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DEATH – Symbolic

1995/2025 (Roadrunner) - Stil: Technical Death Metal

´Symbolic´ ist der musikalische Meilenstein von DEATH und eine Blaupause für das, was progressiver Death Metal sein kann. Chuck Schuldiner versammelte hier wieder einmal eine Band aus großartigen Musikern, um etwas zu erschaffen, das musikalisch, technisch und emotional in seiner Vielschichtigkeit bis heute unerreicht bleibt.

DEATH waren zu Beginn der Neunzigerjahre die wahren Vorreiter für die technische und progressive Weiterentwicklung des Death Metal. Während ihre frühen Werke wie ´Scream Bloody Gore´ (1987) oder ´Leprosy´ (1988) das rohe Fundament legten, bereicherte der technische Aspekt die Werke ´Human´ (1991) und ´Individual Thought Patterns´ (1993). ´Symbolic´ (1995) katapultierte das Genre schließlich in eine neue Dimension. Die Songs wurden technisch komplex, emotional intensiv, melodisch vielschichtig und blieben trotzdem brutal. Der Einfluss auf nachfolgende Bands wie CYNIC, ATHEIST oder moderne technische Death Metal-Acts war enorm.

Denn auf ´Symbolic´ traf Genie auf Virtuosität: Chuck Schuldiners enormes Gespür für technische Raffinesse und melodische Schönheit, seine scharfen Riffs und atemberaubenden Leads. Bobby Koelbles harmonisch ausgefeilten Riffs und eigenständigen Leads. Gene Hoglans brutale Präzision, seine komplexen, oft ungeraden Taktarten und sein unglaubliches Gefühl für Groove und Dynamik. Kelly Conlons satter, warmer Ton und gelegentliche melodische Linien, die den Bass als eigenständiges Instrument zelebrieren. Und dann noch die Produktion von Jim Morris im legendären “Morrisound Studio”, die jedes Instrument in den Vordergrund holt, klar, kraftvoll, transparent, und selbst heute noch frisch und modern.

Der Opener und Titeltrack ´Symbolic´ ist die perfekte Symbiose von roher Death Metal-Gewalt und progressiver Songstruktur. Das sofort ins Ohr gehende Riff ist technisch anspruchsvoll, mit schnellen Wechslern zwischen Powerchords und komplexen Leadlinien versehen. Die Dynamik des Songs lebt von ihren häufigen Tempowechseln, von mittelgroovigem, fast stampfendem Rhythmus zu furiosem Thrash-Speed, der den Adrenalinpegel nach oben jagt. Gene Hoglans Schlagzeug treibt mit wuchtigen Zerstörungsorgien auf dem Weg zum Höhepunkt und feinen Fills das Ganze an, ohne das Chaos gänzlich ausbrechen zu lassen. Chuck Schuldiner und Bobby Koelble setzen ihre Gitarren präzise ein und schaffen einen dichten, nie überladenen Soundteppich. Die Leads sind melodisch und wirken eher wie ein musikalisches Gespräch, das Spannung und Emotionen aufbaut. Lyrisch verarbeitet der Song existentielle Themen, wobei Chuck Schuldiners Stimme sowohl verletzlich als auch fordernd klingt. Es ist die perfekte Symbiose aus Technik und Gefühl.

´Zero Tolerance´ ist ein atmosphärischer Song, der durch sein zurückhaltenderes Tempo eine ganz andere Stimmung erzeugt als der Opener. Das Intro baut mit dissonanten Gitarren und subtil eingesetzten Effekten eine fast mystische Atmosphäre auf. Die Riffs sind schwer und druckvoll, das Schlagzeug spielt mit viel Raum und setzt gezielt Breaks, die Spannung erzeugen. Gene Hoglan agiert zurückhaltender, setzt aber mit präzisen Kraftakten wichtige Impulse. Der Pre-Chorus wird im Befehlston geschrien, während sich im Refrain der Song gemächlicher öffnet, fast hymnisch wird und so die düstere Grundstimmung kontrastiert. Die Melodien sind eingängiger und hypnotischer, schaffen eine fast tranceartige Wirkung, sofern nicht einer der drei Solo-Abschnitte wieder alles in Brand steckt. Textlich pendelt der Song zwischen innerer Unsicherheit und der Suche nach Kontrolle, was den emotionalen Tiefgang noch verstärkt.

