MeilensteineSpezielles

Ozzy ist tot. Lang lebe Ozzy.

Er ging, wie er lebte: laut, wild und für die Ewigkeit.

Die Bühne ist leer. Die Lautsprecher erloschen. Die Fledermäuse verstummt. Die Welt steht still, denn mit dem Tod von Ozzy Osbourne ist eine Ära vergangen, die lauter, wilder und legendärer nicht hätte sein können. Der Madman, der Godfather of Heavy Metal, der Prince of Darkness, hat nun seinen letzten Vorhang betreten, doch sein Vermächtnis hallt ewig in unseren Köpfen wider. Nicht nur als einstiger Frontmann von BLACK SABBATH, sondern vor allem als Solokünstler in den Achtzigerjahren hat Ozzy Osbourne sich selbst neu erfunden.

Aus der Asche verstoßen, ins Chaos gestürzt, und dabei zum dunklen König einer neuen Metal-Dynastie aufgestiegen. Sein Solo-Debüt ´Blizzard Of Ozz´ (1980) war nicht einfach ein Album. Es war ein Aufschrei, ein Donnerschlag, der die Welt erschütterte. Und aus diesem Sturm kam er, der ´Crazy Train´, diese unaufhaltsame, elektrische Dampframme von einem Song. ´Crazy Train´, ein Riff, das für die Ewigkeit gebaut wurde. Jeder Ton, jede Sekunde, reine Energie, pure Rebellion, Ozzy pur. Und wer könnte jemals vergessen, wie er uns mit ´Mr. Crowley´ in okkulte Klangwelten entführte, mit schneidender Gitarre von Randy Rhoads, als würde Luzifer persönlich dirigieren. Oder ´Goodbye To Romance´, die bittersüße Hymne eines entgleisten Lebens, verletzlich, zerbrechlich und gleichzeitig unendlich groß. Und dann kam der Moment, in dem die Nacht sprach ´Steal Away (The Night)´, ein finaler Schlag ins Licht, mit einem letzten Triumphschrei auf dieser Platte, der alles sagte: Ozzy ist zurück. Für immer.

Nur ein Jahr später enthüllte er ´Diary Of A Madman´ (1981). Wahnsinn auf Band gebannt. Und wieder dieser Einstieg. Diesmal mit ´Over The Mountain´, ein Sturmritual. Doch es war ´Flying High Again´ bei dem Ozzy über sich hinauswuchs. Ein Manifest des Exzesses, der Freiheit, des Rauschs. ´You Can’t Kill Rock And Roll´! Wie wahr, Ozzy. Denn du selbst warst unsterblich, noch zu Lebzeiten. Zwei Jahre später heult uns ´Bark At The Moon´ (1983) entgegen – und wir heulten mit! ´Now You See It (Now You Don’t)´, dieser Stampfer, dieser Groove, wie ein tanzender Werwolf in der Hölle, und ´Centre Of Eternity´ ließ keine Zweifel, Ozzy war nicht mehr nur Rocker, er war ein Mythos.

Dann drei Jahre später der musikalische Sündenfall ´The Ultimate Sin´ (1986). Die dunkle Pracht von ´Secret Loser´ explodierte wie ein Spiegelbild seiner zerrissenen Seele und blieb für immer im Ohr; ebenso ´Killer Of Giants´, ein Epos für Generationen, majestätisch und tieftraurig zugleich. Doch es war ´Shot In The Dark´, das ihn endgültig unsterblich machte. Ein Song wie ein schwarzer Diamant, der bis heute in jeder düsteren Diskothek die Nacht durchbohrt. Und ein weiteres Mal loderten die Flammen in ´No Rest For The Wicked´ (1988): ´Bloodbath In Paradise´, ´Tattooed Dancer´ und ´Demon Alcohol´ – Songs wie Drogen, wie Zähne aus Stahl, wie ein taumelnder Tanz auf dem Vulkan. Und Ozzy? Er sang, als gäbe es keinen Morgen.

