
MEGACE – The Demo Collection
2025 (Golden Core) - Stil: Progmetal, Technical Thrash
Wenn man sich heute durch die Geschichte des Thrash Metal in Deutschland gräbt, stößt man zwangsläufig auf MEGACE – eine Band, die zwischen Hamburgs Bunkerprobenräumen und den Studios der Szene etwas geschaffen hat, das sich nie klar einordnen ließ. Thrash, ja. Progressiv, unbedingt. Aber auch melodisch, verspielt, zornig, verletzlich. Wer die beiden Studioalben ´Human Errors´ und ´Inner War´ kennt, der weiß, dass diese Band nie den einfachen Weg ging. Doch was jene Werke an Wucht und Eigenständigkeit entfalten, hat seinen Ursprung in den frühen Demos.
Mit ´The Demo Collection´ erscheinen diese Rohdiamanten nun erstmals gesammelt, klanglich restauriert und mit umfangreichem Bonusmaterial auf CD und Vinyl. Es ist nicht nur ein Dokument der Frühzeit, sondern ein Zeugnis dafür, wie MEGACE über fast zwei Jahrzehnte hinweg den Thrash weiterdachten – kompromisslos, experimentierfreudig und immer unverwechselbar.
The Sign Of The Ape (1988)
Die erste Kostprobe, aufgenommen in nur 35 Stunden, trägt bereits den Keim all dessen in sich, was MEGACE später prägen sollte. ´Exigency´ eröffnet das Tape mit purem Thrash, schnell, hart, ungebremst, doch schon im Songgerüst blitzt der Hang zu komplexeren Strukturen auf. ´Masquerade´ wirkt mit seinen wütenden Shouts beinahe wie eine Schwester von HOLY MOSES, gleichzeitig tauchen Riffs auf, die durchaus an die Frühphase von HELLOWEEN erinnern – eine Mischung, die so nur im Hamburg der späten Achtziger entstehen konnte.
Dennoch steht ´Better To Forget´ im Mittelpunkt. Über sieben Minuten zieht sich der Song, voller rhythmischer Brüche und Stimmungswechsel. Hier wagt sich Melanie Bock zum ersten Mal in melodische Höhen, ohne den Thrash-Schliff zu verlieren. Ein Stück, das damals auf unzähligen Tape-Samplern zirkulierte, denn es zeigte MEGACE von Anfang an als Band mit dem Mut, aus der Reihe zu tanzen.
This Is The News (1990)
Zwei Jahre später ist die Band gereift. Nicht nur die Besetzung hat sich geändert, auch der Sound. Aufgenommen im „Arschweh-Studio“ mit Kai Hansen an den Reglern, knallt dieses Demo gnadenlos. Schon das ´Intro´ setzt ein düsteres, fast cineastisches Signal, bevor ´Let Me Explain…´ gnadenlos losbricht. Ein Song, der bis heute exemplarisch für MEGACEs Stil steht, da groovig, komplex, voller Ecken und Kanten, und doch mit einem Refrain, der sich sofort festsetzt.
´Repetition Of Human Errors´ führt den progressiven Ansatz noch weiter, fast schon in Richtung Techno-Thrash à la MEKONG DELTA. Melanie Bocks Stimme wechselt zwischen King Diamond-artigen Höhen und aggressivem Shouting, und der Song klingt wie ein Schlagabtausch zwischen Melodie und Chaos. ´Discord´ zeigt die andere Seite der Band – akustisch eingeführt, fast zart, bevor ein schwerer Groove einsetzt, der die Spannung noch verstärkt. ´Monofaces´ schließlich treibt das Tempo in irrwitzige Höhen und schließt das Demo mit einer Attacke, die an Raserei grenzt, bevor das ´Outro´ den Kreis schließt.
Diese Aufnahmen legten nicht nur den Grundstein für das spätere Debütalbum ´Human Errors´, sie fangen auch eine Band ein, die auf dem Sprung war und dabei schon über eine Handschrift verfügte, die unverwechselbar blieb.
Pseudo Identity (1994)
Nach einer Phase des Umbruchs meldeten sich MEGACE 1994 zurück – mit neuer Besetzung und einem deutlich dunkleren, strukturierteren Sound. Produziert von Dirk Schlächter in den “Hansen Studios”, klingt das Demo fokussierter und zugleich erwachsener.
