
THE DOORS – Live At The Aquarius Theatre – The First Performance
2001/2025 (Analogue Productions/Rhino Records) - Stil: Rock
THE DOORS fangen mit dieser Aufnahme einen der entscheidenden Abende ihres Lebens ein, in einem der intimsten und zugleich elektrisierendsten Settings, die die Sunset-Strip-Szene der späten 1960er Jahre zu bieten hatte. Am 21. Juli 1969 betrat Jim Morrison die Bühne des “Aquarius Theatre” in Hollywood, nur wenige Monate nach dem folgenreichen Miami-Zwischenfall, infolgedessen die Band in weiten Teilen der USA faktisch unerwünscht war. Zu provokant, zu anarchisch, zu schamanistisch – THE DOORS galten vielen als Anathema einer sich moralisch sicher wähnenden Öffentlichkeit. Kommunale Hallen verweigerten Auftritte, die Band wurde zur Persona non grata, auf kleinere Räume und Rückzugsorte verwiesen. Das “Aquarius Theatre” in Hollywood wurde dennoch nicht zur Ausweichstation, sondern zur bewussten Rückkehr in ihre Heimatstadt. Ein intimer Raum mit Geschichte, fernab von Sportarenen und medialer Mystifizierung, mit besseren akustischen Voraussetzungen und einem Publikum, das zuhören wollte. Nach einer längeren Live-Pause traf hier eine gereifte, disziplinierte Band auf einen Ort, der Nähe zuließ – und Konzentration einforderte. Das Quartett, mit Ray Manzarek, Robby Krieger und John Densmore, zeigte sich gleichsam konzentriert, spontan und inspiriert, gleichzeitig losgelöst und vollkommen im Einklang, dabei tief verwurzelt in Blues und Psychedelia.
Der Abend
Die Setlist von ´Live At The Aquarius Theatre – The First Performance´ verbindet Hits, tiefere Cuts, psychedelische und bluesige Improvisationen zu einem spannungsgeladenen Ganzen. Schon die ersten Minuten machen klar, dass dies kein routinierter Auftritt ist. Das langsame Einfinden, das Stimmen der Instrumente, Jim Morrisons lakonische Ansprachen schaffen eine Spannung, die sich in ´Back Door Man´ entlädt. John Densmores Schlagzeug setzt trocken und erdig ein, Robby Krieger antwortet mit kantigen Blueslinien, während Ray Manzareks Orgel den Raum mit einer dunklen, sirrenden Hitze füllt. Jim Morrison wirkt ungewohnt fokussiert, weniger exzessiv, dafür umso eindringlicher – seine Stimme präsent, kontrolliert und voller innerer Spannung, ein Erzähler, der weiß, wann Zurückhaltung mehr Wirkung entfaltet als theatralische Eskalation.

´Break On Through´ besitzt diese nervöse Beschleunigung, die weniger auf Tempo als auf inneren Druck setzt, und lebt sich bereits ausgiebig aus, während ´Soul Kitchen´ die Töne fliegen lässt und mit schmutzigem Groove sowie scharfem Zusammenspiel überzeugt. Immer wieder wird spürbar, wie sehr THE DOORS in diesem Moment als organische Einheit funktionieren. Die Übergänge sind fließend, die Kommunikation zwischen Orgel, Gitarre und Schlagzeug beinahe telepathisch. ´You Make Me Real´ springt leichtfüßig in die Wildheit über, ´I Will Never Be Untrue´ zergeht in seiner bluesigen Lieblichkeit. Doch spätestens mit ´When The Music’s Over´ erreicht das Konzert einen ersten Gipfelpunkt. Jim Morrison dehnt die Worte, tastet sich an den Rand der Stille, bevor die Band mit eruptiver Wucht zurückkehrt und das epische Stück in einen rituellen Sog zieht. Selbst ´Universal Mind´ bleibt anschließend trotz Wehmut noch äußerst dynamisch.
Die zweite Hälfte des Auftritts taucht dann tiefer in die bluesige Grundsubstanz der Band ein. ´Mystery Train / Crossroads´ und ´Who Do You Love´ wirken wie Vorboten dessen, was wenige Monate später auf ´Morrison Hotel´ Gestalt annehmen sollte. Dazwischen stampft noch ´Build Me A Woman´ in seiner treibenden und aggressiven Art durch rohen Blues. Robby Kriegers Spiel ist hier besonders inspiriert, mal schneidend, mal rau und offen, stets präzise im Ton. Ray Manzarek verbindet seine klassische Prägung mit roher Rockenergie, während John Densmore mit federndem, jazzgeschultem Puls alles zusammenhält. Über allem steht Jim Morrisons Stimme, die weniger provoziert als beschwört – ein kontrolliertes Feuer, das aus dem Inneren lodert.

