MARK MASTERS ENSEMBLE – Sam Rivers 100
2025 (Capri Records) - Stil: Jazz
Mark Masters ist seit Jahren ein gefragter Arrangeur im modernen Jazz. Seine Jazz-Hommagen sind meist mehr als nur Ehrungen, sie sind Studien über Struktur, Geist und Klang. So auch ´Sam Rivers 100´, ein Album als Hommage an Sam Rivers, der 2023 hundert Jahre alt geworden wäre.
Mark Masters breitet den komplexen Kosmos von Sam Rivers mit fast schon kammermusikalischer Präzision frisch aus. Er konzentriert sich dabei auf Sam Rivers’ frühe “Blue Note”-Phase, besonders auf die sechs Stücke von ´Fuchsia Swing Song´ (1964). Denn dieses Album zeigte Sam Rivers’ freigeistigen Charakter in Melodie und Rhythmus.
Mark Masters nimmt den Stücken ihre wilde Art, aber lässt ihren Geist unangetastet. Er verwandelt sie in ein vielschichtiges, orchestral anmutendes Klangwesen für ein 14-köpfiges Ensemble. Dabei schafft er es, Sam Rivers’ Spiel mit Freiheit und Form nicht zu glätten, sondern zu öffnen.
Im Mittelpunkt steht Tenorist Billy Harper. Sein kraftvoller, spiritueller Ton verbindet Sam Rivers’ expressive Abstraktion mit Mark Masters’ präziser Struktur. Billy Harper glänzt im Opener ´Fuchsia Swing Song´, unterstützt von Pianist Jeff Colella, Tenorsaxophonist Jerry Pinter und Drummer Kendall Kay. In der Ballade ´Beatrice´, Sam Rivers’ wohl bekanntestem Stück, überzeugt Billy Harper mit Würde, begleitet von Tom Luer am Baritonsaxophon.
Die neuen Versionen von Stücken wie ´Point Of Many Returns´ oder das wilde ´Downstairs Blues Upstairs´ zeigen Mark Masters’ Handschrift. Sie sind originalgetreu, aber mit harmonischer und rhythmischer Schärfe. ´Helix´ wird unter seiner Leitung zu einem atemlosen Ritt durch modale Spannungsfelder, mit brillanten Soli von Nicole McCabe am Alt, Dave Woodley an der Posaune und Bassist Chris Colangelo.
Mit ´Parts Of Speech´ und ´Calls Of The Wild´ gönnt sich das Ensemble sogar Momente der Dekonstruktion, in denen die Improvisation fast völlig frei ist. Das ist eine Anspielung auf Sam Rivers’ späten Zugang zur Formfreiheit.
´Sam Rivers 100´ ist ein Album mit Jazzgeschichte, mit wunderschöner Musik und mit Eleganz in einem modernen Big-Band-Kontext. Es ist ein sorgfältig zusammengestelltes Porträt eines Künstlers – gesehen durch die Augen eines Arrangeurs, der sich nicht nur als Übersetzer, sondern als Interpret versteht.
(8 Punkte)
