
Danny Elfman – The Nightmare Before Christmas (Original Motion Picture Soundtrack)
1993/2025 (Walt Disney Records) - Soundtrack
Es gibt Soundtracks, die eigene Welten anstoßen, als hätten sie längst darauf gewartet, sich in den Köpfen der Hörer auszubreiten. Danny Elfmans Werk zu ´The Nightmare Before Christmas´ gehört zu jener seltenen Kategorie, in der Musik wie ein eigenes, widerspenstiges Lebewesen agiert, das glitzert, tanzt und mit einem großen, schiefen Grinsen seine Identität behauptet. Dieses Album steht auch ohne Bildern aus Tim Burtons Stop-Motion-Albtraum sicher auf seinen eigenen Beinen und entfaltet eine Atmosphäre, die düster ist, ohne schwer zu werden, und voller Humor, ohne je banal abzurutschen.
Danny Elfman komponiert diesen Score wie einen Triumph des Unorthodoxen. Jede Melodie scheint sich ein wenig gegen die Regeln der klassischen Filmmusik zu sträuben, doch genau darin liegt die Faszination. Die Musik wirkt, als wäre sie direkt aus Halloweens nächtlicher Erde gewachsen. Schon die orchestrale Eröffnung trägt den Hörer in einen Klangraum, der am Rand des Morbiden angesiedelt ist, doch gleichzeitig mit diesem verschmitzten Funkeln, das nur Danny Elfman so präzise trifft. Man spürt sofort, wie nah sich hier die Sphäre des Makabren und die des spielerischen Theaters kommen, als wollten sie miteinander Händchen halten.

Der Song ´This Is Halloween´ lässt keinen Augenblick verstreichen, bevor er sich mit voller Inbrunst einen Weg ins Bewusstsein bahnt. Die Stimmen der Bewohner von Halloween Town wirken wie ein Chor aus Schattenfiguren, die im Takt der Streicher über das Kopfsteinpflaster hüpfen. Die rhythmische Struktur besitzt die Energie eines Jahrmarktes, der kurz davorsteht, im Chaos zu explodieren, während die Melodielinien ihre Bögen schlagen, als wollten sie kindliche Neugier und morbides Gelächter zugleich einfangen. Danny Elfman verschraubt diese Elemente so unzertrennlich miteinander, dass selbst beim tausendsten Hören das Gefühl bleibt, etwas Gefährliches könnte hinter der nächsten musikalischen Ecke lauern.
Mit ´Jack’s Lament´ zeigt das Album seine verletzliche Seite. Die Figur Jack Skellington spricht hier nicht nur, er singt sich in einen Zustand zarter Einsamkeit hinein. Die harmonischen Schritte wirken wie tastende Bewegungen im Halbdunkel, und Danny Elfmans eigene Stimme legt eine brüchige Menschlichkeit über die Theatralik der Szene. Die Musik nimmt die Struktur eines langsamen, gedankenschweren Monologs an, in dem sich Sehnsucht und Überdruss begegnen. So gelingt Danny Elfman das Kunststück, eine Figur mit einem einzigen Song gleichzeitig als Ikone, Clown, Tragödie und Suchenden zu zeichnen.
Wenn ´What’s This?´ schließlich entfesselt wird, fühlt man den abrupten Perspektivwechsel fast körperlich. Die Orchestrierung sprüht vor Licht, Farben und übermütiger Beschleunigung, als würde Jack Skellington mit weit aufgerissenen Augen durch die fremde Weihnachtswelt stürmen. Hier zeigt Danny Elfman sein kompositorisches Talent in voller Blüte: Holzbläser flirren wie Schneeflocken, Streicher jagen einander wie aufgeregte Kinder, und im Kern entfaltet sich ein melodisches Motiv, das so unmittelbar zugänglich ist, dass man kaum glauben mag, wie komplex seine Architektur tatsächlich ist.
