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SWANS – Birthing

2025 (Mute) – Stil: Post Rock/No Wave/Drone/Experimental

Das mittlerweile 17. Studioalbum von SWANS kratzt mit seiner Gesamtspieldauer nahe an der 2-Stunden-Marke und zeigt die legendäre Experimental-Band in einem Sound, der Elemente aus ihrer über 40-jährigen Karriere vereint.

Seit Michael Gira das Projekt vor 15 Jahren mit ´My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky´ wiederbelebt hat, haben sich die New Yorker weiter in ausgedehnte, freie Strukturen vorgewagt, und die romantische Tiefe von Giras düsterem Bariton wich dabei zunehmend wilden, ausschweifenden Erzählströmen, die teilweise auch Erinnerungen an CAPTAIN BEEFHEART weckten.

Gira hat 2025 einmal mehr die alles verschlingenden Klangwelten und intensiven Meditationen ausreichend ausgelotet, und ´Birthing´ ist als definitiv letztes Werk in der aktuellen Live-Inkarnation von SWANS eine monolithische und erdrückende Bestie von einem Abschiedswerk!

Rund zwei Stunden Spielzeit sind natürlich ein Wort, und man kann mit Sicherheit sagen, dass Unaufhörlichkeit, Übermaß und Durchhaltevermögen nach wie vor wesentliche Bestandteile des eindrucksvollen Band-Konzepts sind.

Wie seine vier direkten Vorgänger ist ´Birthing´ vom Gesamtsound wiederum ungemein weiträumig und vielschichtig, und legt los mit dem 21-minütigen, klanglich mäandernden ´The Healers´, das stark an ihre goldenen Neunzigerjahre erinnert und den Auftakt zu den grausamen alttestamentarischen Visionen bildet, die das Werk durchziehen. Traumzustände und entrückte Glückseligkeit sind hierbei zentrale Themen, die sich in einem sehr realen Gefühl des Abschieds verdichten.

Das schimmernde, ambientartige Summen von ´The Healers´ fließt dann nahtlos über in ´I Am The Tower´, in dem Gira wieder in seinen manischen, sprechgesangartigen Stil zurückkehrt, und eine der größten Stärken von SWANS war schon immer ihre Fähigkeit, einem Drone musikalische Erfüllung zu verleihen.

Der rund 22-minütige Titelsong beginnt dann mit zarten Glockenklängen und schwebenden Pads, bevor Norman Westbergs Gitarre hinzukommt und in eine weitläufige, improvisiert wirkende Lead-Line übergeht. Das Stück bewegt sich zwischen kochender, dunkler Rock-Dissonanz und klanglicher Weite, und es lässt sich kaum gegen die schmerzlich-schönen Gitarrenmelodien argumentieren, die sich hier entfalten. Giras Gesangsintonation wirkt dabei fast wie ein buddhistischer Choral – meditativ, getragen und beschwörend.

´Red Yellow´ und ´Guardian Spirits´ vermischen schließlich die vielschichtige Klangarchitektur der ´The Seer´-Ära mit der dunkleren Atmosphäre der 90er, bevor sie sogar wieder Anklänge an den lauten Industrial ihrer Frühzeit zulassen.

´The Merge´ startet dann mit einer coolen, noirartigen Basslinie, die überraschend jazzige Elemente zulässt, und bevor der Song schließlich in ein fragiles Wiegenlied zerfällt, zeigt er einmal mehr, wie sehr SWANS in all den Jahren die Klangsprache des Post Rock geprägt haben – und zwar in Form, Struktur und in Tiefe.

Die Stärke von ´Birthing´ liegt zweifellos vor allem darin, dass die Band nicht einfach in bloße Nostalgie zurückverfällt, denn sie greifen zwar stimmungsmäßig auf vertraute Klänge der JARBOE-Ära zurück, vermeiden es aber, sie zu imitieren.

Gira hatte bereits erklärt, dass dies das letzte Album in dieser epischen Dimension sein wird, was bei einem Alter von 71 Jahren durchaus nachvollziehbar ist. Es ist jedenfalls ein überaus würdevoller Rückzug, der sich nicht wie ein Abbruch, sondern eher wie eine Vollendung anfühlt.

´Birthing´ enthält einige der stärksten Songs seit der Wiedergeburt der Band 2010, und es ist ein Abschiedsgruß, wie ihn sich die Fans nicht besser hätten wünschen können.

(9 Punkte)

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Pic: Josef Puelo

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