
London, Anfang der Siebzigerjahre. Vier junge Männer teilen sich eine Wohnung, einen Proberaum, und in nächtelangen Sessions erschaffen sie neue Welten. Martin Turner, Andy Powell, Ted Turner und Steve Upton hatten sich gesucht, und über zwei Alben – ´Wishbone Ash´ (1970) und ´Pilgrimage´ (1971) – ihre gemeinsame Sprache gefunden. Doch 1972 kommt der Augenblick, in dem sich alles bündelt. Mit ´Argus´ produzieren WISHBONE ASH kein bloßes Werk, sondern ein Monument. Die Verschmelzung von Blues, Folk, Prog und Hardrock wird größer als die Summe ihrer Teile. Zudem findet die Musik Worte von einem inneren Umbruch, von Sehnsucht, Kampf, Untergang und Erlösung.
Das Geheimnis von WISHBONE ASH lag jedoch in den Gitarren. Andy Powell und Ted Turner kämpften nicht gegeneinander um die Führungsrolle, sie umhalsten einander im Klang. Ihre zweistimmigen Gitarren-Leads waren nicht Begleitung und Solo, sondern wie Zwillingsflammen, die die Erdenschwere hinter sich ließen und Himmelssehnsucht erweckten. Aus diesem „Twin Guitar“-Feuerwerk wurde ein Markenzeichen, das später THIN LIZZY zur Vollendung führten und IRON MAIDEN zu ihren eigenen Epen inspirierte. Dass Steve Harris ´Argus´ als Blaupause für die frühen Maiden-Platten bezeichnete, ist ein Bekenntnis.
Martin Birch, noch nicht die Produzentenlegende, die er bald bei DEEP PURPLE, BLACK SABBATH oder IRON MAIDEN werden sollte, bannte als Engineer die Magie in nur einer Woche auf Tonband. Heraus kam ein zeitloser Klangmonolith. Dass das Cover von “Hipgnosis” einen einsamen Wächter zeigt, der in ein fernes Land blickt, ist mehr als nur Design. Es ist Sinnbild der Musik selbst – halb mittelalterliche Heldensaga, halb Science-Fiction-Prophezeiung.
Und dann die sieben Kapitel dieser Reise: ´Time Was´ ist das Erwachen. Akustisches Morgenlicht über englischen Feldern, drei Minuten pastoral, bevor das Gitarren-Gewitter folgt. Gitarrenläufe tanzen umeinander, Stimmen singen von Umbruch, Verlust und dem Drang, das eigene Leben neu zu ordnen. „I’ve got to rearrange my life, I’ve got to rearrange my world“ – eine Eröffnung wie ein Gelöbnis. Neun Minuten der Transformation, vom stillen Beginn bis zum ekstatischen Aufbruch.
´Sometime World´ ist die Begegnung mit einem anderen Verlorenen, einem Mann, an dem die Welt vorüberging. Ein Lied von Traurigkeit, doch nicht von Resignation – denn nach der Hälfte verwandelt es sich, nimmt Fahrt auf, steigert sich in einen Triumphzug aus treibendem Schlagzeug und jenseitigen Gitarrensoli. „Carry you, carry me, away“ – Hoffnung, die aus der Finsternis wächst.
´Blowin’ Free´ spricht von Freiheit, Jugend und der Straße. Das Riff springt sofort ins Ohr, die Stimmung riecht nach Wind, Sonne und Aufbruch. Ein Mädchen mit goldenem Haar, „blowin’ free like a cornfield“, wird zum Symbol des Unerreichbaren, zugleich Schmerz und Sehnsucht. Hymnisch, leicht, ein Stück Erinnerung, das nie vergeht.
´The King Will Come´ zieht die Geschichte ins Mythische. Marschschläge, Donner und Sturm. Eine apokalyptische Vision, in der Glaube, Schuld und Schicksal zusammenprallen. „The checkerboard of nights and days. Man will die, man be saved“ – Worte wie aus der Offenbarung, getragen von Gitarren, die wie Schwerter im Duell singen. Persönlicher Wandel wird hier zu kosmischer Prüfung, die Erzählung wölbt sich ins Archaische.
Eine poetische Rast am Fluss, bevor die letzte Schlacht beginnt, ist ´Leaf And Stream´. Akustisch, naturverbunden, eine Meditation über Vergänglichkeit, über den Menschen als Blatt, das vom Wasser getragen wird. „Find myself beside a stream, of empty thought and slow-moving dreams“.