Nun ist allerdings dieser Morgen gekommen. Er hat die Dunkelheit umarmt, um in ihr zu leuchten. Er war mehr als nur Rock’n’Roll. Er war Ozzy. Er war die Stimme einer Generation, die Faust gegen das Establishment, das Lachen des Wahnsinns, die Träne des verstoßenen Engels. Rest in Power, Prince of Darkness. Legenden sterben nicht. Sie heulen den Mond an, brennen in der Nacht und fliegen ewig hoch.

Jetzt höre ich seine Stimme – und weine. Nicht leise, nicht heimlich. Laut, trotzig, wie ein Kind, dem man den Freund genommen hat. Die Tränen brennen, aber sie sind ehrlich, Schmerz und Dankbarkeit in einem.

Michael Haifl

 

„We love you all…“

– Ozzy Osbourne

 

… und wir lobpreisen unsere Lieblingswerke von ihm:

 

Never Say Die (1978)

Warum diese? Immerhin ist sie wohl aus der Ozzy-Phase von BLACK SABBATH die am wenigsten geliebte Platte. 1978 erschienen, markierte sie den Abgesang des späteren Mad Man bis 2013. Angesichts der Qualität der Songs, nein, der Hardrock – und Protometal-Hymnen auf diesem Meisterwerk kann ich schmähende Kritik nicht nachvollziehen. Nun war sie auch meine erste, Anfang 1990 von meinem Cousin Gerhard ausgeliehen. Ich hatte 1989 in meiner BEATLES- und generell 60s Pop- und Rock’n’Roll-Hochphase mit knapp 15 so gar kein Ohr für harten Rock. Aus Versehen habe ich mir als Kassette die ´Come Taste The band´ von DEEP PURPLE gekauft, war mir zu hart. ´Helter Skelter´ von den BEATLES, unsäglicher Krach.

Aber so langsam kam es und zusammen mit der ersten VAN HALEN-LP (zufällig auch eine 78er Scheibe) kam dann ´Never Say Die´ zu mir und der treibende Opener und Titelsong hatte mich sofort. ´Never Say Die´ treibt mit einer unbändig lebensfrohen Gesangsmelodie aus den Boxen, Iommis einfache, aber total eindringliche Akkordfolgen jagen Dir Endorphin-Schübe durch die Adern. Der Mittelteil zeigt schöne akustische Gitarrenmelodien. Wow, was für ein Abritt und aufgrund seiner Wucht schon echter Heavy Metal.

Dem stellen sie als zweiten Song die sleazig schmierige Hymne ´Johnny Blade´ gegenüber, die mit einem morbiden Synthesizer-Lauf beginnt, als schaue man sich einen alten Horrorfilm an. Die Hammer Horror-Atmosphäre macht dann einem wirbelnden Gemenge aus Schlagzeug und Moog-Synthesizer mit gemeinem Klang den Weg frei und Iommi darf seine schmutzigsten, gemeinsten und mithin coolsten Riffs bis dorthin und für immer fort hinzufügen. Ozzy, ach, der liebe gute Ozzy, er singt vom Gangleader Johnny der Klinge und das mit einem Unterton, als wäre er selbst sein Protagonist. Das gemeine Grinsen ist inklusive. Im Laufe des Stückes ziehen BLACK SABBATH die Geschwindigkeit heraus, stampfen herum wie dereinst acht Jahre zuvor, aber eher im lässigen Schlendergang. Wären da Iommis weiterhin so schmierig dreckige Gitarrenmelodien und Akkordfolgen nicht. Aber nach dem fast boshaften Part kommt ein Mittelteilrefrain, der versöhnlich stimmt, sehr weit offen ist und eine episch erhabene Stimmung verbreitet. Eine Bridge mit wirbelnden Synthesizern und Ozzys Gesang leitet in einen verspielten Part über, der wiederum in den flotteren Soloteil übergeht und Tony Iommi den Freiraum für eine seiner Sternstunden bietet. Im Grunde ist es auch kein Mittelteil, sondern eher der zweite Songabschnitt. Selten hat man von BLACK SABBATH solch eine kreative Nummer gehört.