Die instrumentalen Passagen zwischen den großen Songs dienen derweil nicht bloß als Übergänge, sondern als kleine unheimliche Szenen, die jede für sich eine Miniaturwelt öffnen. Danny Elfman nutzt das Orchester wie eine Ansammlung nachtaktiver Kreaturen. In den Bässen murmelt es, in den Celesta-Klängen glitzert es, und hinter manchen melodischen Gesten lauert eine Spur Bedrohung, die nie ganz greifbar wird. So entsteht der Eindruck, der Score würde leben. Besonders die Zwischenspiele rund um die entführten Weihnachtsfiguren und die düstere Präsenz von Oogie Boogie entfalten eine fast noirhafte Qualität. Die Musik kriecht hier tiefer in die Schatten und zeigt, wie souverän Danny Elfman dunkle Räume ausleuchten kann, ohne die Balance aus Humor und Bedrohung zu verlieren.
´Oogie Boogie’s Song´ bildet einen jener Momente, in denen der Soundtrack wie eine kleine Revue wirkt, die fröhlich mit den Grundpfeilern des amerikanischen Musiktheaters spielt. Hier treffen Vaudeville, Blues und groteske Cartoon-Energie aufeinander. Danny Elfman baut den Song wie eine Bühnennummer, in der Rhythmus und Timbre die Gestalt der Figur formen. Der Klang ist so farbstark und überzogen, dass man ihn fast sehen kann. Und doch hält Danny Elfman die dramaturgische Spannung, indem er immer wieder musikalische Falltüren öffnet, die das Stück in neue Richtungen kippen lassen.
Mit der großen Finalstrecke des Albums – dem musikalischen Konflikt, der Rettung und der Rückkehr – erreicht der Score seine ausgereifteste Form. In ´Poor Jack´ schwebt eine Mischung aus Erkenntnis und Einkehr, als würde Danny Elfman einen Moment echter Selbstreflexion inmitten des Spektakels aufblitzen lassen. Die orchestralen Texturen weiten sich, die Melodien heben sich über die vorangegangenen Dramatiken hinweg und gewinnen einen warmen, beinahe elegischen Ton. Diese Szene markiert einen emotionalen Höhepunkt, weil sie den Humor nicht negiert, sondern in eine größere Empfindsamkeit einbettet.
Im abschließenden Duett zwischen Jack und Sally entsteht schließlich eine fragile, selten zärtliche Atmosphäre. Hier legt Danny Elfman das Orchester fast transparent an und erlaubt es den Stimmen, die innere Handlung zu tragen. Der Moment fühlt sich an wie ein leises Aufglimmen mitten in einer unruhigen Nacht, die kurz davorsteht, wieder ins Chaos zurückzufallen – doch für einen Augenblick ruht sie.

So schließt sich der Kreis eines Soundtracks, der längst mehr ist als ein Begleitwerk. Denn Danny Elfman komponiert nicht in Szenen oder Kapiteln, sondern in Stimmungen, Bewegungen und Figuren. Seine Musik greift immer wieder nach dem Ungewöhnlichen und präsentiert sich mit der Selbstverständlichkeit eines Klassikers, der nie alt wird, weil er sich jeder Kategorisierung entzieht. Man hört in diesen Stücken sowohl das Kindliche als auch das Morbide, das Spektakelhafte wie die intime Stille. Vor allem aber spürt man die ungeheure Freude an der Gestaltung, die Lust an der Überzeichnung und die Sensibilität für das Emotional-Komödiantische, das Tim Burton und Danny Elfman seit Jahrzehnten verbindet.
´The Nightmare Before Christmas´ ist bis heute ein Soundtrack, der sich weigert, im Regal der saisonalen Begleitmusik zu verstauben. Er lebt, er grinst und er flüstert dem Hörer zu, dass es in den Zeiten zwischen den Festen, in den Schatten der Feiertage und in den leuchtenden Augen der Figuren stets ein bisschen Magie gibt, die sich nur dann zeigt, wenn man eine Tür öffnet, die man eigentlich nicht öffnen sollte.
Das Album bleibt ein zeitloses Beispiel dafür, wie Musik eine Welt nicht nur begleiten, sondern erschaffen kann. Danny Elfmans Werk besitzt eine skurrile Eleganz, die sich wie ein kostbarer Faden durch alle Songs zieht und die Atmosphäre des Films bis heute trägt. Selbst ohne Bilder entfaltet es seine Wirkung, weil es den Zauber des Unangepassten, die Schönheit des Schrägen und die ungeheure Lust am Erzählen so kraftvoll in sich trägt.