Spannend ist bereits der Beginn von ´Empty Words´. Eine düstere, akustische Einführung mit verzerrten Effekten und einer fast schon bedrückenden Atmosphäre baut langsam die Spannung auf, bevor das volle Brett mit harten Riffs und schnellen Drum-Patterns einsetzt. Eindrucksvollerweise lebt der Song von der Balance zwischen ruhigen, fast nachdenklichen Momenten und explosiven Ausbrüchen. Die Gitarren wechseln zwischen aggressiven Rhythmusparts und melodischen, fast singenden Soli, die dem Stück eine zusätzliche emotionale Ebene verleihen. Gene Hoglan wechselt mühelos zwischen Blastbeats und groovigen Rhythmen und donnert zum Refrain ordentlich rein, seine Fills wirken dabei nie willkürlich, sondern erzählen quasi eine eigene Geschichte. Chuck Schuldiner schmettert obendrein ein geradezu fliehendes Solo heraus. Die Lyrics sprechen von Konflikten und innerem Kampf, was musikalisch perfekt umgesetzt wird.

Auch in ´Sacred Serenity´ sind die progressiven Ansätze des Albums ausfindig zu machen. Die düstere und epische Grundstimmung, getragen von schweren Riffs und druckvollem Drumming, drängt zielstrebig auf den melodischen Refrain zu.  Doch nach einem beinahe orientalischen Solo überrascht in der Mitte des Songs eine kurzfristige Ruhephase, fast schon meditativ, mit cleanen Gitarren und sanfter Basslinie. Dieser Kontrast ist enorm wirkungsvoll, ehe die Spannung mit einem abrupten Schlussteil wieder aufgebaut wird. Die Schlagzeugarbeit ist dabei besonders hervorzuheben, da sie mit subtilen Taktwechseln und gezielten Akzenten die Atmosphäre verstärkt, ohne die Balance zu verlieren. Lyrisch spielt der Song mit Gegensätzen wie Ruhe und Rage, Leben und Tod, ein emotionales Wechselbad.

´1000 Eyes´ geht dann nochmal so richtig aus sich raus. Der Song wirkt wie eine Explosion aus Chaos und Energie, getrieben von brachialen Riffs und einer Rhythmussektion, die keine Gnade kennt. Die Gitarren sind komplex, mit häufigen Taktwechseln und verschachtelten Patterns, die man auf Anhieb kaum greifen kann. Das Schlagzeug setzt polyrhythmische Akzente, die sich mit präzisen Blastbeats abwechseln, sozusagen ein Schlagzeug-Solo im Kontext des Songs. Die Atmosphäre ist beklemmend und intensiv, unterstützt von den düsteren Lyrics, die von Überwachung und Paranoia handeln. Die ständige Bewegung im Song hält den Spannungszustand zudem fortwährend aufrecht.

´Without Judgement´ ist manisch aggressiv und zeigt DEATH von ihrer härtesten Seite. Die Riffs sind messerscharf, technisch ausgefeilt und trotzdem brutal, die Gitarren ein echter Genuss. Virtuos und emotional ist auch das Solo, das den Song strukturell auflockert und für Abwechslung sorgt. Es führt zu rhythmischen Verschiebungen, die das Gesamtbild noch abwechslungsreicher gestalten. Lyrisch ist der Song kritisch und philosophisch, Schuldiner reflektiert über Vorurteile und die Grenzen menschlicher Urteilsfähigkeit. Die Performance wirkt authentisch und mit voller Energie, insbesondere im zackigen Refrain.

Der technisch extrem anspruchsvolle Klassiker ´Crystal Mountain´ verbindet Härte und Melodie auf perfekte Weise. Die Gitarrenarbeit ist herausragend, präzise Riffs treffen auf eingängige Leads, die den düsteren Charakter des Stücks unterstreichen. Auf dem Weg zum legendären Refrain, der nicht nur eingängig ist, sondern auch die düstere Thematik in sich trägt, entspannt sich immer wieder die Härte. Das Schlagzeug ist schnell, präzise und dynamisch. Die Songstruktur ist abwechslungsreich, mit Tempowechseln und solistischen Passagen, die das Stück spannend halten, bis zum Saitenklimpern beim Ausklang.

