosphäre von schwebender Leichtigkeit entsteht. Danach setzt ´Viva La Felicità´ einen Kontrapunkt – verspielt und beschwingt, inspiriert von der Cartoonfigur Signor Rossi und getragen von den Retro-Synthesizern Roberto Di Gioias, die die 70er-Jahre heraufbeschwören.
Bekannte Klassiker werden nicht bloß nachgespielt, sondern frisch belebt. ´Amarsi Un Po’´ von Lucio Battisti kommt als reine Instrumentalversion und lebt vom Dialog zwischen Flügelhorn und Flöten. Paolo Contes ´Via Con Me´ wird durch Mario Biondis dunklen Bariton zu einem Duett, das den Witz und den Charme des Originals bewahrt und gleichzeitig mehr Tiefe gewinnt. Mit Franco Micalizzis ´Il Trucido E Lo Sbirro´ zieht Brönner eine ganz andere Farbe hinein: funkig und treibend, eine Verbeugung vor den italienischen Crime-Soundtracks der 70er.
Ennio Morricones ´La Donna Invisibile´ öffnet den Raum ins Geheimnisvolle, beinahe Cinematische, während Giovanni Zarrella mit ´Quando, Quando, Quando´ für einen leichten, poppigen Moment sorgt. In ´Parole Parole´ tritt Chiara Civello an Brönners Seite, ihre Stimme und sein Flügelhorn antworten einander, als wären sie zwei Figuren in einem stillen Kammerspiel.
Mit ´Cosa Vuoi´ bringt Brönner eine Eigenkomposition ein, die sich nahtlos in die Reihe der Originale einfügt und seine eigene Handschrift hörbar macht. ´Travolti Da Un Insolito Destino´ von Piero Piccioni knüpft an die große Filmtradition an, ´In Alto Mare´ mit Mandy Capristo verbindet Italo-Disco mit Jazzfarben, und in ´L’unica Chance´ von Ivano Fossati bringt Sera Kalo eine soulig-urbane Note ein. Persönlich wird es in ´L’appuntamento´, wo Brönner selbst singt. Den Schlusspunkt setzt ´Arrivederci´, nur Piano und Flügelhorn, konzentriert auf das Wesentliche, fast wie ein sanft gesprochenes „ciao“.
´Italia´ ist ein Liebesbrief an die Musik Italiens, an den europäischen Sound der 70er, an Brönners eigene Jugend in Rom. Ein Album, das nach Meer riecht, nach Salz auf der Haut, nach Hoffnung und Melancholie. Es ist eine Jazz-affine Klangreise durch die italienische Popkultur. Aber vor allem ist es Italien – in all seinen Facetten.
(8 Punkte)
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Pic: copyright earMUSIC credit Gregor Hohenberg