PlattenkritikenPressfrisch

MEW – Frengers

2003/2025 (Music On Vinyl) - Stil: Alternative/Progressive Pop

Mit ´Frengers´ katapultierten sich MEW anno 2003 endgültig aus dem dänischen Untergrund in eine neue Liga, und schon der erste Ton des Openers ´Am I Wry? No´ lässt keinen Zweifel daran, dass dies kein gewöhnliches Indie-Pop-Album ist. Jonas Bjerres unverwechselbare Stimme, hoch, fragil und zugleich eindringlich, schwebt über einem wogenden Fundament aus Johan Wohlerts unruhigen Basslinien, Silas Utke Graae Jørgensens perkussiver Präzision und Bo Madsens verspielten Gitarren, während sich die Melodien in spiralförmigen Bögen entfalten, die sofort die emotionale Intensität des Albums spürbar machen. Das Stück baut sich zu einem Mini-Epos auf, das zwischen fragilen Momenten, orchestralem Schwung und poppiger Eingängigkeit pendelt.

´156´ öffnet die Tür zu MEWs experimenteller Seite. Beginnend mit träumerischen, fast sphärischen Gitarrenflächen und sanftem Windhauch an Keyboards, entwickelt sich das Stück zu einem hypnotischen Treiben aus rhythmischen Variationen, eingestreuten Gitarrenriffs und wiederkehrenden Gesangsmotiven. Die Komposition ist gleichzeitig introspektiv und euphorisch, als wolle sie den Hörer in einen Strudel aus Melancholie und euphorischer Sehnsucht ziehen. ´Snow Brigade´ steigert hernach das Tempo, jagt durch schneidende Bass- und Drumlinien, die sich zwischen treibender Dringlichkeit und kontrolliertem Chaos bewegen, während die Gitarren in 11/8- und 13/8-Mustern wirbeln und Bjerres Gesang über allem wie eine zerbrechliche Konstante schwebt.

Die Schönheit von ´Frengers´ ist allerdings nicht nur in diesen kraftvollen Momenten zu finden, sondern auch in der subtilen Intimität von Stücken wie ´Symmetry´, einem Balladenduett mit der jungen Becky Jarrett, das mit sparsam gesetzten Piano-Akkorden und zarten Harmonien die Luft zwischen den Stimmen zu einem beinahe greifbaren Raum aus Emotionen formt. Gleichsam fesselt ´Her Voice Is Beyond Her Years´ mit Stina Nordenstams engelsgleicher Stimme und melodischem Bassfundament, während die lyrische Tiefe Bjerres persönliche, leicht entrückte Perspektiven trägt.

´Eight Flew Over, One Was Destroyed´ erzeugt eine dichte, melancholische Atmosphäre, die sich nach und nach ausbreitet und den Hörer in einer Mischung aus hauchdünner Verwundbarkeit und subtiler Größe gefangen hält. ´She Came Home For Christmas´, eine melancholische Ballade, verwebt glockenklaren Piano-Klang mit Bjerres hohen Vocals und einer emotionalen Dringlichkeit, die das Stück trotz seines weihnachtlichen Titels wie ein introspektives, zutiefst menschliches Erlebnis erscheinen lässt. ´She Spider´ folgt mit verschachtelten Keyboards und akustischen Gitarren, bevor das Stück in einen scharf konturierten, fast psychedelischen Ausbruch übergeht, der die Dynamik zwischen Zerbrechlichkeit und wilder Energie perfekt auslotet.

Die epische Schlussnummer ´Comforting Sounds´ bündelt all das, was MEW auf diesem Album ausmacht: schichtweise aufbauende Instrumente, dramatische Crescendi und eine emotionale Sogkraft, die den Hörer in eine Art musikalisches Nirvana katapultiert. Jeder eingesetzte Synthesizer, jedes Piano, jede Gitarre fügt sich zu einem komplexen Mosaik zusammen, das gleichermaßen monumental und intim wirkt. Die Stücke fließen, wiederholen Motive mit Variationen, und dennoch dient alles der Erzählung, dem Ausdruck, dem Herzschlag des Albums.

´Frengers´ ist ein Album, das zwischen Indie-Pop, Alternative Rock und Progressive Pop schwebt, sich seiner poppigen Eingängigkeit bewusst ist, aber nie davor zurückschreckt, die Hörer auf emotionale, surreale und musikalisch komplexe Reisen mitzunehmen. Es ist kraftvoll und verletzlich zugleich, eine perfekte Balance aus ambitionierter Arrangierkunst, sphärischem Sound und der unnahbaren Schönheit von Jonas Bjerres Stimme. Es ist ein Werk, das sowohl in seinen epischen Höhen als auch in seinen leisen Momenten überwältigt, ein Album, das man erlebt, das sich wie ein Sturm über die Sinne legt und die Seele berührt.

Mit der neuen, streng limitierten Vinylauflage kehrt ´Frengers´ nun in leuchtendem Magenta zurück – als sorgfältig gestaltetes Sammlerstück mit bedruckter Innenhülle und einem vierseitigen Booklet. Sechs der zehn Stücke entstammten ursprünglich den beiden frühen, nur begrenzt veröffentlichten Alben ´A Triumph For Man´ und ´Half The World Is Watching Me´, wurden für ´Frengers´ jedoch neu aufgenommen und klanglich zusammengeführt. Vier weitere Kompositionen entstanden eigens für das Album und vervollständigten das Bild einer Band, die zu diesem Zeitpunkt bereits zu wissen schien, wohin sie wollte.

Die Wiederveröffentlichung lässt diese Phase nun noch einmal in ihrer ganzen Klarheit aufleben. Denn auf Vinyl entfalten sich die feinen Zwischentöne, und Jonas Bjerres helle Stimme gleitet über den weichen Flächen aus Gitarre und Elektronik, als wäre sie Teil des Lichts. ´Frengers´ erweist sich dabei als Werk zwischen Nähe und Distanz, getragen von einem leisen Schweben zwischen Melancholie und Aufbruch. Der Titel – eine Wortschöpfung aus „friend“ und „stranger“ – spiegelt genau diesen Schwebezustand wider, das Gefühl, zugleich Vertrautes und Unbekanntes zu begegnen, und macht das Album zu einem der stillen Klassiker seiner Zeit.

https://www.facebook.com/mew

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"