Irgendwie schienen die Aufnahmen ja komisch zu sein. Erst war Ozzy abgedampft, nachdem sein Vater verstorben war. Zuviel für den geplagten Geist. Der Drogenkonsum war zu jener Zeit unglaublich, die Band angeschlagen und oft kaum mehr spielfähig. Bei ihrem Plattenlabel waren gerade die Frischlinge VAN HALEN neu am Start und die Förderung für die “älteren” BLACK SABBATH (Ozzy und Band waren 29, 30, VAN HALEN alle  fünf bis sogar sieben Jahre jünger) wurde gedrosselt. Interimssänger Dave Walker (u.a. SAVOY BROWN und FLEETWOOD MAC) hatte schon am Kompositionsprozess zur neuen LP teilgenommen, musste dem Rückkehrer Osbourne aber seinen Platz wiedergeben. Ozzy hingegen verweigerte der Band seinen Gesang zu Songs, die mit Walker geschrieben wurden. Daher sind ´Breakout´ ein Instrumental und ´Swinging The Chains´ ein Gesangseinsatz für Drummer Bill Ward. Aber dazu kommen wir noch.

Die Band komponierte also im Studio weiter. Und das merkt man diesem Album nicht an. ´Junior’s Eyes´, eine weitere Hymne. Zurückhaltend in der Strophe, aber mit coolem Beat, dann volle Kraft Hymne im Refrain. Melancholisch, da zwar für und mit Dave Walker komponiert, aber auf Ozzy umgeschrieben, der hier den Tod seines Vaters verarbeitet. ´Hard Road´ beschließt die A Seite, jap, ich hab noch das alte 78er Scheibchen auf “Vertigo”. Leider nur noch ohne Swirl. ´Hard Road´ ist ein gemütlicher Boogierocker mit einem stoisch im Shuffle verharrenden Bill Ward, der hier und da durch einzelne Schläge Akzente setzt. Die optimistische Atmosphäre des Titelsongs wird fortgesetzt in Strophe und Hymnenrefrain. Iommi hat hier tolle Leads im Song, teilweise mehrere verschiedene gleichzeitig, sprich durch Overdubs im Studio, da ein einzelner Gitarrist das so nie spielen könnte. Er scheint sich erst mit sich selbst duellieren zu wollen, setzt dann aber zu einem coolen Solo an, das sogar ein wenig Southern Rock-Feeling mit sich bringt.

Mit einer Schockwelle allergeilsten Hardrocks beginnt die B-Seite, ´Shock Wave´, ein weiterer verkappter Klassiker, groovy, optimistisch, voller Leidenschaft und Adrenalin, coole Gesangslinien, verschiedene Parts, die in ihrer Abfolge Sinn ergeben und den Song gut geschmiert rollen lassen. Wenn ich einen alten Mustang hätte, der würde über die Anlage laufen. Ab auf die Piste und immer gibt ihm. Dann der ´Air Dance´, stampfend mit einem Gitarrenriff, dass irgendwie nicht weiß, ob es einfach vor Lebensfreude übersprudelt oder eine eigenartige Sentimentalität mit sich führt, höchster Wiedererkennungswert garantiert. Die Strophe hat eine verträumt melancholische Herbstatmosphäre mit perlendem Klavierspiel von Legende und Tausendsassa Don Airey, der hier sämtliche Tasteninstrumente spielt und u.a. vorher und nachher bei WHITESNAKE, Gary Moore, Ozzy Osbourne solo, RAINBOW, COLOSSEUM II und anderen spielte und natürlich seit 2002 bei DEEP PURPLE agiert. Ein absoluter Virtuose und wegen ´Johnny Blade´ mein Held. Er kann ja sogar ganz zart. Das lässt Tony Iommi nicht auf sich sitzen und legt einige schöne unverzerrte Melodien und coole Riffs dabei. Aber das wäre noch nicht alles. Auf einmal kommt eine absolute Traumsequenz von tiefer Schönheit und Nachdenklichkeit, in der sich Piano und Gitarren sanft umgarnen. Dann ein Wirbel vom Schlagzeug, die Gitarre röhrt und die Band explodiert in eine eruptive Hardrock-Passage hinein, die eine weitere Bridge nimmt und auf einmal einen fröhlich umhertänzelnden Prog- und Jazzrock erklingen lässt. Ich liege derweil wie vor 35 Jahren juchzend und verzückt darnieder und werde mir bewusst, wie leichtfüßig die Band sich hier durch mehrere Stile spielt und alles zusammenpasst. Wenn die wirklich bei der Aufnahme der Platte menschlich so fertig waren, dass sie niemals wieder etwas mit diesem Album zu tun haben wollten, dann hat es zumindest kreativ etwas gebracht. Wieder umspinnen sich die Läufe von Iommi und Airey hier und auch wenn es Soli sein sollen, so stecken sie voller durchdringender Melodien, welche die vorangegangene Melancholie mit ungebremster Lebensfreude durchbrechen.