Das Titelstück ´Pseudo Identity´ verbindet Thrash und Prog auf eine Weise, die schlüssig und zwingend wirkt. ´Conclusion´ baut sich langsam auf, explodiert im Thrash-Gewitter, nur um sich in filigranen technischen Details wieder neu zusammenzusetzen. Und ´Industrial Dictatorship´ bringt die Essenz von MEGACE auf den Punkt, mit brutalen Riffs, komplexen Rhythmen, Shouts und Klargesang im Wechselspiel, sozusagen ein Meisterwerk an Dynamik. ´Cry´ schließlich zeigt die melancholischere Seite, getragen von düsteren Melodien und einer emotionalen Gesangsleistung. Schon hier deutete sich an, was später auf ´Inner War´ verfeinert werden sollte.
The After Death Recordings (2002–2007)
Als MEGACE offiziell schon Geschichte war, entstanden in Heim- und Proberaumstudios noch einmal neue Songs – nie veröffentlicht, bis jetzt. Es sind Aufnahmen voller Widersprüche, da roh und ungeschliffen, und doch mit einer Kraft, die an die besten Tage erinnert. ´Killing Thoughts´ etwa klingt wie ein direkter Nachfolger der ´Pseudo Identity´-Phase. ´Chriddles Pickel´ schwingt zwischen wütender Attacke und emotionalem Tiefgang. ´Heul 2000´ überrascht mit fast psychedelischen Gitarrenlinien, während ´Seelenfänger´ den Punk-Impuls der Band freilegt – eine Brücke zu den Wurzeln.
Man spürt, dass dies kein strategisches „Comeback“ war, sondern ein Bedürfnis, Musik festzuhalten, bevor sie verloren geht. Ein Vermächtnis, das nun endlich ans Licht kommt.
Abgerundet wird die Sammlung von Raritäten und Skurrilitäten auf der Doppel-CD mit Drumcomputer-Demos aus 1993, in denen MEGACE experimentierten, Coverversionen von EXTRABREIT (´Polizisten´), MOTÖRHEAD (´Iron Fist´, ´Metropolis´, ´Sacrifice´), PINK FLOYD (´The Dogs Of War´) oder den DEAD KENNEDYS (´Riot´). Manches davon wirkt wie eine Randnotiz, anderes wie ein augenzwinkernder Blick hinter die Kulissen – doch alles zusammen macht deutlich, wie vielseitig und spielfreudig diese Band war.
Die Veröffentlichung erscheint auch als Vinyl-Edition mit allen vier Demo-Produktionen. Während die Doppel-CD samt Bonusmaterial den kompletten Überblick bietet, setzt die LP mit einem Demo pro Seite auf ein eigenständiges, analoges Mastering mit Wärme und Druck. Klanglich ist die Veröffentlichung eine Offenbarung. Was einst auf verrauschten Tapes kursierte, wurde mit viel Liebe zum Detail restauriert. Die Riffs knallen, die Drums klingen lebendig, und Melanie Bocks Stimme hat noch immer diese schneidende Klarheit, die auch über 30 Jahre später direkt ins Herz trifft.
´The Demo Collection´ ist kein Bonus für Komplettisten, sondern ein zentrales Kapitel der MEGACE-Historie, es würdigt endlich das Material, das bis heute unter Fans Kultstatus genießt.
Die Demo-Sammlung zeigt die Entwicklung einer Band, die nie nur Teil einer Szene sein wollte, sondern immer den eigenen Weg suchte. Von den jugendlichen Exzessen des Debüts über die vertrackte Intelligenz der mittleren Jahre bis hin zu den letzten, oft düsteren Aufnahmen der “After Death”-Phase spannt sich hier ein Bogen, der MEGACE endgültig als eine der eigenständigsten deutschen Metal-Bands ihrer Zeit ausweist.
´The Demo Collection´ ist daher kein bloßer Blick zurück, sondern ein Schlüssel zum Verständnis von MEGACE. Hier tobt sich der Thrash aus, hier ringt der Prog mit dem Chaos, hier wächst eine Stimme zur Legende. Wer verstehen will, warum diese Band nie bequem, aber immer bedeutend war, findet hier die Antwort.