
Dieses Album atmet Portugal, nicht das Portugal der Reiseführer, sondern das echte, das gelebte, sonnenverbrannte und herzgetränkte. João Morais alias O GAJO, einst Rocker, dann Punker, nun Poet an der Viola Campaniça, wandert mit ´Trovoada´ (dt. „Gewitter“) mutig weiter auf dem Pfad zurück zu seinen Wurzeln. Gleichzeitig geht er jedoch einen Schritt nach vorn, indem er erstmals seine Stimme erhebt. Nun verleiht er auch seinem bisherigen instrumentalen Kosmos solo oder im Chor eine menschliche Note. Dadurch kreiert er ein Album, das pulsiert, träumt, kämpft und liebt.
´Trovoada´ ist ein echtes Werk von einem, der weiß, woher er kommt. Es erscheint als schweres 180g-Vinyl bei “European Phonographic” und klingt nicht nur musikalisch wunderbar rund, es fühlt sich als Vinyl auch großartig an. Das Cover-Artwork und die liebevoll gestaltete Innenhülle mit Texten unterstreicht die Wertschätzung von Musik und Künstler als echtes Erlebnis.
Bereits das eröffnende ´Baile De Búfalos´ begeistert, perkussiv und wild, wie ein Dorffest in Flammen. ´Pedra Sobre Pedra´ schichtet Groove auf Groove, zu diesem ehrlichen Gesang. Mit ´Filhos Do Vendaval´ und ´Marabunta´ wird das Album zu einer tanzenden Fata Morgana. Die Folk-Stimmung stampft, springt und fliegt.
Für diese wirken an der Seite von João Morais einige Musiker, die genauso tief in dieser musikalischen Erde graben wie er selbst. Isaac Achega bringt mit feinem Gespür die Percussions zum Glühen, Francesco Valente groovt am Bass durch Dick und Dünn, während João Martins (Cavaquinho, Flöte, Sanfona) und Diana Ferreira (Adufe, Dudelsack) folkloristische Farben stimmungsaufhellend in den Wind streuen.
Doch das Werk kennt auch die Stille. ´Flores Silvestres´ blüht leise, fast schüchtern, ganz in der Poesie des Lichts. In ´Mar De Gente´ ist diese uralte Melancholie der portugiesischen Seele, diese Sehnsucht zwischen Fado und Fernweh zu spüren, und mit ´Barca Do Inferno´ öffnet sich ein düsterer Pfad, ein vielschichtiges Stück, das die Linie zwischen Musik und Sinnbild verwischt, ehe der alte Mann auf der Bank vor dem Haus beim Vorbeigehen in ´Velho Tocador´ unbemerkt zum Abschied nickt.
´Trovoada´ von João Morais alias O GAJO ist keine Folklore für Touristen, auch wenn es die Gegenwart durch das Auge der Tradition betrachtet. Es ist kein Album, das man hört, es ist eines, das man spürt. In den Füßen. Und im Herzen. Wer Portugal erleben will, braucht kein Flugticket, sondern nur diese Platte und ein offenes Ohr. Am besten bei einem Glas Vinho Verde, draußen, wenn die Sonne untergeht. Santé et saudade!
(8 Punkte)