´Over To You´ setzt wieder auf entspannten, aber coolen Hardrock. Auch wenn die Refrain-Passagen einmal mehr ein wenig verträumt wirken, was an Aireys perlendem Piano liegt, während er beim eröffnenden Kraftriff noch eine Hammondorgel drüberlegt. Diesen Kontrast aus ruhigen und melodiegesättigten Momenten und hartem Rock hab ich damals wohl sehr geliebt, weil ich ja von melodischerer Musik kam. Und so ist dieses Album auch mein Klassiker geworden. Die Mischung aus Härte, Melancholie und Lebensfreude mit progressiver Note hatten sie fünf Jahre zuvor auf ´Sabbath Bloody Sabbath´ erstmalig und dann gleich in Perfektion zelebriert und mit ihrem letzten 70er Album kommt sie erneut in einer abwechslungsreichen Variante, die dem fünften Werk der Briten absolut ebenbürtig ist.

Das von Ozzy verweigerte Stück ´Break Out´ beginnt schwerfällig stampfend und monolithisch, als wolle es ein weiterer Doom-Klassiker in der Bandgeschichte werden. Geiles uriges Riff, hoher Wiedererkennungswert. Und Blechbläser? Das sind doch Bläser da über den Gitarren. Zur Hölle, was? So müssen viele SABBATH-Fanatiker gedacht haben. Fanfaren von Trompeten, ein Leadsaxophon, tatsächlich auch Einlagen von Holzbläsern, aber alles irgendwie zu weit draußen in Punkto Bombast für den Liebhaber des erdig bluesigen Düsterhardrocks ihrer ersten drei Alben. Doomhardrock und Bigband Sound vereint, das war zuviel an Experimentierfreude. Ehrlich gesagt find ich das absolut geil. Weil auch hier das Talent der Band für absolute Killer-Songs durchkommt. Und weil die Platte für mich wie ein Buch, eine gute Geschichte ist, die einfach dieses wichtige Kapitel nicht auslassen kann. Ich verstehe alle Hardrocker, die solchen Schmu hassen. Ich kann aber nichts als Liebe verbreiten.

´Swinging the Chain´ hätte vielleicht eine Rückkehr zu den Wurzeln als POLKA TULK BLUES BAND, noch vor ihrer Phase als EARTH, sein können. Sleazig cooler Bluesrock mit schmutzigen Riffs, einigen Mundharmonika-Passagen, etwas behäbiger als ´The Wizard´ und ´Evil Woman´ vom Debüt, aber in ähnlicher Stimmung. Wenn die Hörer es doch nur gewollt hätten. Bill Ward singt verdammt cool, vielleicht unter dem Eindruck einiger Southern Rock-Helden, die zur gleichen Zeit aktiv waren. Er singt ausdrucksstark und bissig. Wie zur Hölle kann man solch einen Song nicht lieben?

´Never Say Die´ ist nun halt eine Platte, die Abwechslung bedeutet. Ein Schritt weg vom alten Trott, aber obschon man bei sich bleibt, ein Schritt zu weit nach Draußen. Aber sie war meine erste große Liebe, sie hat mein Herz für BLACK SABBATH und Ozzy Osbourne geöffnet und wird neben ´Sabbath Bloody Sabbath´ immer die geilste Ozzy-Platte für MICH allein bleiben.

