LOCRIAN – The Crystal World

2010/2025 (Utech Records) - Stil: Drone/Noise

Michael Haifl4. Juni 2025

Fünfzehn Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung kommt das Album ´The Crystal World´ von LOCRIAN remastert und auf schimmerndem Vinyl wieder zurück. In der Zwischenzeit hat dieses Werk nichts von seiner dunklen Eleganz eingebüßt. Ursprünglich 2010 auf “Utech Records” erschienen, erinnert es uns an eine Zukunft, die wir längst erreicht haben. ´The Crystal World´, benannt nach dem gleichnamigen Buch von J.G. Ballard, ist eine akustische Dystopie. Das Werk zeigt die Schönheit, die im Verfall steckt. Die Zeit scheint stillzustehen, und organisches Leben verwandelt sich in fragile, gläserne Strukturen.

LOCRIAN bringen diesen Zustand nicht nur zum Ausdruck, sie feiern ihn. Ihre Musik ist wie eine Mischung aus Schönheit und Zerbrechlichkeit, eine Art kathartisches Erfassen dieses Zustands. Die Gitarren von André Foisy wechseln zwischen dröhnenden, fast heiligen Klängen und schimmernden Akkorden. Terence Hannums Einsatz von Synthesizern und geisterhaften Vocals sorgt für eine frostige Stimmung, die zwischen sakraler Musik und post-industriellen Klängen schwebt. Steven Hess gesellt sich am Schlagzeug und mit etwas Elektronik zu ihnen, so dass sich das Projekt von einem Duo zu einem Trio wandelt. Seine rhythmischen Einsätze, minimalistisch und dissonant, durchbrechen die ruhige Oberfläche der Musik und bringen Spannung hinein.

´Triumph Of Elimination´ stößt einen sehr kühlen, minimalistischen Klang an. Plötzlich fügt sich Feedback hinzu, und der Rhythmus setzt bis zum letzten Atemzug ein. ´At Night’s End´ klingt wie eine Totenmesse aus einer anderen Dimension. Terence Hannums Stimme schimmert über die dröhnenden Töne, während die Gitarren sich anhören wie versteckte Signale aus der Vergangenheit.

Der Titeltrack ´The Crystal World´ spielt mit elegischen Loops und einer fast chaotischen Struktur, aber ohne Gesang. Der Elfminüter ´Pathogens´ bietet im Herzschlag eine Mischung aus Dröhnen und Klingen, beinahe einem mechanischen Wesen gleich.

´Obsidian Facades´ erwacht mit einem tiefen, ehrlichen Schrei, schreitet voller Intensität brutal durch das Leben und endet in einer sakralen, wiedergeborenen Stimmung. Abschließend mündet ´Elevations And Depths´ mit einer Kombination von Violine, Akustikgitarre und Harmonium in einem apokalyptischen Klangfluss. Der begleitende, aber gespenstische Gesang von Erica Burgner und Terence Hannum ist in dieser Dunkelheit der letzte Funken Menschlichkeit.

´The Crystal World´ ist auch nach 15 Jahren ein stiller Schrei in der Finsternis unserer zerfallenden Welt. Ein morbides Gefühl, eine Grenzüberschreitung. Gleichwohl fühlt es sich 15 Jahre später wie ein Abschiedsbrief an die Menschheit an, den niemand mehr liest.

Vor 15 Jahren schien ´The Crystal World´ Klassiker verdächtig, 15 Jahre später liest niemand mehr.