PlattenkritikenPressfrisch

DZYAN – Time Machine / Electric Silence

1973/1974/2025 (MiG Music) - Stil: Krautrock, Jazz Rock

DZYAN wurden 1972 von fünf Musikern gegründet. Nur zwei Monate später nahmen sie ihr erstes Album auf. Dieses selbstbetitelte Debüt kam über ein kleines Plattenlabel des Produzenten Günther Müller auf den Markt. Bereits nach wenigen Monaten trennte sich allerdings die Besetzung, ohne jemals live aufgetreten zu sein.

Bassist Reinhard Karwatky ließ sich jedoch nicht entmutigen und gründete ein Trio, das den Bandnamen DZYAN übernahm. Dieses bestand aus Karwatky, dem Gitarristen Eddy Marron und dem Schlagzeuger Peter Giger. Sie schlossen postwendend einen Plattenvertrag ab und produzierten in den Jahren 1973 und 1974 die Alben ´Time Machine´ und ´Electric Silence´. Beide Alben wurden kürzlich auf einem Silberling via “MiG Music” wiederveröffentlicht.

DZYAN – Time Machine (1973)

Im Jahr 1973 bringen DZYAN mit ´Time Machine´ ein faszinierendes Album heraus. Es ist eine spannende Mischung aus verschiedenen Musikrichtungen, die sich zwischen Jazzrock, Krautrock und einem Hauch von ethnischer Musik bewegt. Seit ihrem Debüt haben sich DZYAN deutlich weiterentwickelt. Das Trio Karwatky, Marron und Giger bringt frischen Wind und zeigt, dass sie jetzt kreativ und unabhängig sind. ´Time Machine´ wird zu einer Art musikalischer Entdeckungsreise in unbekannte Klangwelten.

Die Tour startet mit ´Kabisrain´ (7:59) sofort in einer besonderen Stimmung. Die Musik wirkt wie ein Klangbad. Man hört den Kontrabass, das orientalisch klingende Saz, die akustische Gitarre und viele Percussion-Instrumente. Diese Vielzahl an Klängen schafft eine mystische Atmosphäre, vergleichbar mit den meditativen Momenten anderer Bands. Aber DZYAN wirken nie wie Nachahmer, sie ziehen ihr eigenes Ding in der deutschen Psychedelik durch.

Der zweite Song, ´Magika´ (8:45), wirbelt alles durcheinander, ein kraftvoller Ausbruch in Form von wildem Jazzrock. Vergleiche mit Bands wie MAHAVISHNU ORCHESTRA oder ZAPPA liegen in der Luft, aber DZYAN bringen ihre eigene, chaotische Energie ein. Marron spielt mit einer Leidenschaft, die die Gitarre zum Schreien bringt, während Giger mit beeindruckenden Trommelrhythmen für ordentlich Druck sorgt. Karwatkys Bass ist das Nervenzentrum des Songs und bietet dabei sowohl kraftvolle Bässe als auch melodische Unterstützung.

Nach all dem Wirbel strahlt ´Light Shining Out Of Darkness´ (3:13). Dieser kurze Song zeigt die sanftere Seite von DZYAN. Die akustische Gitarre von Marron strahlt mit Gefühl und Klarheit, während Giger einfache, aber gefühlvolle rhythmische Akzente setzt. Der Titel beschreibt das Lied perfekt. Es ist wie ein Lichtstrahl, der aus der Dunkelheit bricht.

Dann folgt das Herzstück der Platte, das Titelstück ´Time Machine´ (17:47). Dieser Longtrack führt den Hörer auf eine epische Reise durch verschiedene Klangstile. Erst schwebend, dann hypnotisch – Jazz, Rock, psychedelische Klänge und ethnische Einflüsse verschmelzen hier zu einem komplexen und fließenden Werk. Die Musiker finden eine Balance zwischen Konzeption und Improvisation. Den Hörer erwartet eine intensive und fesselnde Reise.

In der Summe (von 37:44 Minuten) zeigt sich, dass ´Time Machine´ kein typisches Album ist. Ohne klare Schublade fordert es vom Hörer Offenheit und Aufmerksamkeit. Obwohl das Album heute über 50 Jahre alt ist, klingt die Musik immer noch frisch, mutig und voller Energie, denn DZYAN waren ihrer Zeit weit voraus und produzierten eines der kreativsten Werke des Jazzrock aus den 70er Jahren in Deutschland. Ein Muss für jeden, der sich für Krautrock oder experimentelle Musik interessiert.