Dann ´Warrior´, ein echter Schwur. Keine Sklaverei, nur Kampf, nur Freiheit. „I’ll have to be a warrior, a slave I couldn’t be.“ Gitarren bauen Mauern, Stimmen erheben sich, die ganze Band formt einen heroischen Aufruf. Hier erklingt das Herz von ´Argus´, ein Manifest, das spätere Epic Metal-Bands von MANILLA ROAD bis ATLANTEAN KODEX als Urschrift ihrer eigenen Mythen anerkennen.
Und schließlich ´Throw Down The Sword´. Nach dem Kampf herrscht Müdigkeit, aber auch Würde. „Throw down the sword, and leave the glory, a story time can never change.“ Der Ruhm vergeht, die Geschichte bleibt. Allein in diesem Song legt die Orgel von John Tout (RENAISSANCE) einen schimmernden Teppich unter die Twin-Gitarren, die wie zwei Sonnenstrahlen am Abendhimmel ineinandergreifen. Ein Finale von erhabener Melancholie, das die Saga beschließt, aber nicht auflöst – die Reise ist nicht zu Ende, nur diese Etappe.
´Argus´ ist eine Heldengeschichte in sieben Kapiteln. Es erzählt von Aufbruch, Prüfung, Kampf und Einsicht, von der Suche nach Sinn in einer Welt voller Wandel. Es trägt die Erde in seinen Folk-Melodien, die Schlacht im Rock, die Transzendenz in den zweistimmigen Soli. 1972 schmiedeten WISHBONE ASH eine Klangformel, die Rock und Metal gleichermaßen prägte – subtil, melodisch, unvergänglich.
Für Sammler und audiophile Hörer hat ´Argus´ eine luxuriöse Neuauflage durch “Analogue Productions” erhalten. Präsentiert wird das Album als 180g Doppel-LP-Set im 45 RPM-Format, gemastert von Sean Magee direkt vom originalen Analog-Masterband in den “Abbey Road Studios”. Gepresst wurde auf höchstem Niveau bei “Quality Record Pressings”, verpackt in ein edles, im klassischen „Tip-on“-Verfahren gefertigtes Gatefold-Doppelcover von Stoughton Printing.
Klanglich setzt diese Edition neue Maßstäbe. Feinste Nuancen in den ruhigeren Passagen kommen klar und detailreich zur Geltung, während die epischen Twin-Guitar-Riffs und hymnischen Refrains mit voller Wucht erstrahlen. Das Ergebnis ist eine audiophile Präsentation, die die Energie und Atmosphäre dieses Klassikers so eindringlich hörbar macht wie nie zuvor.
´Argus´ gilt nicht umsonst als das Meisterwerk von WISHBONE ASH – und in dieser Neuauflage wird das Album endgültig zur Referenz. Wer diese Platte liebt, wird von der Klarheit, der Dynamik und der makellosen Pressqualität begeistert sein. Das hier ist die definitive Version. Ein weiterer Triumph von “Analogue Productions” – und ein absolutes Muss für jede ernsthafte Sammlung.
Und wenn heute das Doppel-Vinyl auf dem Plattenteller kreist, dann erklingt mehr als nur Musik. Es ist ein Meilenstein der Rockgeschichte. Ein Ruf aus einer Zeit, als vier Männer in einer Londoner Wohngemeinschaft beschlossen, nicht weniger zu tun, als die Welt zu erobern – und es mit ´Argus´ tatsächlich taten.
Und so steht auch der Hörer wie der Wächter auf dem Coverartwork, der über Hügel und Horizonte blickt, vor diesem Werk: allein, aufrecht, stolz, mit Rückgrat. Er sieht Kampf, Frieden und Erlösung, Vergangenes und Zukünftiges. ´Argus´ wird zu seinem Turm, von dem aus er hinausschaut – in die eigene Vergangenheit, in die Geschichte des Rock, in das ewige Feld der Klänge, das WISHBONE ASH 1972 für immer abgesteckt haben.
(Klassiker)
Martin Turner – Bass, Gesang
Andy Powell – Lead-, Harmonie-Lead, Rhythmus- und Akustikgitarre, Gesang
Ted Turner – Lead-, Slide-, Harmonie-Lead, Rhythmus- und Akustikgitarre, Gesang
Steve Upton – Schlagzeug, Percussion