Sir Lord Doom

 

Blizzard Of Ozz (1980)

Nach den ersten fünf monumentalen BLACK SABBATH Alben, war es mit der Beziehung BLACK SABBATH – Ozzy Osbourne und der Musik bergab gegangen. Die Wege trennten sich. Tony, Geezer und Bill wendeten sich Ronnie James Dio zu. Sie veröffentlichten im April 1980 das sehr starke “Heaven’ And Hell”.

Ozzy schien gestrandet und kam mit einem wenig bekannten jungen Gitarristen namens Randy Rhoads (spielte auf den ersten beiden QUIET RIOT Alben) und den Vollblutmusikern Bob Daisley, Lee Kerslake und Don Airey  etwas überraschend mit neuem Album im September 1980 zurück.

Und Ozzy veröffentlichte mit “Blizzard Of Ozz” für mich sein mit Abstand bestes Solo-Album mit nur absoluten Klassikern: Mit “I Don’t Know” und “Crazy Train” wurde die Messlatte sofort in die höchsten Höhen gelegt. “Suicide Solution” (für Ozzy selbst und Bon Scott geschrieben) und das absolut perfekte “Mr. Crowley” steigerten sogar noch die Qualität. “Revelation (Mother Earth)”….Alle neun Songs absolute Metal Evergreens.

Und ein Ozzy Osbourne so gut bei Stimme wie fast niemals zuvor. Ozzy, das Stehaufmännchen, das oft hinfiel, aber immer wieder aufstand.  Ozzy, mit Humor und Zynismus ausgestattet. Ozzy, ein Mensch wie du und ich, allen weltlichen Verlockungen ausgeliefert. Und er blieb immer eines: Ozzy, der Kumpel von nebenan. Der “Working Class Hero” aus der Malocherstadt Birmingham. Und Ozzy, der magisch geniale Gitarristen anzog.

Lemmy war der erste absolut unersetzliche Frontman im Heavy Metal – Geschehen, der uns verließ. Ozzy ist der zweite. “Oh no, no, please God, help me”. R.I.P. Ozzy.

Crazy Fact… Lemmys letztes Konzert war am 11.12.2015. Er starb 17 Tage später am 28.12.2015. Ozzys letztes Konzert war am 05.07.2025. Er starb ebenfalls 17 Tage später am 22.07.2025.

Harald Pfeiffer

 

Diary Of A Madman (1981)

Nun ist er nicht mehr unter uns. Der Prince Of Darkness. Der Junge aus der Arbeiterklasse. Der Soap Opera-Clown. Der Fledermauskopfabbeißer. Der Madman. Der Godfather Of Heavy Metal. Und last but not least: Everybody`s Darling!

Sein Name hat mich nun mehr als 40 Jahre als Musikfan begleitet, natürlich mit Höhen und Tiefen, aber was mir immer ganz besonders in Erinnerung bleiben wird, ist seine humorvolle Ausstrahlung auf der Bühne und die Verbundenheit zu seinen Fans. Ich habe ihn leider nur zweimal live erleben dürfen: 1984 im Karlsruher „Wildparkstadion“ beim „Monsters Of Rock“ (´Bark At The Moon´-Tour) sowie beim Comeback mit BLACK SABBATH 2013 in der „Festhalle“ in Frankfurt.

Ich habe dieses Album gewählt, da es der Kauf des ersten mit ihm überhaupt gewesen ist, 1981 noch ganz frisch in meiner Anfangsphase der Zuwendung für Hardrock und Heavy Metal und noch bevor ich BLACK SABBATH überhaupt gekannt hatte. Damals war das „Phora“ in Heidelberg ein wahres Vinyl-Paradies, ´Speak Of The Devil´ folgte dann später und brachte mich auch seiner Vorgängerband erstmals näher.

