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REESE WYNANS AND FRIENDS – Sweet Release

~ 2019 (Provogue / Mascot Label Group) – Stil: Rock, R&B, Blues ~


Ich kann zwar den typischen SUV-Fahrer nicht einschätzen, aber ich stelle ihn mir als Mann zwischen 50 und 60 mit teureren Klamotten vor, bei denen Jeans und Leder sowas wie Wildheit und Freiheit symbolisieren soll. Und um der Rebellion noch Anschub zu geben, hört man dann Blues Rock, der von Juke Joints, staubigen Strassen, einem harten Leben und Entbehrungen spricht, dabei aber produktionstechnisch sauber und geleckt wirkt. Man will ja nicht übertreiben. Ich meine Blues Rock, wie ihn Reese Wynans mit seinen Freunden hier spielt.

50 Jahre ist der Keyboarder aktiv, gemeinsam mit Duane Allman, Carole King, Stevie Ray Vaughn und letztendlich Bonamassa. Alles klangvolle Namen und entsprechend klangvolle Musik, will man meinen. Aber Vaughn war schon sehr 80er, guter Gitarrist und Frontmann, halt im US Mainstream angekommen. Bonamassa ist da erdiger, aber bei allen Klangfarben bleibt in den Songs trotzdem alles gesagt. Und wenn Reese Wynans mit seinen Freunden hier Stücke aus seiner bisherigen Karriere covert, dann haben diese uns erst recht schon alles gesagt.

Handwerklich ist das gut gemacht, sogar sehr gut. Die Gitarreneinlagen sind beseelt, viele tolle, auch etwas intensiver brodelnde Soli finden sich hier. Gesang ist top, eindringlich, mal mehr im Soul, mal kantig rockig, aber letzteres ist nur bis zu einem gewissen Grad kantig und eckig, dann kommt der Schliff. Der Sound ist sauber, das Spiel lebendig, aber immer solide. Ja, das Album hier, das erste Soloalbum von Reese Wynans, ist solide. Reaktionär solide, möchte ich meinen. Ich liebe Heavy Metal, grad die alte Schule 79 bis 82 und ich sehe viele aktuelle Bands, die sich diesem Gedanken anschließen und das ist schon reaktionär. Der Bluesrock greift noch weiter zurück und ist, mit Verlaub, noch schlimmer.

Ein paar Frischlinge gibt es immer, die da Ausnahmen bilden, die alten Säcke sind festgefahren, auf höchstem Niveau zwar, aber Melodien und Songs sagen uns dasselbe wie bei CANNED HEAT 1967 oder TEN YEARS AFTER 1970. Und das sind 50 Jahre, die seither vergangen sind. Der Aufstandsfaktor ist minimal. Aber wer sich sicher und geborgen fühlt mit dieser Musik, soll sie genießen. Wie bei Eric Gales oder Walter Trout ist das hier eine CD für Leute, die Bock auf Bluesrock haben, der hier und dort mal andere verwandte Genres zulässt, aber eigentlich sturköpfig seinem Weg folgt. Klassisch, extrem klassisch, konservativ, ach, ich winke es mal durch für Genrefans.

(6 Punkte)