DZYAN – Electric Silence (1974)

Im Jahr 1974 kommen DZYAN mit ihrem dritten und letzten Album noch einmal zurück. Auf ´Electric Silence´ lösen sie die Grenzen zwischen Musik und Meditation, zwischen Komposition und Improvisation sowie zwischen westlichem Jazzrock und fernöstlicher Mystik endgültig auf. Dieses Album ist die spirituelle Vollendung dessen, was mit ´Time Machine´ begann. Diese Klangreise wird zu einer ganzkörperlichen Erfahrung. DZYAN sind derart radikal, dass sie sich nicht scheuen, alle Genre-Grenzen zu sprengen.

Das Trio Karwatky, Marron und Giger hat diesmal noch mehr Einflüsse aus anderen Kulturen mitgebracht und experimentiert mit neuen Instrumenten wie Sitar, Tambura, Mellotron, Electric Saz und vielen interessanten Percussion-Instrumenten. Das Klangspektrum erinnert eher an ein Ritual aus entfernten Ländern als an das traditionelle Jazzrock-Schema.

Der Einstieg in das Album erfolgt mit ´Khali´ (5:28) in einem schamanistischen Puls. Eine hypnotische Klanglandschaft entsteht, getragen von der Sitar und einem tiefen Bass. Die Komposition ist wie ein improvisiertes Mantra, das schwebt und gleichzeitig geerdet wirkt. Ein wahrhaft meditativer Einstieg, der tief berühren will.

Es folgt ´For Earthly Thinking´ (7:51) mit einem jazzrockigen Fundament, das wild mit schrägen Gitarrenlinien und überraschenden Rhythmuswechseln spielt. Marrons Electric Saz klingt wie eine Explosion aus John McLaughlin und anatolischer Folklore. Der Titel erhebt sich, taumelt und fliegt dann weiter. Karwatky bringt mit seinem Bass das Chaos in Einklang und sorgt dafür, dass alles zusammenpasst, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Der nächste Track, ´The Road Not Taken´ (5:41), fühlt sich an wie eine Traumsequenz. Die Gitarre schwebt in einem Delay, während der Bass einen minimalistischen Groove bietet. DZYAN schaffen es, Spannung und Intensität aufzubauen. Es entsteht das Gefühl, einen inneren Weg zu beschreiten. Poetisch und berührend.

Doch DZYAN brechen auch mit ´A Day In My Life´ (6:11) sämtliche Erwartungen. Der Rhythmus ist knifflig, aber nicht unangenehm. Die Melodien tauchen auf und verschwinden schnell wieder, als wären sie flüchtige Gedanken eines ganz normalen Tages. Gigers Schlagzeugspiel ist dementsprechend besonders frei, aber nie zufällig.

Dann entfacht ´Dragon Song´ (5:55) eine gewaltige Energie. Es entfaltet sich ein Sturm aus perkussiven Klängen, scharfen Gitarren und Bass. Der „Drache“ ist kein mystisches Tier, sondern ein inneres Feuer, uralt und unfassbar kraftvoll – und gehört zu den Höhepunkten des Albums.

´Electric Silence´ (8:43), der finale Track, spielt mit dem Konzept der elektrischen Stille. Die Musik scheint sich in verschiedene Schwingungen aufzulösen, und es gibt weder Melodie noch klassischen Rhythmus. Einfach nur einen Klang. Es fühlt sich nach einem Zustand reiner Wahrnehmung an. Sitar und Mellotron verschmelzen zu einer meditativen Klangatmosphäre, die am Ende einfach verklingt – ohne Schlussapplaus – nur Stille.

In der Summe (von 36:57 Minuten) zeigt sich, dass ´Electric Silence´ ein Zustand ist, ein klanglicher Trip. Die Musiker sind regelrechte Klangalchemisten, die Raum schaffen statt Lieder, die eine hypnotische Tiefe und spirituelle Kraft erzeugen. Die Mischung aus westlichem Jazzrock, östlicher Philosophie und freier Improvisation ist nicht nur im deutschen Krautrock einzigartig, sondern auch global. Ein würdiger Abschluss einer Band, die sich nie für kommerziellen Erfolg, sondern nur für neue Klänge interessiert hat. Ein Muss für alle, die das Besondere lieben.

https://www.facebook.com/migmusic.de

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"