Die Songs auf diesem Album gehören für mich jedenfalls auch heute noch zum Besten, was Ozzy im Laufe seiner Karriere veröffentlich hat, angefangen bei seiner Stimme, die so bissig ist wie eh und je. Auch wenn er keine makellose Bandbreite besitzt, sind die Stücke wie maßgeschneidert für ihn und er verleiht den Kompositionen eben seinen unvergleichlichen Charakter – kein anderer Sänger hätte auf diesem Album so stimmig geklungen!

Die Rhythmussektion, bestehend aus Tommy Aldridge (Schlagzeug) und Bob Daisley (Bass), glänzt durchgehend, und Randy Rhoads ist schlichtweg spektakulär und hinterlässt in jedem Song seine Handschrift, seine Gitarrenläufe sprengen förmlich die Lautsprecher.

Die Band steigt dann mit einer Form des Metal ein, wie sie selbst BLACK SABBATH nie versucht hatte (am ehesten noch mit ´Children Of The Grave´), und ´Over The Mountain´ ist eine Meisterklasse des frühen Achtziger-Hardrock, gewürzt mit einem wahrhaft diabolisch klingenden Riff in der Bridge vor dem Solo.

´Tonight´ ist eine wunderschöne Ballade mit einem majestätischen Solo von Rhoads, das sich himmelwärts hochschraubt, so als würde es die Wolken über Ozzy auseinanderreißen, und Johnny Cooks Keyboard ist auf diesem Stück deutlich zu hören.

´You Can`t Kill Rock And Roll´ beleuchtet dann perfekt die zwei Seiten von Rhoads und dient gleichzeitig als ultimative Hymne für Ozzy selbst. Die Produktion ist herausragend und bietet klassische und Heavy Metal-
Elemente, die hier mühelos miteinander verschmelzen. Wenn im Laufe des Stücks die lang gezogenen, verzerrten Gitarren einen bedrohlichen Klangteppich erzeugen, bricht die vulkanische Leidenschaft förmlich an
die Oberfläche.

Meisterlich ist ebenfalls der geisterhafte Titelsong ´Diary Of A Madman´, der sich durch ein paar düstere Strophen und eine sehr eindringliche Mittelpassage bewegt, wobei im Outtro Rhoads` wütendes Riffspiel von einem Chor geisterhafter Stimmen begleitet wird.

´Diary Of A Madman´ setzte jedenfalls 1981 eindeutig eigene Akzente als ein ungemein tiefes, dunkles, stärker klassisch geprägtes Werk, das in meinen Augen seinen Vorgänger sogar noch leicht übertrifft.

Es gab jedenfalls von jeher etwas ungemein Reines an Ozzy Osbourne, das ihn für seine leidenschaftlich treuen Fans so liebenswert gemacht hat: ein Mann ohne jede Allüren und mit einem großen Herz. RIP, lieber Ozzy. Wir werden dich niemals vergessen!

Marcus Köhler

 

The Ultimate Sin (1986)

Ozzy und ich. Eine (relativ) späte Liebe für’s Leben.

Wir schreiben das Jahr 1986. Wie jeder Highlander weiß, war dies ein gutes Jahr. Der anfänglich innig geliebte Hard & Heavy war weitestgehend der Eruption des (besonders US) Metal gewichen. DEF LEPPARD, KISS oder TWISTED SISTER mussten das Tapedeck oder den Plattenteller verlassen und Platz machen für FATES WARNING, OMEN, QUEENSRYCHE, METAL CHURCH oder den einzig wahren KING DIAMOND, der wie OZZY sechs Jahre zuvor eine beispiellose Solokarriere nach (und später neben) MERCYFUL FATE startete.

Ozzy der Madman

In diesem Bällchenbad der überirdischen Entdeckungen kam irgendein Kumpel mit dem vierten Album dieses verrückten Vogels an, den ich bisher eigentlich nur auf einschlägigen Exzessiv-Parties mit ständig gespielten Evergreens wie ´Paranoid´, ´Iron Man´ oder ´War Pigs´ auf dem Schirm hatte. Irgendwie sollte BLACK SABBATH mich erst so richtig ab der Tony Martin Ära seit ´Eternal Idol´ packen und die Solokarriere ihres einstigen Madman tangierte mich vorher ebenfalls nur periphär. Welch’ einfältiger Narr ich doch war.

