
Was ist denn nun los? Ich gebe es ja zu, einige DEATH SS-Alben seit ´Resurrection´ von 2013 verpasst zu haben. Nun, eigentlich nur ´Rock’n’Roll Armageddon´ von 2018 und ´X´ von 2021. Aber irgendwo zwischen 2013 und 2025 hat eine Kehrtwendung stattgefunden, denn aktuell sind DEATH SS wieder Heavy Metal. So wie zuletzt, für mein Empfinden 1991 auf der ´Heavy Demons´. Also kein obskurer, leicht schräger und morbider Stoff wie auf den ersten beiden Platten von 1988 und 1989, schon gar nicht so verwest und zerfallen boshaft wie auf den frühen Singles. Eher hymnisch, klassisch geradeaus, kraftvoll und melodisch. Wenn da nicht das rostige und doch Melodien in sich tragende Knurren des Vampirs Steve Sylvester wäre, das dieser Band auch bei wechselnden Instrumentalisten und Stilen innerhalb der harten Rockmusik ein unverwechselbares Gesicht schenkt.
DEATH SS waren lange nicht mehr so metallisch unterwegs. 1997 gingen sie ins Gothic Lager und nahmen noch einige Heavy Metal-Einflüsse mit, 2001 hatten sie sich zu einem düster hymnischen Elektrorock-Act mit Popappeal gewandelt und einige alte Fans verprellt. 2006 kam eine dezente Rückbesinnung und 2013 nochmal die Elektronik, gemischt mit dem klassischen Heavy Rock- und Gothic-Sound. Danach kamen fünf Stille Jahre und dann der alte Heavy Metal und eingängigere Hardrock der 80er.
Alt? Ach nun, die aktuelle Platte ist eine Zeitreise für mich in eine Epoche, wo ich des Heavy Metals jener Tage fast ein wenig überdrüssig wurde. Ihr neuer Melodic Sound mit Keyboards hat zuweilen eine symphonische Komponente, die mich an diese Zeiten denken lässt, wo wir TRVE METAL Gatekeeper und Warriors den Feind tatsächlich in den eigenen Reihen suchen mussten. Und die Italiener spielen auch sehr begradigt und zugänglich auf. Da ist aber so ein makaberer Bei- und nekrotischer Nachgeschmack. Steve Sylvester wäre nicht er selbst, wenn er denn dem Kommerz komplett seine Seele verkauft hätte.
Gut, ich meine, wenn das Album schon an zweiter Stelle einen nach amerikanischem Mittachtzigerstandard wirkenden Stadionrocker mit hymnischem Refrain und sehr geilen Gitarrenleads auffährt, dann könnte der Fan von okkult obskurem Metal geneigt sein, genau das zu behaupten.
Aber mit dem treibenden Headbanger ´Possession´ ist danach alle wieder gerettet. Der rostige Gesang von Steve bringt ein herrlich schräges Element, die Riffs sind eigenartig, der Mittelpart etwas verquerer. So geht das Spiel dann aber immer weiter. Heavy Metal mit Keyboards und symphonischer Seele und coole Hardrocker geben sich die Klinke in die Hand, aber die Qualität stimmt und der Entertainmentfaktor ist noch.
Du hörst Dir die Platte an mit all ihren goldigen Horrorsound-Keyboards und dem Geknurre von Steve und verlierst Dich in den vielen Soli von Gitarre und Synthesizer, wobei letztere die Brücke zu den klassischen 70er Tastenhelden schlagen, lässt Dich auf die eine oder andere Schmachtballade ein, die eine unheimliche Tragik ausstrahlt und fühlst Dich gut damit.
Ich als Rocker mit Leidenschaft für die 80er fühle mich sehr gut damit. Aber mir geht ja auch der 80er taugliche Art Pop Rock der neuen BANCO-Platte rein. DEATH SS machen ihre Sache hier hervorragend. Sie tragen mich zurück in eine ungezwungenere Zeit, wo die Lederjacken noch Fransen, die Männer noch Schnurrbart und die Damen noch Intimpelz haben durften, wo die Definitionen noch klarer und die Bedeutsamkeit stärker spürbar waren. Ja, in der Tat sind die schweren Dämonen hier betagter, grauer, aber immer noch bissig und gefährlich.
Vielleicht schreib ich hier einen Käse zusammen, aber es ist gerade 4h50 morgens, Schlaflosigkeit plagt mich und der so vertraut und doch erfrischend wirkende AOR, Glamrock, Sleazerock und Heavy Metal-Mix mit Hautqualität wiegt mich in einzigartiger Geborgenheit und schenkt mir Linderung.
Da kommt dann ein melodischer Powerpoprock mit durchaus melancholischer Schlagseite und durchdringend zauberhaften Keyboardläufen gerade richtig, dem 80er Spirit des Albums noch eine goldene Krone aufzusetzen. Wer mag denn nur der ´Evil Painter´ sein? Mutmaßungen bitte nicht aussprechen.
Mein Fazit lautet, hier mit meinem Geld einen musikalischen Seelenbalsam erkauft zu haben, der mich in eine dunkel samtige Fantasiewelt voller schräger Helden und liebenswerter Monstrositäten entführt, wo sich Gut und Böse auflösen und nur die pure und eventuell etwas dekadente Lebenslust ohne Reue zählt. Diese Platte ist eine Traumreise und bringt Dich immer wieder heil, aber emotional reicher und erfüllter nach Hause. Sie ist perfekt zwischen rauer Schrägheit und mainstreamiger Zugänglichkeit ausbalanciert und hätte damals, fast 40 Jahre früher, zu einem der größten Hardrockklassiker werden können. Wo ist die verdammte Zeitmaschine?
(9,5 Punkte)