Nach einem ausgedehnten ´Light My Fire´ ist ´The Celebration Of The Lizard´ ein weiterer Höhepunkt des Abends, der hier nicht als fragmentarische Idee erscheint, sondern als lebendiges, gefährliches Gebilde zwischen Poesie und Improvisation. Jim Morrison bewegt sich frei durch Text und Klang, die Band folgt ihm aufmerksam, reagiert, hält inne, stößt wieder vor. Die Spannung entsteht dabei aus der permanenten Möglichkeit des Kontrollverlusts.
Gerade die beiläufigen Momente – das Stimmen der Gitarren, kurze Zwischenrufe, das dokumentierte Soundcheck-Material – verstärken den Eindruck, einem realen Abend beizuwohnen. Diese Aufnahme will nicht perfekt sein, sie will wahrhaftig sein. Sie zeigt THE DOORS nicht als Mythos, sondern als arbeitende Band, die sich nach einer Phase der Verunsicherung auf ihre Essenz zurückbesinnt.
Der neue Mix
Was diese Veröffentlichung heute so schlüssig erscheinen lässt, ist nicht allein die historische Situation oder die Intensität des Abends, sondern die Sorgfalt, mit der sie Jahrzehnte später neu zum Leben erweckt wurde. Die vorliegende Vinylfassung durch “Analogue Productions” basiert nicht auf einer bloßen Wiederverwertung früherer Digitalmaster, sondern auf einer vollständigen Neumischung aus den originalen analogen Achtspur-Bändern.
Als sich die für die Erstausgabe von 2001 verwendeten digitalen Master als technisch verloren erwiesen, öffnete sich rückblickend ein Glücksfall: Die Bänder von 1969 konnten in hoher Auflösung neu archiviert werden. Störgeräusche, Brummen und Nebengeräusche traten in den Hintergrund, ohne den Charakter der Aufnahme zu glätten.

Der neue Mix, von Doors-Engineer Bruce Botnick erstellt, entstand als geschlossener Durchlauf – eine bewusste Entscheidung für den Fluss eines echten Konzerts. Band, Raum und Publikum wurden nicht fragmentiert, sondern als organische Einheit verstanden. Mehrere vollständige Mischdurchgänge dienten dazu, das Gleichgewicht zwischen Spontaneität und Kontrolle auszuloten, bevor das Ergebnis in die endgültige Struktur der Schallplattenseiten überführt wurde.
Auch technisch atmet diese Veröffentlichung den Geist ihrer Zeit. Aufgenommen mit mobilen Anlagen von “Elektra Records” und Wally Heider, eingefangen auf 3M- und Ampex-Maschinen, mit einer Mischung aus Röhrentechnik und frühem Dolby-A-Einsatz, bleibt der Klang zutiefst analog, körperlich und direkt. Mikrofone wie AKG C12A, Sennheiser 405 und Shure SM57 fangen die Band in ihrer natürlichen Präsenz ein; Bruce Botnicks Nachbearbeitung auf der “Avid Icon Konsole” verleiht den Aufnahmen eine nie dagewesene Klarheit. Man hört den Raum, das Publikum, die kleinen Zwischenmomente ebenso wie eruptive Höhepunkte – alles gleichzeitig, unfragmentiert und intensiv.
Audiophile Schlussnote
Abgerundet wird diese Edition durch eine Pressqualität, die dem dokumentierten Abend in jeder Hinsicht gerecht wird. Die Schallplatten wurden bei “Quality Record Pressings” (QRP) gefertigt und überzeugen durch außergewöhnliche Planlage, tiefschwarzen Hintergrund und eine bemerkenswerte Laufruhe. Selbst in den leisesten Passagen bleibt der Rauschpegel extrem niedrig, wodurch Raumtiefe, Dynamik und die feinen Schattierungen von Stimme und Instrumenten ungehindert zur Geltung kommen.
Die Kombination aus vollständig analoger Quellenarbeit, sorgfältiger Neumischung und präziser Pressung verleiht dieser Veröffentlichung eine physische Präsenz, wie sie selbst unter hochwertigen Reissues selten geworden ist. Impulse stehen klar im Raum, Transienten sind scharf umrissen, ohne Härte, und der Bass besitzt Gewicht und Kontur, ohne je aufzudicken. Gerade Jim Morrisons Stimme profitiert von dieser Ruhe im Vinyl. Sie erscheint greifbar, körperlich, frei von jeder Schärfe oder Kompression.
Diese QRP-Pressung macht deutlich, dass es hier nicht um nostalgische Wiederverwertung geht, sondern um eine ernsthafte klangliche Rekonstruktion eines historischen Moments. Wer über eine entsprechend auflösende Anlage verfügt, erlebt ´Live At The Aquarius Theatre – The First Performance´ nicht als ausgegrabenes Archivstück, sondern als unmittelbares Live-Ereignis – präsent, lebendig und von einer klanglichen Integrität, die diese Veröffentlichung endgültig in den Rang einer audiophilen Referenz erhebt.
So schließt sich ein Kreis. Ein Konzert, das einst als Zwischenstation wahrgenommen wurde, erscheint heute als Schlüsseldokument. Es zeigt eine Band in einer Phase der Selbstvergewisserung, konzentriert, diszipliniert und dennoch gefährlich offen. Diese 3-LP-Edition bewahrt nicht nur ein Ereignis, sie schärft den Blick dafür, was THE DOORS auf der Bühne ausmachten. In dieser Form wirkt das “Aquarius Theatre” nicht wie Vergangenheit, sondern wie ein immer noch pulsierender Ort, festgehalten mit der Ruhe, Erfahrung und Hingabe, die erst die Zeit möglich gemacht hat.
Wer THE DOORS heute noch als Live-Band erleben und erfahren will, findet in ´Live At The Aquarius Theatre – The First Performance´ eine unmittelbare, zeitlose Antwort.
Klassiker.
https://www.facebook.com/thedoors
Jim Morrison – Gesang
Ray Manzarek – Orgel, Keyboard, Bass
Robby Krieger – E-Gitarre
John Densmore – Schlagzeug