Ozzy die Legende.

Jeder Rock’n‘Roller, der diesen Status innehat, ist jedoch immer nur so gut wie seine Musiker – insbesondere der aussergewöhnliche Gitarrero und die Songs, die zusammen entstehen. Jake E. Lee hatte die schwierige Aufgabe, den tragisch verstorbenen und wie einen Sohn geliebten Randy Rhoads musikalisch zu beerben, wobei er jedoch ´Bark At The Moon´ und insbesondere ´The Ultimate Sin´ derart kraftvoll mit schnellen Riffs, grandiosen Licks und songdienlichen Soli veredelte, sodass auch nominell wegen ihm dieses Album mit seiner vorher kaum gekannten Dramatik für immer mein Zenit des Ozzy’schen Schaffens darstellen wird.

SEITE 1

Der Opener ´The Ultimate Sin´ war die ultimative Einstiegsdroge, nach der sofort klar war, das ich alle drei bisherigen Soloscheiben ebenfalls zeitnah benötigen würde. Mit einem fetten Riff aus der ACCEPT Trickkiste ist der Opener ein Smasher vorm Herrn und durfte auf keiner Metalparty mehr fehlen.

Overkill, enough is enough
There’s nothing left of me to devour
You’ve had your fill, I’m all I have left
What can stop your hunger for power?

Wir waren damals als Heavy Dudes fernab der mainstreamorientierten Damenwelt alle ´Secret Loser´ und hatten damit dank Ozzy unsere neue Hymne. Ein flottes Stück mit mächtig Drive und tiefgehenden Lyrics.

Seeing is not believing
It don’t mean a thing
Although it appears to be that
The loser is king
I can understand that what you see
You think is real
But underneath the surface
Is a wound that cannot heal

Spätestens beim dritten Song hätte ich laut ausrufen können: “I’ll ´Never Know Why´ I haven’t followed Ozzys Solocareer before.” Die nächste Hymne für den damaligen Outlaw, der zwar fleissig den Mainstream verfolgte, aber innerlich doch mit Blick auf die vielen Teds, Poser und Popper stets dachte:

We rock, rock, rock
You’ll never know why
We rock

Ozzy der Pazifist

Schon das brillanteste Plattencover in Ozzys Discografie von dem in Fantasykreisen vergötterten Boris Vallejo (damals Dauergast beim Heavy Metal-Comicmagazin) legt unmissverständlich das sich durch die Texte ziehende Thema vom nuklearen Albtraum dar. ´The Ultimate Sin´ hätte gerade im Jahr 1986 im Deutschland nahe an der Airbase Ramstein auch „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Stoppt das Wettrüsten“ heißen können.

Textlich war Ozzy fast schon Bruder im Geiste von Udo Lindenberg, der sich bereits 1981 schon fragte ´Wozu sind Kriege da?´ Was heutzutage fleißig überall eingesetzt wird, wurde damals zu „Abschreckung“ in Rekordzahlen produziert. Die Sinnlosigkeit von Kriegen mit Massenvernichtungsmitteln wurde nicht erst jetzt durch Ozzman thematisiert. Einerlei, liebe Staatsoberhäupter und Rüstungsindustrie: ´Thank God For The Bomb´.

When war is obsolete
I’ll thank God for war’s defeat
But any talk about hell freezing over
Is all said with tongue in cheek
Until the day the war drums beat no more

Ozzy der Hippie

´Never´ zeigt unseren Ozzman wieder von seiner sehr persönlichen, verletzlichen Seite. Er gab sich oft auch als Suchender, man macht schliesslich seine Drogenexperimente bekanntlich nicht nur zu Partyzwecken, sondern auch zur Bewusstseinserweiterung. Ozzy sehnte sich nach Frieden… für die Welt und wohl auch für sich selbst

If the Messiah is coming, will he be too late
To reconcile our tears with our hate?
And the memory of freedom that imprisons our heart
As we’re greeted by the cold hand of fate