Wer dieses Album hört, hört nicht nur einen Soundtrack, sondern das Herz einer ganzen Welt – schlagend, flackernd und voller schattiger Funken.

Wenn man heute auf ´The Nightmare Before Christmas´ zurückblickt, wirkt der Film wie ein seltsames Geschenk, das die Zeit selbst eingepackt hat. Tim Burton erschuf mit dieser Geschichte kein traditionelles Märchen, sondern eine Welt, die sowohl aus Fäden als auch aus Schatten besteht. Jack Skellington, dieser hohle, charmant vorbeigeisternde König von Halloween Town, bleibt eine der sympathischsten Gestalten, die je dem Dunkel entsprungen sind. Seine ruhelosen Bewegungen, die schlaksige Eleganz, seine Mischung aus Weltschmerz und kindlicher Begeisterung – all das verleiht ihm eine Präsenz, die mit jeder neuen Sichtung seltsam vertraut wirkt. Sally, die stille, mit Nadel und Faden zusammengehaltene Seele des Films, trägt eine Zerbrechlichkeit in sich, die zugleich Mut und Melancholie ausstrahlt. Zusammen bilden beide das ungewöhnlichste Paar des Stop-Motion-Kinos.
Zwischen ihnen wuseln Kreaturen, die nur in Halloween Town existieren können: der schleimige Oogie Boogie, dessen Gefährlichkeit sich erst offenbart, wenn man ihn wirklich im Licht betrachtet; der nervös überschäumende Dr. Finkelstein; die Trick-or-Treat-Gesellen Lock, Shock und Barrel, die mit ihrer anarchischen Freude stets knapp am Chaos entlangschrammen. Der Film ist eine Parade der Unangepassten, ein Festzug jener Figuren, die in einer Welt voller glatter Äußerlichkeit keinen Platz finden würden. Doch hier, in diesem Reich aus Federdraht, Holz, Latex und enormer Hingabe, gehören sie zusammen wie Instrumente eines unkonventionellen Orchesters.
Dass gerade jetzt eine neue Edition des Soundtracks erscheint, wirkt fast wie eine Geste dieser Welt selbst, die sich wieder einmal in Erinnerung ruft. Die “Glow In The Dark”-Vinyl-Edition weckt jene kindliche Neugier, die der Film seit seinem Erscheinen entfacht hat. Wenn die Platte im Dunkeln zu leuchten beginnt, hat das nichts von Gimmick oder Effekt – es ist eher so, als bekäme man ein verborgenes Stück Halloween Town direkt in die Hände gelegt. Man setzt die Nadel auf und spürt sofort diese Mischung aus leiser Magie, schrägem Humor und unnachgiebiger Kreativität, aus der der Film gemacht ist. Die physische Präsenz des Vinyl, das Glimmen, irgendwann das sanfte Knistern zwischen den Liedern – all das fügt dem Album eine neue Dimension hinzu, die auf merkwürdige Weise perfekt zu dieser Welt passt.
Vielleicht ist es gerade diese Verbindung von Hören und Sehen, von Klang und Dunkelheit, die den Kreis zwischen Film und Musik noch enger schließt. Die neue Edition erinnert daran, dass dieser Film kein flüchtiges Popkulturexperiment war, sondern ein Kunstwerk, das seinen eigenen Weg durch die Jahrzehnte geht – unbeeindruckt von Trends, sicher in seiner Identität, wie ein nächtlicher Wanderer, der immer wieder durch die gleiche verschneite Landschaft zieht und doch jedes Mal eine neue Spur hinterlässt.
So wirkt dieses Vinyl, als würde es nicht nur Musik speichern, sondern ein Stück jener Welt konservieren, in der sich das Morbide und das Zärtliche, das Groteske und das Warmherzige so wunderbar berühren. Und vielleicht leuchtet es insbesondere deshalb im Dunkeln, damit man nie vergisst, dass diese Geschichte, egal wie oft wir sie schon gesehen oder gehört haben, immer ein kleines Geheimnis bereithält – eines, das sich nicht auflösen, sondern nur erneut entdecken lässt.
Kultklassiker.
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