Eines der schnelleren und progressiveren Kompositionen ist ´Misanthrope´. Komplizierte Rhythmuswechsel verschmelzen mit brillanter Gitarrenarbeit, Taktarten wechseln ständig, die Melodien sind komplex, fast jazzig, und doch passt alles zusammen, als wäre es eine perfekt geölte Maschine. Gene Hoglan zeigt sein Können mit präzisen Fills und ungewöhnlichen Akzenten, die dem Song eine spezielle Würze geben und Chuck Schuldiner legt ein extremes Solo hin. Das Stück wirkt insgesamt wie eine musikalische Reise durch düstere, verstörende Landschaften, die direkt mit dem neuerlichen Refrain, der sich immer mächtiger und schneller aufbaut, endet.

Das epische Finale ´Perennial Quest´ ist über acht Minuten lang und ein regelrechtes Meisterwerk der Songstruktur. Das verwickelte Stück ist voller Tempo- und Stimmungswechsel, von melodischen Passagen bis zu wilden, fast chaotischen Ausbrüchen ist alles dabei. Die Band zeigt ihre experimentelle Seite, mit vielen Stopps, ohne die Zugänglichkeit zu verlieren, vom schwerfällig langsamen Pre-Chorus bis zum rasanten Refrain sowie beiden hintereinander abgefeuerten Solo-Gitarrenläufen. Die Gitarren wechseln ohnehin zwischen filigranen Leads und aggressiven Riffs, während der Bass die Tiefen ausfüllt. Das Schlagzeug bleibt dynamisch, spielerisch und kraftvoll zugleich. Lyrisch reflektiert Chuck Schuldiner Themen wie Lebensreise, Suche und Erkenntnis. Ein würdiger Abschluss, der das Album perfekt abrundet.

´Symbolic´ sprengt schlichtweg Genregrenzen. Der musikalische Reichtum verbindet technische Virtuosität mit emotionaler Ausdruckskraft. Die Harmonik ist komplex, die Taktarten unkonventionell. Das Album balanciert gekonnt zwischen Brutalität und Melodie, Chaos und Ordnung, Progressivität und Eingängigkeit. Diese einzigartige Spannung macht den nachhaltigen Reiz aus. Chuck Schuldiner war jedoch nicht nur musikalisch ein Genie, sondern auch ein Meister der Lyrik. Seine Texte behandeln existenzielle Themen wie Tod, menschliche Abgründe, philosophische Fragen und Gesellschaftskritik. Diese Worte regen zum Nachdenken an und erreichen eine emotionale Tiefe, die man sonst eher nicht erwartet. Damit wird ´Symbolic´ zu einem wahren Gesamtkunstwerk.

´Symbolic´ ist ein Meilenstein des Progressive Death Metal, dessen Einfluss bis heute spürbar ist. Doch es ist nicht nur ein Death Metal-Album, es ist ein musikalisches Meisterwerk, das die Grenzen des Genres neu definiert hat. Chuck Schuldiner schuf eine bleibende künstlerische Hinterlassenschaft, die technische Brillanz, emotionale Intensität und philosophische Tiefe in perfekter Balance vereint.

(Klassiker)

“Roadrunner Records” bringt das Kultalbum in einer neu aufgelegten Vinyl-Edition zurück – für Sammler und Klangpuristen. Lange war es um ´Symbolic´ auf schwarzem Gold still, doch zum 30-jährigen Jubiläum feiert das legendäre sechste Album von DEATH endlich seine Rückkehr ins LP-Regal, nachdem im vergangenen Jahr bereits alle anderen Werke als farbige “Splatter-Reissues” ins selbige gewandert sind. Ein Meilenstein kehrt zurück – und klingt zeitlos wie eh und je.

Chuck Schuldiner – Gitarren, Gesang, Bass
Bobby Koelble – Gitarre
Kelly Conlon – Bass
Gene Hoglan – Schlagzeug

https://www.facebook.com/DeathOfficial

 

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