It’s never too late to cry
It’s never too late for goodbyes
It’s never too late to cry
You know you were born to die
Oh, God

Interludium

Ozzy der Livetitan

Er lebte für die Bühne. Ich durfte ihn einige Male erleben. Es spielt keine Rolle mehr, daß er 1989 in Dortmund auf dem Metal Hammer-Festival total fertig war und gefühlt alle 2-3 Songs von der Bühne musste, während ein junges Kerlchen namens Zakk Wylde mit ewigen Solis überbrücken musste. Immerhin hielt er sein Versprechen einer besonderen Überraschung, die sich als Wassereimer herausstellte, die er fleissig ins Publikum schüttete, während wir immer noch auf Ex-Runaway Lita Ford zum Duett hofften.

Es spielt keine Rolle mehr, daß wir 1998 bei Rock am Ring so besoffen und klatschnass waren, daß wir den Madman eher am Rande wahrnamen. Es spielt keine Rolle mehr, daß Ozzy uns alle mit BLACK SABBATH als topfittes Stehaufmännchen 2013 wieder mal in der Dortmunder Westfahlenhalle oder 2016 als auch 2018 Solo auf dem Copenhell komplett weggefegt hat. Egal in welchem Zustand er war – er gab stets sein Bestes. Für seine Fans. We love you all.

SEITE 2

Ozzy der Rock’n’Roller

´Lightning Strikes´ ist eines der rockigen Lieder, die neben fast musicalartigen ruhigen Stücken seine ersten drei Soloscheiben ausgemacht haben und man könnte diesen Song fast als die Antwort auf den ewigen KISS-Gassenhauer ´Rock And Roll All Nite´ sehen, wobei Ozzman wahrscheinlich mehr Party every Day hatte – zumindest härtere statt sexuellere. Ozzy der Drogie.

I won’t stop rockin’ all night, rockin’ all night
Until the lightning strikes again

Ozzy der Gigant

Schon von Anfang an fand man mit ´Mr. Crowley´ oder ´Diary Of A Madman´ auf Ozzy Alben wahrhaft epische Übersongs und der ´Killer Of Giants´ reiht sich nahtlos in die Reihe ein. Nach den ersten Textzeilen und Ozzys dramatischem Gesang sind jegliche weiteren Worte komplett überflüssig.

If none of us believe in war
Then can you tell me, what the weapons for?
Listen to me everyone
If the button is pushed, there’ll be nowhere to run, oh

Ozzy der Kasper?

“Wer ist der größere Narr? Der Narr oder der Narr, der ihm folgt?” Diese Zeile vom cleveren Obi-Wan möchte ich gerne all’ denen widmen, die versucht haben, Ozzy als Witzfigur darzustellen oder ihn einfach ohne Hintergrundwissen als solche sehen, „Die Osbournes“ geglotzt und sich dumm darüber amüsiert haben. Ozzy hatte laut seinen Freunden, die ihn wirklich gekannt haben, einen grandiosen Humor und musste nicht den Deppen spielen – er war so, wie er nunmal war. Nur ein ´Fool Like You´ versteht elementare Dinge des Lebens und seine Protagonisten nicht. That’s true.

By a fool like you, by a fool like you
Looks like haunted I will be by a fool like you
That’s true

Mit einem fulminanten ´Shot In The Dark´ endet die beste Ozzy, die es je gab. Ein Evergreen von Hit, der DIOs ´Rainbow In The Dark´ in nichts nachsteht.

But just like the wounded, and when it’s too late
They’ll remember, they’ll surrender
Never a care for the people who hate
Underestimate me now

Epilog

Ozzy der ewige Anheizer

Wie schon erwähnt, gab er alles auf der Bühne, die sein Leben veränderte. Und so werde ich ihn immer in Erinnerung behalten. Mit drei seiner auf jedem Konzert verkündeten Slogans:

Clap your fucking hands!“
I can’t fucking hear you!“
I love you all!“

I love you too, Ozzy. Forever and ever.

Less Leßmeister

 


Bild: Craig ONeal / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

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