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HÄMATOM – Berlin – Ein akustischer Tanz auf dem Vulkan

~ 2021 (Anti Alles/Believe) – Stil: Roaring Twenties ~


´Berlin – Ein akustischer Tanz auf dem Vulkan´ ist HÄMATOMs erstaunlich fesselnder Soundtrack im Glanze der Goldenen Zwanzigerjahre für die rabenschwarze Gegenwart geworden, den Vincent Sorg (u.a. DIE TOTEN HOSEN, BROILERS) den vier maskierten Männern, also nicht Gene, Paul, Ace und Peter, sondern „Nord“, „Ost“, „Süd“ und „West“ maßgeschneidert produziert hat.

Zehn enthemmte Songs enthält dieses Projekt von HÄMATOM, dieses gewissermaßen ersten Unplugged-Werkes der Band, das sich sprachlich vielmehr rüpelhaft als stattlich schick mit Frack und Zylinder zeigt, weil HÄMATOM reichlich Sex, Lust und Gewalt in Nahaufnahme preisgeben:

Lasst uns im Hier und Jetzt leben, soll das gegenwärtige Motto sein. Nicht unbedingt im von Schnaps und Kokain betäubten Berlin (´Tanz auf dem Vulkan´). Aber es regt sich langsam was, auch wenn der Arsch zum Bewegen aufgefordert werden muss (´Beweg dein‘ Arsch´). Also, auf geht´s, Wodka, Gin, Grappa und Ouzo trinken, in St. Petersburg und zum Schluss in Athen (´Au Revoir´). Selbst wenn die große Liebe dem Sündenpfuhl der Hauptstadt gilt (´Berlin´). Denn dort darf sogar ein Arschloch geliebt werden (´Zwischen Gangstern und Ganoven´). Nur, was nicht jeder weiß: Im Osten lässt es sich am besten saufen und tanzen (´Werft die Gläser an die Wand´). Dort schenkt man sich die Liebe bis zum Luftversagen (´Ein Herz und eine Kehle´). Oder: Wer bringt wen um? Sie ihn um den Verstand (´Du bringst mich um´)?

Nur ob das jetzt David Lee Roth oder HÄMATOM sind, lässt sich ganz zum Schluss plötzlich nicht mehr sagen (´Die Welt ist high´). Immerhin lernen wir: Das Leben ist auf jeden Fall eine endliche Reise (´Nichts bleibt für immer´). Und auf diesen Trip nehmen HÄMATOM alle Hörer mit, die sich in diesen trostlosen Zeiten am Liebsten im sündigen Berlin der Goldenen Zwanzigerjahre wähnen würden. Selbst wenn zum Ende hin etwas die Luft ausgeht, so wie dem güldenen Jahrzehnt selbst, Bläser- und Streicherformationen bringen Schwung in diese schöne neue Alte Welt, in der jeder bereits darauf wartet, mit Champagner und Kaviar in den Händen auf die Öffnung zum Untergang anzustoßen.

HÄMATOM laden zum Blasen und Tanzen ein. HÄMATOM klingen wie Ku’damm 23, wie die BROILERS mit Bigband. Nur ein Teufel würde das Angebot ausschlagen.

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/haematommusic