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JON ANDERSON – 1000 Hands

~ 2019/2020 (Blue Élan Records) – Stil: (Art-) Pop ~


Aller guten Dinge sind drei – und so veröffentlichte Jon Anderson 2019 sein fünfzehntes Solo-Album ´1000 Hands´ digital sowie als CD und Vinyl. Das schwarze Gold war jedoch als Europäer nicht so einfach zu erstehen, wurde sogar die Bestellung von der eigens eingerichteten Homepage kurzerhand (wohl aufgrund der vorab falsch kalkulierten Versandkosten) komplett storniert.

Die Vorbereitungen, die sich für dieses Solo-Scheibchen über drei Jahrzehnte hinweg zogen, fanden schließlich dennoch für die Meisten ein gutes Ende. Und da die (bald) tausend beteiligten Hände es wert sind, weltweit größere Beachtung zu finden, erscheint ´1000 Hands´ 2020 nochmals über „Blue Élan Records“ auf CD, Deluxe 180g Double-Vinyl sowie digital. Hoffentlich ist bei einer Vinyl-Bestellung allen Interessenten diesmal ein größeres Glück hold.

„I could not have wished for a better musical album as 1000 hands has turned out to be. I’m always dreaming of creating great and lasting music that has its own dynamical power, that will last forever. This album is one of my best experiences.“ (Jon Anderson)

Selbstredend darf die Erleichterung des 75-jährigen Briten groß sein, ein Album vollendet zu haben, dessen Aufnahmen er Anfang der Neunzigerjahre begonnen hatte. Der Titel bezieht sich auf die beinahe unzähligen Musiker, die gewissermaßen ihre Finger mit im Spiel hatten. Letztlich stand ihm ein Trio aus Michael (Keyboards) und Tim Franklin (Bass) sowie Tommy Calton (Gitarre) äußerst tatkräftig zur Seite, ohne deren Antriebskraft das Werk weiterhin unvollendet geblieben wäre.

Die Erwartungen aller, die schwerlich erfüllt werden können, sind in all den Jahren natürlich ins Unermessliche gestiegen. Ein echtes Solo-Album, das der Kenner seit den Alleingängen in den Siebzigerjahren kennt, und kein YES-Abklatsch stand somit prioritätsmäßig auf dem Programm. Und aufgrund des bereits vor Jahrzehnten begonnenen Kompositionsprozesses sollten zudem keinerlei Parallelen, beispielsweise zu den letzten Kollaborationen von Anderson mit Jazz-Violinist Jean-Luc Ponty (2015) oder Roine Stolt (2016), zutage treten.

Der Produktion Michael Franklins ist es zu verdanken, dass ´1000 Hands´ trotz der stilistischen Breite, von Pop, World Music bis Sinfonic Rock, und den weit über 70 beteiligten Musikern immerhin einheitlich mundet. Den Rahmen bildet der Song ´Now´, der als Eröffnungstrack allein vom Gesang und der Akustikgitarre Tommy Caltons getragen wird. In der Mitte des Werkes erklingt er in kurzer, orchestraler Variante mit Cello und Violinen nochmals als ´Now Variations´. Seinen Höhepunkt findet er unter dem Titel ´Now And Again´ als allerletztes Stück zur Reprise in Begleitung seines alten Kollegen Steve Howe an der klassischen Gitarren, innerhalb dessen ihm Anderson die Hand zur erneuten Freundschaft reicht: „Never forget, never forget that we are friends, never  forget, here I am singing as you play, memories sing in this lifetime, memories never forgotten, songs I remember, so close to imagine, many years go by.

Dezent asiatische Klänge umhüllen das von massig Gesangsschichten bestimmte ´Ramalama´, malaysisch für Licht. Die World Music breitet sich sodann weit mehr in ´First Born Leaders´ aus. Chöre und Rhythmen tragen den Hören mit der immer noch ziemlich engelsgleichen Stimme von Jon Anderson nach Somali. Dass jeder dies, was er nicht hat, haben will und jenes braucht, was er nicht sieht, ist ein weltweites Phänomen. Mit Ukulele und der Horn-Sektion TOWER OF POWER stimmt ´Makes Me Happy´ Reggae an. Zum Duett ´I Found Myself´ mit Andersons Ehefrau Jane Anderson setzt Jerry Goodman (MAHAVISHNU ORECHESTRA, DIXIE DREGS) zum Geigen-Solo an. Bei der Frage, wo die Musik herkommt, bewegt sich Anderson mit ´WDMCF (Where Does Music Come From)´ dagegen in Richtung Elektronik.

Obwohl sich des Weiteren ´Activate´ über neun Minuten und ´1000 Hands (Come Up)´ über acht Minuten mit interessanten Kompositionsaufbauten dem Prog Rocker anbiedern, muss ersterer Song nicht allein aufgrund seines Aufbrechens in den letzten Sekunden sowie der Beteiligung von Steve Morse oder Pat Travers unbedingt zu den Höhepunkten gezählt werden, der Flöten-Einsatz von Ian Anderson (JETHRO TULL) aber unbedingt. Im Quasi-Titelsong ´1000 Hands (Come Up)´ ist das Staraufgebot mit Billy Cobham (MAHAVISHNU ORECHESTRA), Chick Corea, Stuart Hamm (MSG, MOUNTAIN) und dem Godfather of Fusion Larry Coryell noch größer. Inwieweit der jeweilige Beitrag der zwischenzeitlich verstorbenen Chris Squire und Larry Coryell von Tim Franklin bzw. Tommy Calton ersetzt wurde, lässt sich nur zu erahnen.

´1000 Hands´ ist ein leicht zu konsumierendes, aber gleichfalls nicht unbedingt zum Nebenbeihören geeignetes Solo-Werk von Jon Anderson geworden. Die Strahlkraft eines ´Olias Of Sunhillow´ oder ´The Friends Of Mr Cairo´ dürfte es über die kommenden Dekaden hinweg trotz des immensen Staraufgebotes und seiner langen, imposanten Vorgeschichte nicht entwickeln. Wann erscheint die Drittauflage?

(7,5 Punkte)